

Franz Beckenbauer hat als Chef des Organisationskomitees für die Fußball-WM 2006 nicht, wie vom DFB bislang behauptet, ehrenamtlich gearbeitet, sondern 5,5 Millionen Euro erhalten, die der DFB möglicherweise am Finanzamt vorbeischleusen wollte.
Versteuert wurden die Beckenbauer-Millionen vom DFB erst vier Jahre, nachdem er das Geld kassiert hatte - Ende 2010, nach einer Betriebsprüfung des Finanzamts Frankfurt/Main. Das hat der DFB auf SPIEGEL-Anfrage bestätigt. Erste Hinweise auf den Deal finden sich in einem Report, den die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG 2008 im Auftrag der Fifa erstellt hat. Gegenstand der Prüfung war der Ausrichtervertrag zwischen Fifa und DFB für die WM 2006 in Deutschland.
In den Anlagen des Berichts findet sich auch der vom DFB 2004 mit dem staatlichen Sportwettenanbieter Oddset geschlossene Sponsorenvertrag. Oddset wurde damit einer von sechs nationalen Förderern für die Fußballweltmeisterschaft 2006. Insidern zufolge zahlte damals jeder nationale Förderer mehr als zwölf Millionen Euro in die Kasse des WM-OK. Im Falle Oddset gab es aber, laut KPMG-Bericht, noch einen sogenannten Sideletter zugunsten von Franz Beckenbauer. Dieser sah vor, dass Beckenbauer von den dem WM-OK zugedachten Millionen einen erheblichen Teil abbekommen sollte.
Wie der DFB auf SPIEGEL-Anfrage mitteilte, habe Beckenbauer bestimmte Werbeleistungen für Oddset erbringen sollen und hierfür eine Beteiligung an den Erlösen des DFB aus dem Vertrag erhalten. Dazu habe der DFB mit Beckenbauer zwei Verträge geschlossen, einen im Oktober 2004 und einen im Oktober 2006. Diese haben Beckenbauer einen Betrag von insgesamt 5,5 Millionen Euro zugesichert, die "im Zeitraum Februar 2005 bis Oktober 2006 in fünf Raten an Herrn Beckenbauer ausgezahlt wurden", wie es in der DFB-Stellungnahme heißt.
Erst als das Finanzamt Frankfurt bei einer Steuerprüfung im DFB auf den Vorgang stieß, zahlte der Verband im Dezember 2010 "1.160.500 Euro an Abzugsteuer". Im März 2011 habe Beckenbauer, so der DFB, das Geld erstattet.
Beckenbauer hat tatsächlich für Oddset Werbung gemacht. Die Frage, warum er dafür nicht direkt einen Vertrag mit Oddset schloss, sondern aus dem DFB-WM-Topf entlohnt wurde, ließ der Verband offen. Die aktuelle DFB-Spitze will erst, nachdem der SPIEGEL dubiose Millionenzahlungen im Umfeld des WM-Sommermärchens enthüllt hat, auf die Vorgänge um den Oddset-Vertrag gestoßen sein. Die Kanzlei Freshfields habe im Rahmen ihrer Untersuchungen zur WM-Affäre den Vorgang überprüft und angeblich nicht beanstandet.
Von Oddset lag bis Redaktionsschluss keine Stellungnahme vor. Beckenbauers Anwälte widersprachen in einer Stellungnahme am Mittwoch dem Verdacht, Beckenbauer habe Steuern hinterzogen oder das zumindest beabsichtigt. Er habe die Einnahmen aus dem Oddset-Vertrag "unverzüglich an seinem Wohnsitz in Österreich versteuert". Bei der späteren Zahlung des DFB an das Finanzamt habe es sich um eine "Abzugssteuer gehandelt, die fällig werde, wenn Geld an einen Steuerausländer - in diesem Fall Beckenbauer - gezahlt werde.
Diese Abzugssteuer habe Beckenbauer dem DFB 2011 "unverzüglich" erstattet. Ex -DFB-Präsident Theo Zwanziger, in dessen Ära die Vorgänge fallen, sprach gegenüber der Tageszeitung "Die Welt" davon, dass "alles in Ordnung" sei. Die 5,5 Millionen Euro seien keine Vergütung für Beckenbauers Arbeit im WM-OK gewesen, sondern als Gagen für seinen Werbewert geflossen. Die verspätete Versteuerung 2010 durch den DFB begründete Zwanziger mit einem "Fehler in der Buchhaltung, der gemeinsam mit der Finanzverwaltung korrigiert" worden sei.
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Der Kaiser in der Bredouille: Franz Beckenbauer hat als Chef des Organisationskomitees für die WM 2006 nicht ehrenamtlich gearbeitet - sondern rund 5,5 Millionen Euro bekommen. Das erfuhr der SPIEGEL vom DFB.
Der DFB hatte bislang behauptet, Beckenbauer habe für seinen Dienst kein Geld bekommen. Im Bild ist Beckenbauer mit einem goldenen Fußball vor dem Brandenburger Tor zu sehen, kurz vor der WM 2006.
Der junge Beckenbauer im Trikot des FC Bayern. Als 13-Jähriger war er vom SC 1906 München zum FCB gewechselt. Beckenbauer debütierte mit 18 Jahren in der ersten Mannschaft der Bayern. Das war am 6. Juni 1964 am ersten Spieltag der Aufstiegsrunde zur Bundesliga. Im Spiel gegen den FC St. Pauli (4:0) erzielte Beckenbauer auch gleich sein erstes Pflichtspieltor.
Beckenbauers Stern ging bei der WM 1966 in England auf, wo er als 20-Jähriger groß aufspielte. In dieser Szene schirmt er den Ball im Finale vor Jack Charlton (Nummer 9) ab. Deutschland verlor das Endspiel 2:4 nach Verlängerung, der dritte englische Treffer durch Geoff Hurst war das berühmte Wembley-Tor. Beckenbauer wurde mit vier Treffern Dritter der Torschützenliste.
Bei der WM 1970 verletzte sich Beckenbauer im Halbfinale gegen Italien an der Schulter. Weil das Auswechselkontingent jedoch erschöpft war, musste er mit verbundener Schulter das sogenannte "Jahrhundertspiel" zu Ende bringen. Deutschland verlor 3:4 nach Verlängerung.
Mit den Bayern war Beckenbauer 1969, 1972 und 1973 deutscher Meister geworden, 1974 folgte Titel Nummer vier. Es war jenes Jahr, als die Münchner auch erstmals den Europapokal der Landesmeister gewannen. Zum Team gehörten damals: (hinten v.l.) Franz Beckenbauer, Conny Torstensson, Rainer Zobel, Georg Schwarzenbeck, Franz Roth, Gerd Müller, Paul Breitner, Uli Hoeneß und Trainer Udo Lattek. Kniend (v.l.): Jupp Kapellmann, Bernd Dürnberger, Sepp Maier und Johnny Hansen.
WM-Finale 1974: In München traf Gastgeber Deutschland auf die Niederlande. In dieser Szene rettete Torwart Sepp Maier vor Johan Cruyff, Beckenbauer (l.) muss nicht mehr eingreifen.
Deutschland gewann das Endspiel 2:1, anschließend durfte Kapitän Beckenbauer den WM-Pokal in die Höhe stemmen.
Beckenbauer in seiner letzten Saison bei den Bayern 1976/1977. National hatte Borussia Mönchengladbach den Münchnern den Rang abgelaufen. Der Sieg im Landesmeister-Wettbewerb 1976 und der Weltpokalsieg im selben Jahr waren die letzten Titel, die Beckenbauer mit den Bayern gewann.
Der 30-jährige Beckenbauer wechselte in die US-Liga zu New York Cosmos, wo er unter anderem mit Pelé spielte. Dreimal wurde er mit dem Klub Meister (1977, 1978 und 1980).
1980 kehrte Beckenbauer in die Bundesliga zurück und spielte noch zwei Jahre für den Hamburger SV, mit dem er 1982 seinen fünften Meistertitel holte. Anschließend spielte er noch ein Jahr für Cosmos, ehe er im September 1983 seine Karriere beendete. Ein Jahr später wurde Beckenbauer dann Teamchef der deutschen Nationalmannschaft. Trainer durfte er sich aufgrund des fehlenden Scheins nicht nennen.
Und das war der Kader für Beckenbauers erstes großes Turnier als Teamchef: die WM 1986 in Mexiko. Allerdings musste der Torwart mit dem gelben Trikot vorzeitig nach Hause. Nachdem Uli Stein vom HSV Beckenbauer als "Suppenkasper" bezeichnet hatte, schmiss der Teamchef den Ersatzkeeper aus dem Team.
WM 1990, Mailand, Giuseppe-Meazza-Stadion: Beckenbauer vor dem Anpfiff des ersten Gruppenspiels gegen Jugoslawien. Deutschland gewann 4:1 und war spätestens nach diesem Auftakt Turnierfavorit.
Am Ende holte das deutsche Team dann den Titel, Kapitän Lothar Matthäus bekam den Pokal überreicht. Rechts hinter ihm Beckenbauer.
Hier freut sich Beckenbauer mit Wolfgang Niersbach nach dem WM-Gewinn im Olympiastadion in Rom. Niersbach war damals Pressechef des DFB, später war er Präsident des Verbands, bis die Affäre um die WM-Vergabe 2006 ihn zu Fall brachte.
Beim FC Bayern trafen sich Beckenbauer und Matthäus später wieder. Zweimal sprang der "Kaiser" als Interimstrainer bei den Münchnern ein, 1994 und 1996 (Foto).
Ab 1994 war Beckenbauer Präsident des FC Bayern und bekleidete dieses Amt bis 2009. Zusammen mit Manager Uli Hoeneß (l.) und Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge bildete er das Dreigestirn der Bayern. 2003 präsentierten sie die Meisterschale.
Nach dem WM-Gewinn als Spieler und Teamchef nahm Beckenbauer um die Jahrtausendwende sein drittes Weltmeisterschafts-Projekt in Angriff: Das Turnier 2006 nach Deutschland holen. Dafür reiste er um die Welt und traf hochrangige Funktionäre, unter anderem im Jahr 2000 den damaligen Fifa-Vizepräsidenten Mohammed Bin Hammam, der später in Affären um Schmiergeldzahlungen verwickelt war.
Deutschland bekam tatsächlich den Zuschlag für die WM, allerdings gibt es bis heute Ungereimtheiten rund um die Vergabe - und den Verdacht auf Stimmenkauf. Der SPIEGEL hatte sie im Oktober 2015 aufgedeckt.
Im November rückte Beckenbauer ins Zentrum der Affäre. In einem von ihm unterschriebenen Vertrag werden dem mittlerweile lebenslang gesperrten früheren Fifa-Vizepräsidenten Jack Warner "diverse Leistungen" zugesagt. Der DFB wertete das als möglichen Bestechungsversuch.
Die vom DFB mit der Aufklärung der Angelegenheit beauftragte Agentur Freshfields enthüllte Beckenbauers direkte Verstrickung in die Affäre. Demnach flossen Millionenbeträge von einem Konto, das Beckenbauer und seinen damaligen Manager Robert Schwan als Inhaber auswies, auf ein Kanzleikonto in der Schweiz. Von dort aus soll es auf ein Konto der Firmengruppe des früheren Fifa-Exekutivkomitee-Mitglieds Mohamed Bin Hammam weitergeleitet worden sein.
Beckenbauer zog sich zunehmend aus der Öffentlichkeit zurück. Im März 2016 bat er um Beendigung der Geschäftsbeziehung zum Pay-TV-Sender Sky, wo er zuvor als Experte fungiert hatte. Zu den aktuellen Vorfällen hat sich Beckenbauer bisher nicht geäußert.
Nun drohen Beckenbauer erstmals strafrechtliche Konsequenzen. Vom Ermittlungsverfahren betroffen sind neben Beckenbauer auch die ehemaligen DFB-Präsidenten Theo Zwanziger und Wolfgang Niersbach (rechts) sowie der ehemalige DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt.
Nach dem WM-Gewinn als Spieler und Teamchef nahm Beckenbauer um die Jahrtausendwende sein drittes Weltmeisterschafts-Projekt in Angriff: Das Turnier 2006 nach Deutschland holen. Dafür reiste er um die Welt und traf hochrangige Funktionäre, unter anderem im Jahr 2000 den damaligen Fifa-Vizepräsidenten Mohammed Bin Hammam, der später in Affären um Schmiergeldzahlungen verwickelt war.
Foto: AFPMelden Sie sich an und diskutieren Sie mit
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