
Relegationsspiel Hertha-Düsseldorf: Skandal auf dem Platz
Bundesliga-Relegation Fan-Chaos überschattet Düsseldorfer Aufstieg
Hamburg - Die einprägsamsten Szenen dieses Relegationsspiels stammen aus der Nachspielzeit, und sie hatten nichts mit Fußball zu tun. Zwischen Fortuna Düsseldorf und Hertha BSC lief die 95. Minute, als Tausende Heim-Fans plötzlich von allen Seiten auf den Platz stürmten. Dabei hatte Schiedsrichter Wolfgang Stark noch längst nicht abgepfiffen.
In Erwartung des Bundesliga-Aufstiegs drehte ein Teil der Düsseldorfer Fans durch. Einige versuchten, Rasenstücke aus dem Platz zu schneiden. Andere jubelten mit den eigenen Spielern, während im Hintergrund immer wieder bengalische Feuer gezündet wurden.
Polizisten, Ordner und auch Düsseldorfer Spieler versuchten vehement, die Fans zur Rückkehr auf die Tribünen zu bewegen. Nach einer 20-minütigen Unterbrechung wurde die Partie fortgesetzt. Am Ende feierte Zweitligist Fortuna den Aufstieg. Düsseldorf tritt in der kommenden Saison zum ersten Mal seit 1997 wieder in der höchsten deutschen Spielklasse an.
"Nach dem Abpfiff war es ein bitterer Moment. Aber so ist es, die Fans sind einfach nicht zu bändigen", sagte Düsseldorfs Vorstandsmitglied Thomas Allofs: "Gott sei Dank ist es gut ausgegangen. Da müssen künftig noch neue Sicherheitskonzepte überlegt werden." Schon während des Spiels hatte es zwei Unterbrechungen gegeben, weil aus beiden Fanlagern bengalische Feuer und Feuerwerkskörper auf das Spielfeld geworfen wurden. "Das sind keine schönen Szenen für den Fußball", sagte Fortuna-Profi Jens Langeneke.
Früher Schock für die Hertha
Berlin trägt Trauer. Der Hauptstadtclub muss nach dem 2:2 (1:1) absteigen und spielt in der kommenden Saison wieder in der zweiten Liga. "Wir müssen das erst einmal sacken lassen und in Ruhe bewerten. So darf ein Fußballspiel nicht ausgehen. Die Sicherheit der Spieler war nicht mehr gewährleistet", sagte Hertha-Manager Michael Preetz.
Nach der Skandal-Begegnung denken die Berliner über einen Protest nach. Das erklärte Hertha-Anwalt Christoph Schickhardt. "Wir entscheiden morgen - und werden unsere Rechte abwägen", sagte Schickhardt bei Sky Sport News HD am späten Dienstagabend.
Zuvor wurde in Düsseldorf auch Fußball gespielt. Die Tore für die Gastgeber erzielten Maximilian Beister (1. Minute) und Ranisav Jovanovic (59.), Änis Ben-Hatira (22.) hatte für die Berliner zum zwischenzeitlichen Ausgleich getroffen. Das 2:2 von Raffael (85.) kam zu spät. Das Hinspiel hatte das Team von Trainer Otto Rehhagel im heimischen Olympiastadion 1:2 verloren.
Hertha, das mindestens zwei Tore erzielen musste, um doch noch die Klasse halten zu können, hätte keinen schlimmeren Start erwischen können. Ein Ballverlust im Mittelfeld reichte und Beister machte sich auf in Richtung Berliner Tor. Aus rund 25 Metern zog der künftige HSV-Profi ab und traf sehenswert ins linke Eck (1.). Der ohnehin nervöse Bundesligist spielte fortan gegen elf Fortunen und rund 50.000 Zuschauer, die bereits den Aufstieg ihres Clubs feierten.
Das machte die Mannschaft, wie man es von ihr schon so oft in der abgelaufenen Saison mit insgesamt 17 Niederlagen gesehen hatte. Ansehnlich im Spiel nach vorne, und im Mittelfeld mit einem Raffael, dessen Qualitäten in der gesamten restlichen Mannschaft auf groteske Weise unerreicht sind. Zwingend wurde Berlin deshalb auch in Düsseldorf zunächst viel zu selten. Lange blieb ein Schuss von Nikita Rukavytsya alles, was man als Chance bezeichnen konnte (7.). Der Australier traf nur das Außennetz.
Der Ausgleich durch Ben-Hatira (22.) fiel fast zwangsläufig nach einem Freistoß, den Ronny aus dem linken Halbfeld in die Mitte gebracht hatte. Ben-Hatira entwischte im Strafraum seinem Gegenspieler und köpfte aus kurzer Distanz ein: 1:1. Düsseldorf war beeindruckt. Die Hertha kontrollierte die Partie, blieb aber ohne Durchschlagskraft.
Die Gastgeber zeigten allenfalls Einzelaktionen. Thomas Bröker verzog knapp (32.), auf der anderen Seite war es Adrián Ramos (37.). Warum Berlin in der Relegation ums Überleben kämpfte, zeigte die nächste Chance für die Fortuna. Ein simpler langer Ball nach vorne reichte, um Beister in Schussposition zu bringen. Thomas Kraft im Tor der Gäste rettete in höchster Not (37.). Berlin hätte vor der Pause durch Ronny (42.) dennoch in Führung gehen können, doch der Brasilianer scheiterte an Torwart Michael Ratajczak.
Gelb-Rot für Ben-Hatira, Tor durch Jovanovic
Mit einem Konter in der 48. Minute hätte Düsseldorf beinahe das zweite Tor erzielt. Nach einer Kombination über den eingewechselten Jovanovic und Lambertz schoss Beister klar drüber. Die Rollen waren aber spätestens jetzt klar verteilt. Ballbesitz bei der Hertha, Gegenstöße der Fortuna. Und die Gastgeber entschieden die Partie innerhalb weniger Minuten.
Erst warf sich der bereits verwarnte Torschütze Ben-Hatira mit gestreckten Beinen in seinen Gegenspieler Adam Bodzek und sah dafür die Gelb-Rote Karte (54.). Dann versetzte Jovanovic die Heim-Fans in kollektiven Jubel. Eine Flanke von Bröker köpfte der Stürmer an Kraft vorbei an den Innenpfosten. Von dort kullerte der Ball über die Linie: 2:1 (59.).
Aus dem Hertha-Fanblock flogen nun erstmals Feuerwerkskörper in Richtung Rasen. Die Partie wurde unterbrochen. Stark ließ über den Stadionsprecher mitteilen, dass er das Spiel nach nur einem weiteren Vorfall abbrechen werde. Nach dem Wiederanpfiff schienen die Gäste geschlagen. Die nun sichere Düsseldorfer Defensive geriet kaum noch in Gefahr. Der eingewechselte Adam Matuschyk vergab in der 81. Minute sogar das 3:1. Dann beendete Raffael die frenetischen Gesänge der gegnerischen Fans.
Nach Vorlage von Ramos erzielte der Brasilianer das 2:2 (85.). Plötzlich brauchten die Gäste nur noch ein Tor für den Klassenerhalt. Doch wieder wurde das Spiel kurz unterbrochen. Die Polizei hatte das Feld inzwischen nahezu komplett umstellt, um für Sicherheit zu sorgen. Stark pfiff wieder an.
Hertha rannte nun verzweifelt an. Sieben Minuten lang war die Nachspielzeit, in der die Gäste keine klaren Aktionen mehr setzen konnten. Gegen 22:20 Uhr stürmten dann Hunderte Düsseldorfer Fans den Platz. Rund 30 Minuten feierten sie gemeinsam mit den Spielern den Aufstieg.
Für die Berliner endet eine verkorkste Saison. Die Hertha war im vorigen Sommer unter Trainer Markus Babbel in die Bundesliga zurückgekehrt. Der Aufstiegscoach wurde allerdings im Dezember 2011 entlassen - trotz einer Hinrunde mit 20 Punkten. Seinen Nachfolger Michael Skibbe erwischte es im Februar 2012 nach fünf Niederlagen in fünf Pflichtspielen.
Der als Retter verpflichtete Rehhagel hievte den Verein erst am letzten Spieltag durch ein 3:1 gegen 1899 Hoffenheim auf den Relegationsplatz. Nun ist auch seine Mission gescheitert. Daran wollte der 73-Jährige aber am Dienstagabend nicht denken. Der Coach zeigte sich geschockt: "Die Begleitumstände waren eine Katastrophe. So etwas habe ich noch nie erlebt und hätte ich nie für möglich gehalten."