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Franz Beckenbauer: Es wird dunkel um die Lichtgestalt

Foto: TOBIAS SCHWARZ/ REUTERS

Korruption und Steuerhinterziehung Was Beckenbauer alles vorgeworfen wird

Millionenhonorar für ein Ehrenamt kassieren - so lautet aktuell der Vorwurf gegen Franz Beckenbauer. Dabei wird ihm seit vergangenem Herbst noch viel mehr zur Last gelegt. Ein Überblick.

Die neuesten Vorwürfe an Franz Beckenbauer wiegen schwer. Wie der SPIEGEL enthüllt hat, soll der Chef des Organisationskomitees für die WM 2006 5,5 Millionen Euro Honorar erhalten haben, die vom Wettanbieter Oddset stammten, einem der WM-Sponsoren. Zuvor hatte Beckenbauer immer behauptet, seine Tätigkeit ehrenamtlich auszuüben. Was den aktuellen Vorgang besonders brisant macht: Die Einnahmen wurden erst vier Jahre später versteuert, als das Finanzamt den DFB zu einer Steuernachzahlung verpflichtete, der sich das Geld von Beckenbauer zurückholte.

Beckenbauers Anwälte sagen hingegen, ihr Mandant habe die Einnahmen aus seinen Werbeaktivitäten mit Oddset "unverzüglich an seinem Wohnsitz in Österreich ordnungsgemäß versteuert". Das wirft jedoch die Frage auf, warum Beckenbauer dem DFB Jahre später dessen Steuerschuld "erstatten" musste.

Es ist leicht, bei all den Vorwürfen und Dementi den Überblick zu verlieren. Daher haben wir alles, was Beckenbauer seit Beginn der WM-Affäre vorgeworfen wird, noch einmal zusammengefasst.

So ging es los

Im Oktober 2015 machte der SPIEGEL erstmals die geheime Zahlung von 6,7 Millionen Euro aus einer schwarzen Kasse des OK für die WM in Deutschland öffentlich. Mit den Enthüllungen geriet schnell auch der frühere Präsident des OK, Beckenbauer, in den Blickpunkt: Wer, wenn nicht er, sollte von den dubiosen Vorgängen gewusst haben?

Zunächst äußerte Beckenbauer sich nicht öffentlich. Dafür berichtete der damalige DFB-Präsident Wolfgang Niersbach, Beckenbauer habe ihm erklärt, dass es sich dabei um eine Vorauszahlung gehandelt habe, um einen "Finanzierungszuschuss" der Fifa zu erhalten. Eine entsprechende Vereinbarung sei von Beckenbauer in einem Vieraugengespräch mit Fifa-Präsident Joseph Blatter getroffen worden. Blatter dementierte diese Version.

Als Anfang November Steuerfahnder im Auftrag der Frankfurter Staatsanwaltschaft die DFB-Zentrale und Privatwohnungen ehemaliger OK-Mitglieder durchsuchten, war Beckenbauer nicht betroffen, da er seinen Wohnsitz nicht in Deutschland, sondern Österreich hat. Dafür wurde er durch das Auftauchen einer Vereinbarung belastet, die er vier Tage vor der WM 2006 unterschrieben hatte. In diesem Papier wurden dem damaligen Fifa-Vizepräsidenten Jack Warner diverse Leistungen zugesichert. Der amtierende DFB-Präsident Reinhard Rauball bestätigte, dass es sich bei der Vereinbarung um einen Bestechungsversuch handeln könne.

"Immer blind unterschrieben"

Unterschrieben hatte Beckenbauer aber offenbar noch mehr: Auch ein Schuldschein soll seine Signatur getragen haben, in welchem dem Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus ein Anspruch gegen das OK auf Rückzahlung von 6,7 Millionen Euro bestätigt wurde. So stellte es Horst R. Schmidt in einer Erklärung dar.

Mit seinen kompromittierenden Unterschriften konfrontiert, verlegte sich Beckenbauer in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" auf die Aussage, belastende Dokumente zwar unterschrieben, aber nicht gelesen zu haben: "Ich habe immer blind unterschrieben, wenn sie meine Unterschrift gebraucht haben."

Die vom DFB inzwischen in Auftrag gegebene Untersuchung der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer, die der Verband im März vorstellte, belastete Beckenbauer weiter. Die Ermittler waren auf ein Konto in der Schweiz gestoßen, auf das Beckenbauer und sein inzwischen verstorbener Berater Robert Schwan Zugriff hatten. Von diesem Konto aus waren insgesamt zehn Millionen Franken nach Katar transferiert worden, an eine Unternehmensgruppe des ehemaligen Fifa-Funktionärs Mohamed Bin Hammam, der inzwischen lebenslang gesperrt wurde.

Es geht auch um die WM 2018 und 2022

Die Erkenntnisse der DFB-Untersuchung waren Anlass für die Ethikkommission der Fifa, ihrerseits Ermittlungen gegen Beckenbauer  einzuleiten. Neben möglicher Korruption im Zusammenhang mit der Vergabe der WM 2006 untersucht die Kommission auch Beckenbauers Rolle bei der Auswahl der WM-Gastgeber 2018 (Russland) und 2022 (Katar), die er als Mitglied der Fifa-Exekutive mitverantwortete.

Seit Anfang September drohen Beckenbauer jetzt neben möglichen verbandsinternen Sanktionen auch strafrechtliche Konsequenzen: Die Schweizer Bundesanwaltschaft hat ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet. Es bestehe Verdacht auf Untreue und Geldwäsche. Während Beckenbauer von den deutschen Strafverfolgungsbehörden bisher verschont geblieben war, sahen sich die Schweizer Anwälte zuständig, weil die möglichen Straftaten in der Schweiz begangen worden wären. Außerdem gelten in der Schweiz bei gravierenden Finanzdelikten teils längere Verjährungsfristen.

Auch das Haus von Beckenbauers Vertrautem Fedor Radmann wurde von den Schweizer Behörden durchsucht. Dabei geht es nach Angaben des "Tagesanzeigers" um Zahlungen der Fifa in Höhe von 5,4 Millionen Schweizer Franken an Beckenbauer, bei denen Radmann zwischengeschaltet war. Mit einem "Ehrenamt" scheint all das nicht mehr viel zu tun zu haben.

Oddset - staatlicher Wettanbieter
Foto: Carsten Rehder/ picture-alliance/ dpa

Oddset ist die Sportwettentochter der staatlichen Lotterien, deren Eigentümer wiederum die Bundesländer sind. Mit einem Drittel der Anteile ist die Westdeutsche Lotterie der größte Anteilseigner von Oddset Deutschland Sportwetten (ODS). Schwerpunkt des Angebots von Oddset sind Wetten auf Fußballspiele, aber auch Wetten auf andere Sportarten werden angeboten, wie etwa Eishockeyspiele. Im Unterschied zu privaten Anbietern gibt es bei Oddset nur feste Gewinnquoten; entsprechend leitet sich der Name aus den englischen Begriffen "Odds" und "Sets" ab.1999 wurde Oddset gegründet. Zunächst wurden die Sportwetten nur in Bayern angeboten, ein Jahr darauf konnten in allen Bundesländern Sportwetten abgeschlossen werden. Doch seit die Monopolstellung der staatlichen Sportwettenanbieter aufgrund der EU-Vorgaben aufgehoben wurde, geht der Marktanteil von Oddset stetig zurück: Zuletzt dürften weniger als fünf Prozent der Wetteinsätze des auf rund fünf Milliarden Euro taxierten Wettmarkts in Deutschland auf Oddset entfallen sein.Die Gebühren, die Oddset kassiert sind tendenziell höher als bei privaten Wettanbietern, dafür wirbt die Gesellschaft mit ihrer Seriosität und Sicherheit des staatlichen Angebots. Zudem verfügt Oddset über ein flächendeckendes Netz von Annahmestellen. Im Gegensatz zu seinen privaten Konkurrenten ist ODS nicht gewinnorientiert und bezeichnet sich selbst als "Partner des Sports"n festgelegter Anteil der Einnahmen geht in die Sportförderung.

rae
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