
Franz Beckenbauer: Es wird dunkel um die Lichtgestalt
Beckenbauer-Affäre Die faulen Ausreden des DFB
Eigentlich ist der Sachverhalt ganz einfach. Franz Beckenbauer war geldgierig und die DFB-Funktionäre waren feige und willfährig. Wie sonst hätten sie zulassen können, dass von den rund 12 Millionen Euro, die Oddset als einer von sechs Hauptsponsoren für die WM 2006 an den DFB überwiesen hat, fast die Hälfte in die Privatschatulle der vermeintlichen Lichtgestalt des deutschen Fußballs wanderte? Doch dieses Eingeständnis scheut der DFB allem Anschein nach wie der Teufel das sprichwörtliche Weihwasser.
Fünfzehn Fragen hat der SPIEGEL zum Themenkomplex Oddset am Montagnachmittag an die DFB-Pressestelle geschickt. Das waren fünfzehn Möglichkeiten, endlich Schluss zu machen mit dem noch immer währenden Eiertanz um den deutschen Fußballkaiser, den die DFB-Spitze auch nach der Sommermärchen-Affäre weiter hofierte, obwohl bewiesen war, dass Beckenbauer 6,7 Millionen Euro an eine Firma des korrupten katarischen Fußballfunktionärs Mohamed bin Hammam überwiesen hatte.
Doch DFB-Mediendirektor Ralf Köttker entschied sich für die sechzehnte Möglichkeit und schickte ein weitschweifiges Statement, das mehr Fragen aufwirft, als es beantwortet. Oddset sei, so der DFB, im August 2004 als fünfter von sechs Hauptsponsoren geworben worden. Und weil der Sportwettenanbieter den Kaiser angeblich als Werbeträger haben wollte, hätte der DFB mit Beckenbauer "entsprechende vertragliche Vereinbarungen getroffen". Grundlage dieser Verträge sei ein Beschluss "im Präsidialausschuss des OK-Aufsichtsrats im Juli 2003" gewesen.
Oddset war nur der Sponsoren-Notnagel
Auch wenn inzwischen der ehemalige Bundesinnenminister Otto Schily gegenüber dem Sportinformationsdienst der DFB-Darstellung widerspricht ("Nach meiner Erinnerung hat der Aufsichtsrat des OK der Fußball-WM 2006 keine Beschlüsse über Zahlungen an Franz Beckenbauer gefasst"), bleibt es eine erstaunliche Erklärung. Denn im Juli 2003 war Oddset noch nicht einmal ansatzweise als nationaler Förderer im Gespräch. Eigentlich war Müller-Milch als einer der Hauptsponsoren so gut wie gesetzt. Doch dagegen machte Coca-Cola Front, die keinen anderen Getränkehersteller im Kreis der nationalen Förderer wollte. Der Sportwettenanbieter des Deutschen Lotto- und Totoblocks musste anschließend als Notnagel herhalten.
Wie konnte der Präsidialausschuss des OK-Aufsichtsrats dies vorhersehen und gewissermaßen vorbeugend alles absegnen? Auf eine entsprechende Nachfrage des SPIEGEL am Dienstagabend antwortete die DFB-Direktion Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit: "Detailnachfragen stellen sich an den damals handelnden Personenkreis." Im Klartext: Wir wissen es nicht und wollen es auch nicht wissen.
Immerhin: Heute morgen hat DFB-Chef Reinhard Grindel Beckenbauer und seine Helferlein im WM-Organisationskomitee scharf kritisiert. Es sei ihm völlig unverständlich, warum die ehemaligen Mitglieder des WM-OKs die Mär vom ehrenamtlichen Franz "über einen so langen Zeitraum vertreten haben". Dies, so Grindel, sei für ihn ein neuerlicher Beleg, "dass dort keine Transparenz geherrscht hat und die Öffentlichkeit in Teilen auch getäuscht worden ist".
Verschwieg der DFB die Steueraffäre gegenüber Freshfields?
So wahr und wichtig diese Sätze auch sind, sie werden entwertet durch Grindels Behauptung, die DFB-Spitze habe "bis Montagnachmittag" nicht gewusst, dass Beckenbauer "5,5 Millionen aus dem Topf für die WM 2006 erhalten hat". Schließlich hat die DFB-Kommunikationsabteilung in ihrer Antwort auf die SPIEGEL-Anfrage betont, "der beschriebene Sachverhalt" sei "im Rahmen der Freshfields-Untersuchung erneut überprüft (...) und als nicht zu beanstanden und ordnungsgemäß abgewickelt beurteilt" worden. War Grindel etwa nicht dabei, als die vom DFB mit der Aufklärung der Sommermärchen-Affäre beauftragte Kanzlei mit der Verbandsspitze ihre Ergebnisse besprach? Wohl kaum, denn "nach Abschluss der Untersuchungen", so der DFB, sei "der Sachverhalt (...) auf Rückfrage auch im DFB-Vorstand angesprochen" worden.
Doch die Ausführungen der DFB-Pressestelle rücken nicht nur Grindel in ein schräges Licht, sondern die gesamte neue DFB-Spitze. Denn die hat, wie in der Verbandszentrale gemunkelt wird, Freshfields den Steuer-Teil der Oddset-Affäre gar nicht erst vorgelegt. Die Anwälte konnten also nicht wissen, dass beim DFB offenbar niemand daran gedacht hat, die Beckenbauer-Millionen zu versteuern, und der ganze Vorgang erst im Rahmen einer Betriebsprüfung im Jahre 2010 ruchbar wurde. Wie man vor diesem Hintergrund behaupten kann, Freshfields habe nichts zu beanstanden gehabt, bleibt das Geheimnis der DFB-Spitze.
Seit 16.37 Uhr liegt nun eine Stellungnahme der für Oddset verantwortlichen Lotto-Gesellschaft Bayern vor. Die dürfte den DFB in arge Bedrängnis bringen, denn die Aussage, dass im Rahmen des Oddset-Engagements als Nationaler Förderer eine "aktive Einbindung von Franz Beckenbauer in die vereinbarten Werbemaßnahmen" vereinbart worden sei, ist nun nicht mehr haltbar. Inhalt des Vertrags "Nationaler Förderer", so Lotto-Bayern-Sprecher Oliver Albrecht, sei "das übliche Sponsorenpaket" gewesen.
Die "Tätigkeit von Franz Beckenbauer als Werbefigur für Oddset" sei im Rahmen eines "2002 von allen Bundesländern" vereinbarten Staatsvertrags erfolgt, der dem DFB Mittel aus den Oddset-Sportwetten sichern sollte. Im Klartext: Staatsvertrag und Sponsorenvertrag "Nationaler Förderer" sind Einzelverträge, die nichts miteinander zu tun haben. Beckenbauers Werbetätigkeit hätte vom DFB deshalb nicht aus den Geldern bezahlt werden dürfen, die infolge des Vertrags als "Nationaler Förderer" in die DFB-Kasse flossen. Doch aus genau jenem Topf wurde der Kaiser schlussendlich entlohnt. Zu Lasten des DFB und der WM 2006.
SPIEGEL-Autor Gunther Latsch analysiert den Fall Franz Beckenbauer: