Deutsche Frauen-Fußballnationalmannschaft Ganz entspannt im Kampfmodus

2011 war der Titel fest eingeplant, der Druck groß und die Enttäuschung nach dem frühen Aus noch größer. Die Frauen-Fußballnationalmannschaft hat daraus viel gelernt.
DFB-Spielerinnen Däbritz (l.), Leupolz: Gute Laune im Trainingslager

DFB-Spielerinnen Däbritz (l.), Leupolz: Gute Laune im Trainingslager

Foto: Dennis Grombkowski/ Bongarts/Getty Images

Der Ton war vor vier Jahren ein völlig anderer, zumindest abseits des Platzes. "Dritte Plätze sind was für Männer", lautete der Slogan der Fußball-WM der Frauen. Es sollte ein zweites "Sommermärchen" werden, nur mit einem erfolgreicheren Ende. Das kam aber schon im Viertelfinale gegen Japan. "Wir konnten uns nicht mal dagegen wehren. Dieser Slogan war einfach nur überheblich", sagt Silvia Neid.

Die 51-Jährige steht in Kanada vor ihrer letzten WM als Bundestrainerin, im kommenden Jahr hört Neid auf. Ein Titel zum Abschluss wäre schön, "ein Traum", so Neid, aber keine Pflicht wie 2011.

Ihr Ehrgeiz ist dennoch ungebrochen, das merkt man in jeder Trainingseinheit. "Nachschieben, nachschieben!", ruft Neid über den Kunstrasenplatz des Algonquin College Soccer Complex, weit draußen vor der kanadischen Hauptstadt Ottawa. Am Sonntag beginnt die Weltmeisterschaft für die deutsche Nationalmannschaft mit dem ersten Gruppenspiel gegen die Elfenbeinküste (Anpfiff 22 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE). "Wir wollen im richtigen Kampfmodus beginnen", sagt Kapitänin Nadine Angerer.

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Erstmals starten 24 Mannschaften bei einer WM, viele Teams sind international unerfahren, so auch die Elfenbeinküste. Die Afrikanerinnen sind zum ersten Mal für eine WM qualifiziert, fußballerisch trennen sie Welten von Favoriten wie der DFB-Elf. Auch in der dritten Partie gegen Thailand (15. Juni) wäre alles andere als ein Sieg eine große Überraschung. "Wir werden bei dieser WM krasse Resultate erleben", sagt die mit den Frauen-Wettbewerben beauftragte Fifa-Direktorin Tatjana Haenni.

"Das ganze Drumherum hat uns erschlagen"

Den "Kampfmodus" werden die deutschen Spielerinnen aber im zweiten Spiel brauchen, gegen EM-Finalgegner Norwegen (11. Juni). Danach startet die K.-o.-Phase, wegen des größeren Teilnehmerfeldes erstmals mit einem Achtelfinale. Zwei der drei Gruppenspiele trägt das deutsche Team in Ottawa aus, dort sind auch sämtliche Mannschaften untergebracht.

Die DFB-Spielerinnen fühlen sich nach eigenem Bekunden sehr wohl in der Hauptstadt. Die, die schon 2011 bei der WM in Deutschland dabei waren, genießen vor allem die Anonymität: Kaum jemand erkennt sie diesmal beim Spazierengehen, Sightseeing oder Einkaufen. Torhüterin Angerer erinnert sich: "Wenn wir in den Supermarkt gegangen sind, war am nächsten Tag ein Foto in der Zeitung, dass wir Kaugummi gekauft haben. Das ganze Drumherum hat uns damals erschlagen." Die Spielerinnen hätten sich abgeschottet, auch untereinander. "So kann sich keine Mannschaft finden", sagte Angerer.

Das sei jetzt ganz anders. Angerer lobt die jungen Spielerinnen für ihren "Lernwillen", Celia Sasic sieht das gesamte Team "auf einem höheren Level". Auch wenn zum Auftakt wohl Spielmacherin Dzsenifer Marozsán ausfallen wird, die auf dem mit Gummigranulat gefüllten Kunstrasen mit dem Standbein umknickte und eine Bänderdehnung im Sprunggelenk erlitt. "Wenn jemand neu reinkommt, gibt es keinen Bruch", sagt Angerer.

Silvia Neid hat es anscheinend wieder geschafft, ein Team zu formen, das um den Titel spielen kann. Zum Favoritenkreis gehört Deutschland neben den USA, Kanada, Frankreich, Brasilien, Schweden, Norwegen und Titelverteidiger Japan auf jeden Fall.

Wenn der Traum vom WM-Titel zum Abschied nicht wahr wird, könnte Neid damit wohl inzwischen besser umgehen. Schon 2011 wurde ihr im WM-Trainingslager von Torwarttrainer Michael Fuchs zum Geburtstag ein Trikot mit der Aufschrift "Gelassenheit" überreicht. Inzwischen lebt Neid diese Eigenschaft mit Überzeugung.

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