Beckenbauer zu SPIEGEL-Enthüllungen "Ich habe niemandem Geld zukommen lassen"

Deutschlands Fußballfunktionäre schließen die Reihen. Die Enthüllungen des SPIEGEL zur mutmaßlich gekauften WM 2006 bestreiten viele Protagonisten von damals, auch Franz Beckenbauer. Die Entwicklungen zu der Affäre im Überblick.
Franz Beckenbauer: Erste persönliche Stellungnahme

Franz Beckenbauer: Erste persönliche Stellungnahme

Foto: FRANK AUGSTEIN/ AP

Am Wochenende nach den Enthüllungen in der aktuellen Ausgabe des SPIEGEL haben viele der am Organisationskomitee der WM 2006 beteiligten Funktionäre Vorwürfe zurückgewiesen. Ein Teil der öffentlichen Aufmerksamkeit wird auf den früheren DFB-Präsidenten Theo Zwanziger gelenkt, der als "Maulwurf" diskreditiert wird, der Wolfgang Niersbach in einem "persönlichen Racheakt" schaden wolle. Doch Zwanziger wehrt sich umgehend - per Anwalt. Und dann meldete sich auch noch Franz Beckenbauer in der Affäre zu Wort, erstmals. Die aktuellen Entwicklungen im Überblick.

Was sagt Franz Beckenbauer?

Der damalige Präsident des Organisationskomitees für die WM 2006 hatte sich bisher nicht persönlich zu den Vorwürfen geäußert. Dafür berichtete "Sportbild"-Chefredakteur Alfred Draxler in der Sport1-Talksendung "Doppelpass" zunächst von einem Telefonat, in dem Beckenbauer ihm persönlich "glaubhaft" berichtet habe, an den Vorwürfen sei nichts dran. (Lesen Sie hier alle Hintergründe und die Titelgeschichte ich aktuellen SPIEGEL.)

Und dann meldete sich Beckenbauer doch noch. "Ich habe niemandem Geld zukommen lassen, um Stimmen für die Vergabe der Fußballweltmeisterschaft 2006 nach Deutschland zu akquirieren. Und ich bin sicher, dass dies auch kein anderes Mitglied des Bewerbungskomitees getan hat", erklärte Beckenbauer am Sonntag in einem Statement, das das Management des 70-Jährigen verbreitete.

Was sagt Wolfgang Niersbach?

Am Wochenende veröffentlichte der DFB auf seiner Website dfb.de ein "Interview " mit Wolfgang Niersbach. Der Präsident "gab sich quasi selbst ein Interview", wie es die "SZ" formulierte .

In besagtem Selbstgespräch bestritt Niersbach "absolut und kategorisch" sowohl die Existenz von "schwarzen Kassen" als auch Bestechung im Rahmen der Bewerbung für die WM. "Das kann ich allen Fußball-Fans versichern", wurde der Präsident zitiert: "Die WM war nicht gekauft." Der DFB habe seinen Anwalt Christian Schertz darüber hinaus gebeten, "alle denkbaren rechtlichen Schritte einzuleiten" gegen die "definitiv falsche Kernbehauptung" des SPIEGEL, die WM sei "mit Mitteln aus einer 'schwarzen Kasse' beim DFB oder beim Organisationskomitee gekauft worden".

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WM-Vergabe 2006: Schwarze Kasse fürs Sommermärchen

Foto: A3390 Kay Nietfeld/ dpa

Nicht bestritten wird die Zahlung des OK an die Fifa, die der Verband allerdings in einer Pressemitteilung schon am Vortag unmittelbar vor der Veröffentlichung der SPIEGEL-Enthüllungen eingestanden hatte. Von diesem "Vorgang" wisse der DFB seit dem Sommer und habe eine interne Prüfung veranlasst. Deren Ergebnis sei offen, aber Niersbach könne "definitiv ausschließen, dass die Zahlung in Zusammenhang mit der WM-Vergabe im Jahr 2000 steht". Ein fragwürdiges Manöver, wie SPIEGEL-Autor Jürgen Dahlkamp in seinem Kommentar ausführt.

Dass er persönlich in einem handschriftlichen Vermerk die Zahlung als "Honorar für RLD" (mutmaßlich Robert Louis-Dreyfus) angewiesen haben soll, wie der SPIEGEL berichtet, zweifelt Niersbach an: "Auch hier bin ich ganz ehrlich: Ich kann mich daran absolut nicht erinnern ." Abschließend gelobte Niersbach, der DFB werde sich "gemeinsam für eine lückenlose Aufklärung einsetzen".

Wie reagieren andere Mitglieder des Organisationskomitees?

Fedor Radmann, bis 2003 Vizepräsident des OK, äußerte: "Das Bewerbungskomitee hat niemals irgendjemanden bestochen. Ich bin bereit, dies sogar zu beeiden."

Horst R. Schmidt, damals Generalsekretär des DFB, war stellvertretender Präsident des OK. Sein Dementi: "Mir war von einer 'schwarzen Kasse' nichts bekannt. Die Stimmen sind nicht gekauft worden", wurde er bereits am Freitag zitiert.

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DFB-Präsident Niersbach: Der Netzwerker

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Der ehemalige Bundesinnenminister Otto Schily saß damals im Aufsichtsrat des OK. In der "Bild am Sonntag" wurde er wie folgt zitiert : "Ich habe keine Veranlassung, die Erklärung des DFB-Präsidiums in Zweifel zu ziehen. Als Mitglied des Organisationskomitees für die Fußball-WM habe ich zu keinem Zeitpunkt Informationen erhalten, die den Verdacht 'schwarzer Kassen' begründen." Schily sieht die Verantwortung bei Theo Zwanziger: "Alle Zahlungen des DFB einschließlich der gesamten Buchhaltung wurden seinerzeit von dem damaligen Schatzmeister des DFB, Dr. Theo Zwanziger, sorgfältig geprüft."

Welche Rolle wird Theo Zwanziger zugewiesen?

Der ehemalige Fifa-Sprecher Guido Tognoni fiel sowohl im "Aktuellen Sportstudio" des ZDF als auch in der "Bild"-Zeitung als Ankläger gegen Zwanziger auf. Tognoni hält Zwanziger für die "undichte Stelle", durch die Informationen an die Öffentlichkeit gelangten. Das "Schweigegelübde" gelte nicht mehr, "Seilschaften" würden unter dem Eindruck der Fifa-Krise nicht mehr funktionieren.

Theo Zwanziger hat umgehend reagiert. Über seinen Anwalt bezog der 70-Jährige gegenüber "Bild" und ZDF zu den Aussagen Tognonis Stellung. Sein Mandant weise die Vorwürfe, eine Berichterstattung des SPIEGEL über die Vergabe der WM 2006 gesteuert zu haben oder zu steuern, auf das Entschiedenste zurück , so der Anwalt. Lesen Sie hier die gesamte Meldung.

Drohen den Beschuldigten rechtliche Konsequenzen?

Da mögliche strafrechtlich relevante Vergehen im Vorfeld der WM 2006 inzwischen mehr als zehn Jahre zurückliegen, dürften sie mittlerweile in Deutschland verjährt sein, wie die "FAZ" schreibt . Die Zeitung weist jedoch darauf hin, dass in der Schweiz längere Verjährungsfristen für Geldwäschedelikte gelten, weshalb die Millionenzahlungen durchaus zum Thema für die laufenden Ermittlungen zum Fifa-Skandal werden könnten. Nach Einschätzung von Guido Tognoni wartet der Schweizer Bundesanwalt Michael Lauber jedoch auf ein Rechtshilfebegehren aus Deutschland, bevor seine Behörde aktiv wird.

Denkbar ist darüberhinaus eine Sperre Niersbachs durch die Ethikkommission der Fifa. Zwar ist bisher kein Vergehen bewiesen, aber auch Joseph Blatter und Michel Platini wurden von der Kommission gesperrt, bis die Vorwürfe gegen sie aufgeklärt werden können.

rae
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