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Jürgen Dahlkamp

Franz Beckenbauer Hätte er doch aufgehört

Franz Beckenbauer hatte so viel erreicht, doch er wollte noch mehr. Und zwar Geld. Und ein sauberes Image. Damit war er schon früh so, wie heute das gesamte Fußballgeschäft ist.

Man muss, wer hätte das vor einem Jahr gedacht, Franz Beckenbauer an dieser Stelle auch mal in Schutz nehmen. Was immer jetzt noch kommt: Beckenbauer hat im Fußball Großartiges geleistet - auf dem Rasen. Da war er nicht Kunstfigur, Ideal, Projektionsfläche für Träume und Illusionen, zumindest war es nicht in erster Linie das, was seine Leistung ausmachte, wofür er gefeiert wurde. Er war der Beste seiner Ära, in Deutschland, vielleicht weltweit, ein Fußballer der wie kein anderer in seiner Zeit das Spiel lesen und lenken, durchdenken und durchdringen konnte.

Für alle anderen Fußballer seiner Generation hätte das gereicht, um eine Lebensbilanz zu ziehen. Zwar abgeschlossen mit 35, aber eine Bilanz, die das Leben eines Sportlers nicht falsch gewichtet hätte, mit den besten Jahren als den entscheidenden.

Franz Beckenbauer aber - und hier muss man ihn nicht mehr in Schutz nehmen - wollte mehr sein, und so reihte sich an den erfolgreichen Fußballer der erfolgreiche Trainer, und an den Weltmeister-Trainer der erfolgreiche WM-Beschaffer, und an den erfolgreichen WM-Beschaffer der Status als Halbgott des heiligen Fußballreiches deutscher Nation. Beckenbauer konnte nicht nur majestätisch über den Rasen schreiten, er konnte offenbar über Wasser gehen, mit übernatürlicher Leichtigkeit. Und wer es glaubte, war selig.

Erst jetzt zeigt sich, dass auch Beckenbauer kein Gott war, eben doch ein Kaiser, also nur ein Mächtiger von dieser Welt.

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Franz Beckenbauer: Leben wie ein Kaiser

Foto: DPA

Ob er die WM mit sauberen Mitteln nach Deutschland geholt hat, ist seit der ungeklärten 6,7-Millionen-Überweisung an einen der korruptesten Fifa-Funktionäre in Katar mehr als fraglich. Und jetzt kommen noch diese 5,5-Millionen Euro vom staatlichen Wettanbieter Oddset hinzu: Geld, das Beckenbauer sich aus dem Sponsorentopf der Sommermärchen-WM gesichert hat, obwohl er immer beteuert hatte, ehrenamtlich für den Traum von der Heim-WM gearbeitet zu haben.

Hinzu kommt: Erst als das Finanzamt auf den Vorgang stieß, zahlte zunächst der DFB die fälligen Abgaben, um sie sich danach von Beckenbauer erstatten zu lassen. Das war immerhin vier Jahre, nachdem Beckenbauer das Geld kassiert hatte. Die Öffentlichkeit sollte von all dem 2010 nichts mitbekommen; die Wahrheit wäre geschäftsschädigend gewesen, für Beckenbauer, aber auch für einen Verband, der sich mit dem Kaiser in aller Verlogenheit verbrüdert hatte.

Damit ist nun Schluss. Beckenbauer war ein Schönmaler, ein Schlawiner, ein Scheinheiliger, zumindest jenseits des Rasens. Er hat schon immer die Hand aufgehalten, wo es ging; die Höhe seiner Werbeverträge war legendär, sein Umzug in das Steuerparadies Schweiz in den Siebzigern Nachweis eines ausgeprägten und ausgelebten Erwerbstriebs. Damit war Beckenbauer schon früh so, wie heute das ganze Fußballgeschäft ist: vollgestopft mit Geld, aufgepumpt von Gier.

Der Unterschied ist, dass sich heute Profis dazu bekennen, zunächst mal dem größten Vertrag und erst dann dem Ball hinterherzurennen. Beckenbauer aber wollte beides sein, ein Fußballprofi, der alle Tricks drauf hat, und eine höhere Instanz, die so etwas nicht nötig hat. Nicht das schnöde Geld, nicht die schmutzigen Tricks.

Was bleibt, wird eine Lebensbilanz sein, die besser mit dem Titel als Weltmeistertrainer abgeschlossen gewesen wäre.

Anmerkung der Redaktion: In der ursprünglichen Version des Artikels hieß es - so wie in der jetzigen - korrekt, Franz Beckenbauer sei in den Siebziger Jahren in die Schweiz gezogen. Aufgrund eines Redigierfehlers schrieben wir zwischenzeitlich irrtümlich, seine Steuerflucht habe ihn zuerst nach Österreich geführt. Tatsächlich meldete Beckenbauer sich erst Ende 1984 in der Schweiz ab, um sich in Kitzbühel niederzulassen.
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