Friedhelm Funkel Ein Leben lang Feuerwehrmann

Trainer Funkel: Anständig, moralisch einwandfrei, aber ein bisschen langweilig
Foto: Thomas Eisenhuth/ dpaOrdnung muss sein, auch in der Freitzeit. Friedhelm Funkel ist in einem Fünf-Sterne-Hotel im Nordosten Mallorcas. Einmal im Jahr trifft er sich mit alten Freunden zum Jungsurlaub. Fünf Herren in den besten Jahren, auch sein Bruder Wolfgang ist dabei. Doch ein Partyurlaub braucht Struktur. Morgens um zehn trifft sich die Herrenrunde zum Frühstück, danach werden die Zeitungen durchforstet, nachmittags verausgabt man sich auf dem Tennisplatz, und nach dem Dinner schlendert die Runde mit lässig über die Schultern geworfenen Sommerpullovern hinunter auf die Amüsiermeile und trinkt Bier.
So weit ist es heute aber noch nicht. Soeben hat Funkel das vormittägliche Bad im schicken Hotelpool beendet und setzt sich in Shorts an einen Cafétisch. Für 13 Uhr ist die tägliche Skatrunde anberaumt. Friedhelm gibt, Wolfgang Funkel verdreht beim Abheben die Augen. Nach dem Spielen klatschen die Männer lautstark miteinander ab. So stellen sich Romantiker Geselligkeit unter Fußballprofis vor.
Im Leben von Friedhelm Funkel vergeht kein Tag ohne Wettkampf. Auch in diesen Wochen nicht, in denen er nach 21 Jahren als Bundesligacoach zum ersten Mal längere Zeit ohne konkrete Perspektive ist. Nach acht Trainerstationen im deutschen Profifußball, nach insgesamt 1127 Spielen als Spieler und Übungsleiter in der ersten und zweiten Liga, hat er nun schon seit über drei Monaten Freizeit.
Sachlicher Pragmatiker statt Edelmann
Eine harte Zäsur. 21 Kader mit mehr als 500 Spielern hat er betreut. Und doch steht Funkel nicht für die glamouröse Fußballshow. Während die Kollegen aus seiner Generation, etwa Ottmar Hitzfeld oder Felix Magath, durch große Titel im Laufe ihrer Tätigkeit in den Rang von Edelmännern aufstiegen, blieb Funkel der sachliche Pragmatiker, den Vereine anheuerten, wenn für große Lösungen kein Geld da war.
Heribert Bruchhagen, der ihn einst für Eintracht Frankfurt verpflichtete, sagt: "Friedhelm holt aus jeder Mannschaft das Optimale raus." Mit anderen Worten: Wer Funkel einstellt, kriegt ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Er weiß selbst, dass er der Mann für die Konsolidierung ist, nicht der Fußballlehrer, dem die Vereine große Titel zutrauen.
Nach fast 40 Jahren im Bundesligamilieu kennt er praktisch jeden Protagonisten. Und jeder, der in einem Proficlub etwas zu sagen hat, kennt ihn. Ein Fluch und Segen zugleich. Einerseits hat Funkel sich nie ernsthafte Sorgen um ein neues Engagement machen müssen, andererseits fällt er bei Spitzenvereinen kategorisch durchs Raster. Seine Entschuldigung: "Ich erzähle Vorständen immer die Wahrheit über ihren Club - nicht das, was sie hören wollen."
Falsche Versprechungen macht er nicht, seine Voraussagen zu sportlichen Zielen treffen in der Regel ein. Funkels Realismus wird geschätzt. Doch "Realist" kann in einem Geschäft, das mit Träumen dealt, schnell zum Schimpfwort werden.
Das schönste Weihnachtsgeschenk war ein halber Fußball
Die Clubs, die das große Abenteuer suchen, machen einen Bogen um Friedhelm Funkel. Anständig, moralisch einwandfrei, aber ein bisschen langweilig: So ist sein Image, aber langweilig ist er ganz sicher nicht. Ihm liegt weder die Rolle des Motivators, fein abgeschmeckt mit dieser Prise Sonnyboy, die Jürgen Klopp gerne gibt, noch das gediegene Maßanzugding, auf das sich Jupp Heynckes oder Felix Magath eingelassen haben. Für einen Sprücheklopfer vom Typ Peter Neururer ist er zu faktisch, für einen manischen Professor wie Ralf Rangnick zu abgeklärt. Funkel ist der Feuerwehrmann unter den Trainern - das war schon immer so.
Funkel stammt aus einfachen Verhältnissen. Drei Kinder, die Eltern mussten auf jeden Pfennig schauen. Das schönste Weihnachtsgeschenk, an das er sich erinnern kann, war ein Fußball, den er sich mit seinem Bruder teilen musste. Er weiß, wie man sich einschränkt. Fragt man andere Profitrainer, wer sie in ihrer Arbeit geprägt hat, kriegt man oft ausweichende Antworten. Vorbilder sind schlecht für den Marktwert, denn Vorstände mögen dieses Marketinggeplänkel über Systeme, Kreativität und die ureigene Handschrift.
Dem 58-jährigen Funkel sind solche Schnörkel fremd. Er weiß gut, dass er aus seiner Schublade nicht mehr rauskommt und nennt gleich drei Vorbilder: Karl-Heinz Feldkamp, weil er es verstand, mit viel Lockerheit, einem überschaubaren Konzept und einer sehr entspannten Arbeitsauffassung, Mannschaften zu formen und Höchstleistungen aus den Spielern herauszukitzeln.
Horst Buhtz, weil er stets ein Mensch blieb, der seine Spieler liebte und Schweißausbrüche bekam, wenn er Kritik üben musste. Und Rolf Schafstall. Weil er eisenhart trainieren ließ und Spieler bis an die Grenzen des guten Geschmacks triezte - und ihm das Team dennoch treu ergeben war.
Lesen Sie im zweiten Teil: Wieso es Funkel nicht in die Ferne zieht und er in vergangenen Saison gleich zweimal entlassen wurde.