Leverkusens Adli gegen Bayern München Der Schwalbenkönig, der keiner ist

Amine Adli sah gegen Bayern gleich zweimal die Gelbe Karte. Trotzdem flog der Leverkusener nicht vom Platz, sondern wurde dank des Videobeweises zum Matchwinner. Im Titelkampf profitiert Dortmund vom Münchner Aussetzer.
Amine Adli sah zwei Gelbe Karten für Schwalben, beide wurden zurückgenommen

Amine Adli sah zwei Gelbe Karten für Schwalben, beide wurden zurückgenommen

Foto: IMAGO/VITALII KLIUIEV / IMAGO/Vitalii Kliuiev

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Leverkusens Cinderella: Wütend schmiss Amine Adli seinen rechten Schuh auf den Boden. Gerade erst hatte er die Gelbe Karte gesehen, er habe einen Elfmeter schinden wollen, so der Vorwurf von Schiedsrichter Tobias Stieler. Der Leverkusener tobte, die BayArena, ohnehin laut wie selten, tat es ihm gleich. Dann bekam Stieler per Funk ein Zeichen. Der Referee trabte hinaus an den Spielfeldrand, besah sich die Szene erneut – und reichte Adli sogleich zur Entschuldigung die Hand. Keine Verwarnung, stattdessen Elfmeter für Leverkusen, so das Urteil. Schwer zu erkennen war das nicht: Bayern-Verteidiger Benjamin Pavard hatte Adli mit einem Tritt in die Hacken seines Schuhs entledigt. »Wenn er sich den Schuh selber auszieht, dann Hut ab – dann kann er auch als Zauberer arbeiten«, kommentierte Adlis Teamkollege Robert Andrich die Szene nach Spielende am DAZN-Mikrofon.

Das Ergebnis: Weil sich die ganze Szene (wieder mit Adli und Stieler, dafür ohne einen Schuh-Auszieher, sondern mit einer Upamecano-Grätsche) wenig später sogar wiederholte und Leverkusens Exequiel Palacios beide Strafstöße nutzte, setzte sich die Werkself zu Hause 2:1 (0:1) gegen den FC Bayern München durch. Das überraschte, unverdient war es aber nicht. Hier geht es zum Spielbericht.

Überraschend unverzichtbar: Dass der Sieg der Leverkusener in Ordnung geht, hatte sich der FCB selbst zuzuschreiben. So gab die für gewöhnlich mit Abstand torgefährlichste Mannschaft der Liga in Halbzeit eins nur einen Schuss ab, Leverkusen deren sieben. Das hatte auch mit dem Fehlen zweier Spieler zu tun, die vor der Saison wohl die wenigsten als Leistungsträger getippt hätten: Torjäger Eric Maxim Choupo-Moting fehlte mit Rückenproblemen, Topscorer Jamal Musiala saß auf der Bank. Zumindest Musiala wurde als einer von drei Neuen zur Pause eingewechselt, draußen blieben unter anderem die desolaten Thomas Müller und Sadio Mané. Mit Musiala schossen die Bayern dann übrigens zehnmal in Richtung Bayer-Tor.

Ohne ihn geht nichts: Julian Nagelsmann konnte Jamal Musiala gegen Leverkusen nicht lange schonen

Ohne ihn geht nichts: Julian Nagelsmann konnte Jamal Musiala gegen Leverkusen nicht lange schonen

Foto: IMAGO/BEAUTIFUL SPORTS/Axel Kohring / IMAGO/Beautiful Sports

Druck aus Westfalen, Teil eins: Auch für den Rest des Bayern-Mittelfelds ist es kein gutes Zeichen, so stark von einem 20-Jährigen abhängig zu sein. Dabei zählte das Duo Leon Goretzka/Joshua Kimmich noch zu den kleinen Lichtblicken im biederen Spiel der Münchner, der Führungstreffer etwa resultierte aus einer Koproduktion, bei der Goretzka für Kimmich auflegte (23. Minute). Vor der Dreierkette, auf die Nagelsmann zuletzt setzte, fühlen Goretzka und Kimmich sich wohl, ihr Vorwärtsdrang wird besser abgefedert. Bleibt die Frage, ob ihnen das hilft, auch im Nationalteam ihre Stammplätze zu behalten. Bundestrainer Hansi Flick spielt ein anderes System – und nominierte für die anstehenden Länderspiele den formstarken Emre Can. Nicht ausgeschlossen, dass einer der beiden für Borussia Dortmunds Zweikampfspezialisten weichen muss.

Allein, allein: Apropos Zweikämpfe: Die direkten Duelle waren nur eines in einer langen Liste von Themen, die Nagelsmann nach dem Spiel auf die Palme brachten. »Wir haben einige Spieler mit Null-Prozent-Quote«, ärgerte sich der Bayern-Trainer, der sich mit dem Teamwork beim FCB enorm unzufrieden zeigte: »Wir haben sehr viel allein gemacht, sehr viel allein gepresst, sehr viel allein freigelaufen.« Das alles klang nicht nach einer intakten Mannschaft, vielmehr etwas ratlos.

Erste Hilfe vom zweiten Augenpaar: Noch bemerkenswerter als die Schwäche der Bayern war an diesem Nachmittag aber die von Schiedsrichter Stieler, die der Unparteiische nach dem Spiel auch eingestand. Nachdem er auch bei der Upamecano-Grätsche zunächst Adli verwarnt statt einen korrekten Strafstoß gepfiffen hatte, bedankte er sich beim erneut eingreifenden Video-Assistenten: »Er war heute mein Lebensretter, und auch für das Spiel der Lebensretter.« Es sei ein Beispiel für perfekte Zusammenarbeit gewesen, nachdem er die Szenen im Realbild falsch bewertet habe: »Die Schiedsrichterseele weint zwar etwas, aber die Fußballwelt kann zufrieden sein.« Und auch mit dem zu Unrecht verdächtigten Adli ist Stieler wieder im Reinen: »Jetzt hat er mir noch das Trikot versprochen«, sagte der Referee. »Mal sehen, ob es ankommt.«

War nicht so gemeint: Tobias Stieler gibt sich nach zwei falschen Gelben Karten gegen Amine Adli reumütig

War nicht so gemeint: Tobias Stieler gibt sich nach zwei falschen Gelben Karten gegen Amine Adli reumütig

Foto: Marius Becker / dpa

Wiedersehen mit dem Gentleman: Das Stolpern der Bayern ist auch der Erfolg Xabi Alonsos. Der Spanier, ehemals Profi des FCB, führt Leverkusen derzeit von Sieg zu Sieg: In der Europa League steht die Werkself im Viertelfinale, in der Liga ist man nach drei Erfolgen in Serie wieder in Schlagdistanz zu den Europapokalplätzen. Alonso erklärte die starke Abwehrleistung nach dem Spiel auch mit dem taktischen Kniff, Andrich als eine Art Libero aufzubieten. Er tat das im DAZN-Interview erst auf Deutsch, dann, als es spezifischer wurde, auf Englisch. Ein wenig internationales Flair, das der Werkself auch sportlich gutzutun scheint.

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Druck aus Westfalen, Teil zwei: In Sachen Internationalität geht es für zahlreiche Spieler beider Klubs nun erst einmal auf Länderspielreise. Dann empfangen die Münchner den neuen Tabellenführer: Nach Borussia Dortmunds 6:1 gegen den 1. FC Köln ist die Frage, ob es in dieser Bundesligasaison ein Titelrennen gibt, wohl endgültig beantwortet. Wer der Favorit ist, klärt sich am 1. April (18.30 Uhr) im direkten Aufeinandertreffen.

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