
Krise des DFB Zu groß für Koch und Keller


Wer soll beim DFB künftig das Sagen haben?
Foto: Simon Hofmann/ Getty Images for DFBDieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Schande, Chaos, Katastrophe – das waren die gängigen Vokabeln, wenn in den vergangenen Monaten vom Deutschen Fußball-Bund die Rede war. Die handelnden Personen, egal ob Präsident, Generalsekretär oder Vizepräsident, haben den Verband in das denkbar schlechteste Licht gerückt.
Und wenn jetzt tatsächlich alle Protagonisten dieses Schmierentheaters um geschönte Wikipedia-Einträge und Nazivergleiche allesamt abtreten sollten, steht ganz am Anfang der Nachfolgesuche einer neuen Führung die große Frage: Wer um Himmels willen wird sich das antun?
Der Eindruck nicht nur der vergangenen Monate, sondern der vergangenen Jahre ist: Dieser Verband ist am Rande der Regierbarkeit, manchmal hat er diesen Rand auch schon überschritten. Fritz Keller ist der vierte Präsident in zehn Jahren, der den Posten verlässt, verlassen muss. Die Anlässe waren unterschiedlich, die Ursache stets die gleiche: Die Präsidenten sind an sich selbst und am Verband gleichermaßen gescheitert.
Die logische Folge: Regieren als Kleinkrieg
Insofern darf man nicht die Personen allein dafür verantwortlich machen. Keller, Curtius, Koch, Seifert, wie sie heißen, sind auch so, weil sie in den Fußball-Organisationen oben sitzen.
Der DFB ist ein Verband, der es möglich macht, dass Rainer Koch für viele Jahre die Strippen ziehen darf. Der DFB ist ein Verband, der es erleichtert, dass Christian Seifert für die DFL seinen Einfluss nach und nach ausweiten kann und dass der Profifußball einen Mann wie Fritz Keller an die Spitze setzen kann, ohne zu wissen, ob Keller dieser Aufgabe gewachsen sein würde. Dem zudem beim Amtsantritt noch die Richtlinienkompetenz entzogen wurde.
Der unregierbare DFB wurde dadurch noch unregierbarer, da der Präsident sich mit der ihm zugedachten Rolle des Grußwortredners nicht abfinden wollte. Die logische Folge: Regieren als Kleinkrieg.
Niemals auf einen Nenner
Und der DFB ist vor allem so, dass die Kochs und Seiferts gar nicht auf einen Nenner kommen können, selbst wenn sie wollten.
Koch, der Lobbyist der Amateure, Seifert, der Lobbyist der Profiklubs – zwei Vertreter von Interessen, die unterschiedlicher nicht sein können. Und die nur zufällig beim Thema Fußball zusammengeführt werden.
Es ist diese Struktur der sich widersprechenden Interessen, die es auch einem künftigen Präsidenten, einer künftigen Präsidentin extrem schwer machen werden, den Verband einheitlich, harmonisch gar zu führen.
Die Interessen des FC Bayern können nicht die Interessen sein, die die C-Jugend von Stern Marienfelde hat
Das, was Bayern München will und das, was die C-Jugend vom FC Stern Marienfelde in Berlin will, das stimmt nur noch darin überein, dass es sich um die eine gleiche Sportart handelt, die beide betreiben. Damit erschöpft sich das Gemeinsame.
Das Füreinander, das »Die Profis brauchen den Unterbau, brauchen den Nachwuchs aus den kleinen Vereinen, die Amateure brauchen das Strahlen der Großklubs«, das ist immer noch so, aber beide Seiten haben es aus den Augen verloren.
Stattdessen gibt es den Verteilungskampf der reichen und der nicht so reichen Profivereine untereinander, und es gibt den ungerechten Verteilungskampf der Profis gegen all die Amateure. Das Geschacher um den Grundlagenvertrag, der festlegt, was und wie viel die Profis den Kleinen abgeben, wird im kommenden Jahr wieder losgehen, wenn der Vertrag neu verhandelt wird.
Es ist dieser Verteilungskampf, der im DFB auf offener Bühne ausgetragen wird und den Verband schier zerreißt. Und der sich mit den menschlichen Verwerfungen an der Verbandsspitze mischt. Es ist ein Kampf zweier ungleicher Systeme. Wenn nun als mögliche Präsidenten die Fußball-Großkopferten Karl-Heinz Rummenigge, Rudi Völler oder Philipp Lahm vorgeschlagen werden, dann ist klar, in welche Richtung sich das bewegt. Bestimmt nicht in die Richtung der Kleinen.
Längst ein politischer Job
Der DFB ist ein Verband, der so viele Aufgaben zu bewältigen hat: das Austarieren von Klein und Groß, die Nationalmannschaft, Frauenförderung, Integration, Talentsuche, daneben soll und muss er sich zu den großen gesellschaftlichen Fragen positionieren: Rassismus, Sozialpolitik, Jugendarbeit, Gleichberechtigung, Menschenrechte.
Der DFB ist längst ein politischer Faktor, das Amt des Präsidenten längst ein politischer Job. Zu Katar muss er genauso etwas sagen können wie zu gleichgeschlechtlichen Lebensentwürfen, zur Nachhaltigkeit beim Klimaschutz genauso wie zur Eingliederung von Flüchtlingen.
Und dazu, was der Fußball in Zukunft sein soll, für wen er da ist und warum.
Vielleicht ist diese Aufgabe zu groß geworden für einen oder eine aus dem Fußball. Sie ist in jedem Fall zu groß für Fritz Keller und für Rainer Koch.