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Frauenfußball-WM: Deutschland siegt, Deutschland hadert

Foto: Dennis Grombkowski/ Bongarts/Getty Images

Deutscher Gruppensieg bei der WM Ein 4:0-Sieg als Weckruf

Freude über den Gruppensieg? Geht so. Die deutsche Nationalmannschaft der Frauen gewinnt mit 4:0 gegen Thailand, spielte aber miserabel. "Das war Standfußball", schimpft Kapitänin Nadine Angerer. In der K.-o.-Runde muss mehr kommen.

Melanie Leupolz lächelte, als sie vor der Werbewand im Presseraum des Winnipeg Stadium posieren sollte. Und natürlich hat die deutsche Nationalspielerin so getan, als sei sie überglücklich. Den Führungstreffer und damit ihr erstes WM-Tor geschossen, 4:0 gegen Thailand im dritten Gruppenspiel gewonnen, Achtelfinale der Frauen-WM erreicht - also alles gut? Mitnichten.

Kaum hatte die 21-Jährige das Podium der Pressekonferenz erklommen, ging es los: "Wir wissen selbst, dass das kein gutes Spiel war. Wir haben verpasst, Selbstbewusstsein fürs Achtelfinale zu sammeln. Das einzig Positive war, dass wir gewonnen haben." Neben ihr saß Silvia Neid und blickte fast ungläubig zu einer ihrer Musterschülerinnen herüber. Was die Bundestrainerin dachte? "Die Melanie hat das ganz gut zusammengefasst", sagte Neid.

Die Ansprüche bei den DFB-Frauen sind hoch. Neid: "Wenn man Deutschland heißt, hat man die Favoritenrolle." Die 51-Jährige weiß, dass bislang nur die Pflicht erledigt wurde. Wobei der Gruppensieg schon einmal Vorteile bringt: Die Reisestrapazen reduzieren sich. Am vergangenen Freitag musste der DFB-Tross die Provinzhauptstadt von Manitoba wieder in Richtung Ottawa verlassen. Und ganz gleich, wer nun bis Mittwochabend kanadischer Zeit als einer der vier besten Gruppendritten als Gegner für den kommenden Samstag im Achtelfinale ermittelt wird: Im Falle weiterer Siege würde Deutschland ein Viertel- und Halbfinale in Montreal spielen. Das ist mit dem Bus oder Zug in rund zwei Stunden zu erreichen.

Schwache Chancenverwertung bereitet Sorge

Und doch gefiel es Neid nicht, was sie als Einstimmung auf die K.-o.-Runde gesehen hatte: "Wir müssen alles analysieren und die Fehler ansprechen. Jetzt geht es doch eigentlich erst los." Bei der WM 2011 hat ihr Team die böse Erfahrung gemacht, dass eine Vorrunde mit drei Siegen eine trügerische Sicherheit geben kann. Damals gab es im Viertelfinale gegen Japan (0:1 nach Verlängerung) das böse Erwachen.

Zwar ist der Kader heute viel homogener als vor vier Jahren, "aber gegen starke Gegner bekommen wir nicht zehn Chancen, sondern vielleicht nur zwei, drei und die müssen wir dann nutzen." Die Chancenverwertung macht Neid große Sorgen. Auch deshalb nahm sie Dzsenifer Marozsán und Celia Sasic, die Taktgeberin und die Torjägerin zur Pause bereits heraus - die eine hatte im Abschluss geschludert, die andere hatte es gar nicht bis dahin geschafft.

Dass sich dafür Lena Petermann als zweifache Torschützin (68. und 58. Minute) hervortat - neben Leupolz (24.) und Sara Däbritz (73.) - erfüllte Neid mit Freude: "Sie ist zwar noch so jung, stellt aber als Persönlichkeit etwas dar. Sie hat sich hier zuletzt gut präsentiert und nun belohnt." Dennoch dürfte die 21 Jahre alte Lehramtsstudentin demnächst weiter nur als Einwechselspielerin zum Zuge kommen. Neid wird jenen Kräften vertrauen, die als erste Elf gegen die Elfenbeinküste die WM mit einem 10:0 begannen.

"Sonst scheiden wir aus"

Doch dieser Kantersieg ist längst kein Thema mehr. Am deutlichsten kritisierte Kapitänin Nadine Angerer: "Kein Freilaufen, keine Bewegung: Das war Standfußball. Die erste Halbzeit können wir in die Tonne kloppen und so können wir nicht noch mal auftreten. Sonst scheiden wir hier aus."

Dass Deutschland in die mit Abstand am schwächsten besetzte Gruppe gelost wurde, ist nicht hilfreich. Nur gegen Norwegen (1:1) wurde der Europameister gefordert, der erst jetzt nach zwei Wochen Kanada-Aufenthalt tatsächlich in den von Angerer gerne zitierten "Kampfmodus" schalten muss. Die 36-Jährige warnte: "Alles was uns sonst stark macht - Einsatz, Leidenschaft, Zweikampfstärke - haben wir nicht gezeigt." Die Meinungsmacherin will nun mit den "älteren Mitspielerinnen" beraten: "Wir können uns das nicht erlauben. Das ist eine Einstellungssache. Man muss nüchtern und wachsam sein. Ab jetzt kommen nur noch starke Gegner."

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