Frauenfußball-EM Zum Glück gegen Italien

Bundestrainerin Steffi Jones
Foto: Carmen Jaspersen/ DPANur Unentschieden, kein Tor erzielt - das war es noch nicht. Der Start in die EM war für das deutsche Frauenfußballteam mäßig. Nun soll es das zweite Gruppenspiel gegen Italien richten (20.45 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE; TV ARD).
Die Partie wird die deutsche Nationalelf zwar vor andere Probleme stellen, als es die Schwedinnen im ersten Spiel taten. Doch das torlose Aufttaktmatch der EM gegen die Skandinavierinnen zeigte recht gut, in welchen Punkten sich das Team von Steffi Jones noch steigern muss. Ein Blick zurück.
Zwei Stürmerinnen, drei offensive Mittelfeldkünstlerinnen, dazu zwei hoch aufrückende Außenverteidigerinnen - und trotzdem kein Tor. Während in allen anderen Partien des ersten Spieltags der Frauen-EM mindestens ein Treffer fiel, war die Ausbeute der Deutschen gegen Schweden ein 0:0. Lag es an der Aufstellung?

Fußball-EM der Frauen: Das ist der deutsche Kader
Jones hatte gute Gründe für ihre taktische Herangehensweise. Als Weltranglistenzweiter geht Deutschland in fast jedes Spiel als Favorit. Den offenen Schlagabtausch suchen daher nur wenige Gegner. Die meisten konzentrieren sich aufs Verteidigen und versuchen ihr Glück nach vorne über Konter.
Obwohl Schweden eine renommierte Frauenfußballnation ist mit Spielerinnen, die mit dem Ball umzugehen wissen, war dies auch der schwedische Ansatz gegen die Deutschen. Zwei kompakte Viererketten verriegelten der DFB-Elf den Weg zum Tor. Für dieses erwartbare Szenario entwickelte Jones mit ihrem Trainerstab ein Spielsystem, das maximale Dynamik und Kreativität - und somit die Stärken des deutschen Kaders - auf den Platz bringen soll.
Mit Dzsenifer Marozsán, Sara Däbritz und Lina Magull setzt Jones bei diesem Turnier gleich drei Spielerinnen der Marke Spielmacher ein. Gute Technikerinnen, die sich auch auf engstem Raum an den Gegnerinnen vorbeitricksen oder den Pass zwischen den Abwehrbeinen hindurch spielen können.
Zu siebt nach vorn - nicht ohne Risiko
Vor diesem dynamischen Mittelfeld wurden mit Svenja Huth (und ab der 39. Minute Mandy Islacker) und Anja Mittag (ab 65. Hasret Kayikci) stets zwei spielstarke Stürmerinnen gleichzeitig eingesetzt. Sie haben mit der klassischen Mittelstürmerin, die vorne zwischen der Innenverteidigung wartet, bis sie angespielt wird, nur noch die Torquote gemein. Vielmehr ziehen sie durch ihre Laufwege die Abwehr auseinander und beteiligen sich munter am Kombinationsspiel.
Schon diese fünf Offensivleute beschäftigen jede Defensive. Doch Jones setzte noch einen obendrauf. Um die schwedischen Außenverteidigerinnen aus dem zentralen Getümmel rauszulocken, schickte sie die eigenen - Carolin Simon und Anna Blässe (73. Leonie Maier) - bei Ballbesitz weit hinein in die gegnerische Hälfte. Nach hinten sicherte dann nur noch die Dreierkette aus den Innenverteidigerinnen Babett Peter und Josephine Henning ab, ergänzt um Kristin Demann.
Diese Strategie birgt einige Risiken. Gegen Schweden musste Demann in ihrem erst fünften Pflichtspiel für die Nationalmannschaft hinten absichern und nach vorne das Spiel steuern. Peter und Henning hatten weite Wege zu gehen, darunter heikle Eins-gegen-Eins-Laufduelle im Vollsprint. Und auch der Rest des Teams musste sofort nach Ballverlust aggressiv zurückarbeiten. Für ein in die Jahre gekommenes Schweden reichte es aus. Gegen Sprintmannschaften wie Frankreich oder England wird Jones zu anderen Mitteln greifen müssen.
Drei Gründe, warum der Torerfolg ausblieb
Warum klappte es bei dieser angriffslustigen Ausrichtung dennoch nicht mit einem Treffer? Erstens griffen noch nicht alle Rädchen der Offensivmaschine ineinander. So passte beispielsweise Mittag einen Ball für Däbritz in den Strafraum, als sich diese gerade ins Mittelfeld orientierte. Solche Szenen sind die logische Folge der Flexibilität des Systems bei wenig Zeit zum Üben. Häufig folgte auf eine erste gute Idee eine zweite schlechte Entscheidung. Gegen Italien und Russland hat die Elf nun Gelegenheit, sich weiter einzuspielen.

Fotostrecke: Vom Schreibtisch auf die Trainerbank
Zweitens: Während man für eine Zirkusnummer am Trapez jeden Handgriff minutiös einstudieren kann, kommt beim Fußball zur Komplexität der Abläufe ein nicht zu kontrollierender Faktor hinzu - der Gegner. Die Schwedinnen etwa verteidigten erstklassig. Fünf Schüsse konnten sie blocken, sechs Paraden steuerte Torhüterin Hedvig Lindahl bei, und sieben Mal ließen sie die Deutschen ins Abseits laufen. Eine so disziplinierte Abwehrarbeit ist von Italien nicht zu erwarten, das gegen Russland teilweise naiv agierte.
Drittens: Als Kapitänin wollte Marozsán mit gutem Beispiel vorangehen und war überall auf dem Platz zu finden. Nach Ballverlusten arbeitete sie emsig zurück. Angriffe leitete sie persönlich in der eigenen Hälfte ein. Die Kehrseite: Sie fehlte vorn. Natürlich ist es löblich, wenn die deutsche Nummer Zehn einem Gegenangriff nicht in Draxler-Manier auf dem Rasen sitzend zuschaut. Doch wer überall sein will, ist nirgends. Auch Delegieren ist eine Art der Führung.
Was ist von Italien zu erwarten?
Italien spielte zum Turnierstart das gleiche System wie Schweden, führte es aber nicht annähernd so stabil aus. Ihre Angriffe trugen die technisch durchaus beschlagenen Italienerinnen bevorzugt über die Flanken vor und suchten auf Höhe des Strafraums den Pass in die Mitte. Sofern die Deutschen ihre Gegner auf außen halten und diesen Pass verteidigen, dürften allein das Tempo und die Physis der DFB-Elf zu viel sein für die Squadra Azzurra.