Halbfinaleinzug der DFB-Frauen Immer wieder Angerer

Die deutschen Fußball-Frauen stehen im Halbfinale der WM - vor allem dank ihr: Torhüterin Nadine Angerer. Die 36-Jährige hielt den entscheidenden Elfmeter gegen Frankreich. Nun wartet der Mitfavorit aus den USA.
DFB-Spielerinnen: Wissen, wem sie dankbar sein können

DFB-Spielerinnen: Wissen, wem sie dankbar sein können

Foto: Andre Pichette/ dpa

Nadine Angerer hat sich noch nie an strenge Konventionen gehalten, warum sollte die deutsche Nationaltorhüterin das ausgerechnet an diesem Abend tun? Kurz nachdem sie ihrer Mannschaft beim Elfmeterschießen gegen Frankreich (5:4) den Einzug ins Halbfinale der Weltmeisterschaft in Kanada gesichert hatte?

Angerer, die Matchwinnerin, pfiff auf das Verhaltensprotokoll des Fußball-Weltverbands. Als sie vor der Pressekonferenz im Anschluss an die Partie das obligatorische Foto mit der Urkunde für die beste Spielerin machen musste, zog die 36-Jährige eine Grimasse nach der anderen. Die Medien-Dame der Fifa bekam das zwar nicht mit, aber vermutlich hätte sie auch gar nichts dagegen gehabt - zumal Angerer damit für beste Stimmung unter den anwesenden Journalisten sorgte.

"Wir sind alle noch voll mit Adrenalin", entschuldigte sich Angerer halbwegs grinsend, "das war ja ein richtiger Kraftakt." In der Kabine seien Lieder gesungen worden, sagte sie, "aber wir sind da nicht wahllos herumgehüpft". Schon die Ehrenrunde auf dem Kunstrasen war eher verhalten ausgefallen, denn allen bewusst: Nur Angerers Elfmeterparade, die den Strafstoß der 21-jährigen Französin Claire Lavogez, den letzten von zehn Strafstößen, mit dem linken Knie abgewehrt hatte, und eine gehörige Portion Glück hatten den Europameister ins Halbfinale gegen die USA (Mittwoch, 1 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE) gebracht.

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DFB-Frauen im Halbfinale: Der Titeltraum lebt

Foto: Francois Laplante/FreestylePhoto/ AFP

Lavogez schlug die Hände vors Gesicht, nachdem sie verschossen hatte. "Ich hatte das Gefühl, dass sie Angst hat", sagte Angerer, die durchaus zur Furcht einflößenden Erscheinung werden kann, wenn jemand sich den Ball vor ihr hinlegt. So hatte Marta im WM-Finale 2007 einen Strafstoß vergeben, so waren Trine Rønning und Solveig Gulbransen im EM-Endspiel 2013 gescheitert. "Es gibt keine Taktik, ich versuche einfach lange stehen zu bleiben", sagte die DFB-Kapitänin. Selbst Torwarttrainer Michael Fuchs würde ihr mit auf den Weg geben, sich einzig auf ihre Intuition zu verlassen.

Doch es gab ja an diesem Nachmittag im Parc Olympique von Montreal - ein unwürdiger Ort für solch ein Spiel - vor nicht einmal 25.000 Zuschauern noch eine andere verrückte Episode. Weil in einer konfusen deutschen Elf eine Halbzeit lang im Grunde gar nichts zusammenlief und die zu Recht hoch gehandelten Französinnen fast eine Klasse besser spielten (Bundestrainerin Silvia Neid: "Wir waren zu weit weg, als Mannschaft standen wir viel zu lang und sind nicht gut in die Zweikämpfe gekommen"), kam zur Pause Dzsenifer Marozsán in die Partie.

Die 23-Jährige gilt als beste deutsche Fußballerin, knickte aber beim letzten Schussversuch in der Verlängerung wieder mit dem bereits lädierten linken Fuß um und lag auf dem Feld, als Neid ihre fünf Elfmeterschützinnen zusammensuchte. Da meldeten sich zunächst nur vier freiwillig: Melanie Behringer, Simone Laudehr, Babett Peter, Celia Sasic. Doch Neid kam auf die entscheidende Idee: "Ich habe schnell die Lena Goeßling zu Dzseni geschickt, ob sie nicht auch schießen könne." Ein kurzes Ja reichte aus, damit auch Marozsan antrat und verwandelte. "Ich konnte ja auftreten. Und ich wollte unbedingt einen Elfmeter schießen."

Dieses Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten und der Wille, allen Widerständen zu trotzen, machten die deutschen Fußballerinnen zum überglücklichen Sieger - und ließen untröstliche französische Akteure zurück. "Wir sind frustriert und traurig", gab Trainer Philippe Bergeroo zu, "aus diesem großartigen Spiel müssen wir lernen." Er hätte wohl noch der Pressekonferenz der Kollegin beiwohnen sollen, bei der Neid das Erfolgsgeheimnis so erklärte: "Wir üben Elfmeter das ganze Jahr. Wir schießen oft nach jedem Training noch welche, da machen wir immer einen Wettkampf draus. Ich wusste, dass sich meine Mannschaft vom Elfmeterpunkt im Grunde sehr wohl fühlt."

Und diese spezielle Fertigkeit genügte, um einen eigentlich fußballerisch besseren Gegner aus dem Turnier zu werfen.

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