Torhüterinnen im WM-Halbfinale Glanzparaden statt Slapstickeinlagen

Früher sorgten Torhüterinnen mit katastrophalen Patzern für Gesprächsstoff. Bei der WM in Frankreich ist davon nichts mehr zu sehen - im Gegenteil: Die Keeperinnen haben ihre Teams ins Finale geführt.
Aus Lyon berichtet Benjamin Knaack
Sari van Veenendaal behielt im WM-Halbfinale eine weiße Weste

Sari van Veenendaal behielt im WM-Halbfinale eine weiße Weste

Foto: Jean-Pierre Clatot / AFP

Man braucht nicht drumherum reden: Das Halbfinale zwischen Schweden und den Niederlanden (0:1) war ein schlechtes Spiel. Fehlpässe, Verstopper, Rückpässe, unmotivierte, halbhohe Bälle aus der Abwehr ins Mittelfeld: Alles Dinge, die jeglichen Spielfluss zerstören. Und doch war aus der WM-Partie eine positive Erkenntnis mitzunehmen.

Die Zeit der Slapstick-Torwartfehler bei den Frauen ist vorbei.

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Es war lange Zeit eine Mischung aus Vorurteil und gern gepflegtem Klischee - aber eben auch mit mehr als nur einem Funken Wahrheit: Torhüterinnen sind gerne mal für einen Patzer gut. Die Debatte, woran das liegen könnte, wurde in schöner Regelmäßigkeit geführt, zuletzt bei der Europameisterschaft in den Niederlanden 2017.

Zwei Glanzparaden im Halbfinale

Reihenweise waren die Keeperinnen damals unter den Bällen hindurchgesegelt oder hatten Gegentore durch schwere Fehler verursacht, die Schweizerin Gaelle Thalmann boxte sich den Ball gar ins eigene Tor. Die ehemalige deutsche Nationaltorhüterin Nadine Angerer hatte damals gesagt: "Das waren teilweise Slapstickeinlagen wie vor 20 Jahren."

Angerer selbst hatte beim WM-Gewinn 2007 keinen einzigen Gegentreffer kassiert und war im Finale mit einem gehaltenen Elfmeter zur Heldin aufgestiegen. Ihre Analyse der Patzer bei der EM 2017: "Der gesamte Fokus liegt auf den Feldspielerinnen, die Torwart-Ausbildung fällt komplett hinten über." Die ehemalige Nationaltrainerin Silvia Neid stellte besonders bei hohen Bällen ein Problem fest .

Und bei der WM in Frankreich? Ist von diesen Patzern bis auf vereinzelte Ausnahmen nichts mehr zu sehen, im Gegenteil: Im Halbfinale brillierten sowohl Sari van Veenendaal auf niederländerischer Seite als auch Hedvig Lindahl im Tor der Schwedinnen. Beide lieferten starke Leistungen ab - inklusive zweier Glanzparaden.

"Es war episch"

In der zweiten Hälfte war es zunächst van Veenendaal, die einen flachen Schuss von Nilla Fischer mit der Hand an den Pfosten lenkte. Nur wenige Minuten später hatte dann Lindahl ihren großen Auftritt, als sie den Kopfball von Vivianne Miedema mit den Fingerspitzen an die Latte lenkte.

Die Paraden der beiden Keeperinnen im Halbfinale waren kein Einzelfall: Auch im Spiel am Dienstagabend zwischen den USA und England war die US-Keeperin Alyssa Naeher zur Heldin geworden, als sie in der 84. Minute einen Elfmeter hielt - und den USA damit den Finaleinzug rettete. Sie wurde von ihren Teamkolleginnen gefeiert, Torschützin Christen Press sagte etwa: "Es war episch."

US-Keeperin Alyssa Naeher parierte einen Elfmeter gegen England

US-Keeperin Alyssa Naeher parierte einen Elfmeter gegen England

Foto: Alessandra Tarantino / AP

Auch wenn man sich von den Topteams entfernt, sieht man eine neue Qualität auf der Torwartposition. Die Deutsche Almuth Schult etwa konnte sich über vier Spiele ohne Gegentor freuen - obwohl ihre Abwehr sie einige Male im Stich gelassen hatte. Christine Endler aus Chile verhinderte im Spiel gegen die USA, dass es ein Debakel gab, die Argentinierin Vanina Correa hielt einen stark geschossenen Elfmeter gegen England.

Die Förderung der Torhüterinnen wird besser

"Ich bin froh, dass ich meine Finger an den Kopfball bekommen habe", sagte Lindahl über ihre Parade. "Das Torhüterinnen-Niveau steigt. Wir haben nun mehr gute Torwarttrainer, die Klubs investieren. Diesen Effekt sieht man." Nicht nur die Feldspielerinnen, sondern auch die Torhüterinnen würden sich entwickeln, sagte van Veenendaal.

Dass die Förderung besser geworden ist, sieht man auch an den Talenten. Die 19-jährige Sydney Schneider aus Jamaika oder die 18 Jahre alte Nigerianerin Chiamaka Nnadozie hatten zwar auch Unsicherheiten in ihrem Spiel, doch ihre Bewegungen schienen bereits sehr routiniert - und sie trauten sich auch, aus ihrem Tor herauszukommen.

Gerne hätte man am Mittwochabend gesehen, wie sich van Veenendaal und Lindahl in einem Elfmeterschießen ausgezeichnet hätten. Aber Jackie Groenen schoss in der Verlängerung das 1:0 für die Niederlande, mit einem flachen Schuss von außerhalb des Strafraums war sie erfolgreich. Lindahl kam nicht an den Schuss heran, vielleicht war er unhaltbar, vielleicht hätte sie ihn haben können.

Was hier auf keinen Fall zu sehen war: ein Slapsticktor.

Niederlande - Schweden 1:0 (0:0) n.V.
1:0 Groenen (99.)
Niederlande: van Veenendaal - van Lunteren, van der Gragt, Bloodworth, van Dongen - Groenen, van de Donk, Spitse - Beerensteyn (71. van de Sanden), Miedema, Martens (46. Roord)
Schweden: Lindahl - Glas, Fischer, Sembrant, Eriksson (111. Andersson) - Rubensson (79. Zigiotti), Asllani, Seger - Jakobsson, Blackstenius (111. Larsson), Hurtig (78. Janogy) Schiedsrichterin: Beaudoin (Kanada)
Gelbe Karten: van de Donk, Spitse / Zigiotti
Zuschauer: 48.452

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