
Hamburger SV: Probleme und Prügel
Bundesliga-Dino HSV Vom Aussterben bedroht
Am Wochenende sind große Namen in Hamburg zu Gast. Der Liga-Cup steht an, Dortmund, Bayern und Werder machen ihre Aufwartung, weil der Hamburger SV sein 125-jähriges Bestehen feiert. Ein schönes Jubiläum in einem unschönen Jahr, wenn man HSV-Fan ist - so wie ich.
Daher bin ich schon seit Wochen verzweifelt auf der Suche, studiere die Kader der Bundesligisten, hoch und runter, immer wieder. In der Hoffnung, drei Vereine zu finden, die noch schlechter besetzt sind als der HSV. Drei Vereine von 17, das kann doch nicht so schwer sein - sollte man denken.
Fortuna Düsseldorf ist wohl ein Abstiegskandidat, der FC Augsburg und Greuther Fürth auch, vielleicht noch der SC Freiburg und der 1. FC Nürnberg. Sind sogar schon fünf Clubs. Wen haben die eigentlich so geholt? Woronin nach Düsseldorf, Bancé nach Augsburg, Stieber nach Fürth, Kruse nach Freiburg, Gebhart nach Nürnberg. Der HSV wollte Granit Xhaka - und bekam Artjoms Rudnevs. Wen?
"Abwarten, vielleicht ist der ja gar nicht so schlecht", meinte ein Kumpel vor kurzem. Das haben wir bei Niclas Kindvall und Jacek Dembinski auch gehofft. Bei Kim Christensen und Rasoul Khatibi. Und bei Nando und Marcus Berg.
Letzter großer Titel vor 25 Jahren gegen die Stuttgarter Kickers
Am Ende der vergangenen Saison dachten wir ja schon, das ist jetzt der tiefste Tiefpunkt. Platz 15: So weit unten in der Tabelle stand der HSV in 50 Jahren Bundesliga noch nie am Ende einer Spielzeit. Und er stand zu Recht dort, obwohl erfahrene Kräfte wie Mladen Petric, Paolo Guerrero und David Jarolim im Kader waren. Die sind jetzt alle weg. Geblieben sind Robert Tesche, Per Skjelbred und Heiko Westermann. Es gab schon mal bessere Tage für HSV-Anhänger.
Den 20. Juni 1987 zum Beispiel, als Hamburg seinen bis heute letzten großen Titel holte und die Stuttgarter Kickers im DFB-Pokalfinale 3:1 besiegte. Ich war acht, sah das Spiel im Fernsehen und wurde zum HSV-Fan. Schriftsteller Nick Hornby hat seinen berühmten Satz geschrieben: "Seinen Verein kann man sich nicht aussuchen, der Verein sucht dich aus." Vielen Dank auch, HSV!
Seit diesem Juni-Tag vor 25 Jahren ging es mit dem Club vor allem eins: stetig bergab. Weiter bergab als vergangene Saison würde Relegation bedeuten. Und das ist mit dieser Truppe leider gar nicht unrealistisch. Das Horrorszenario vom Abstieg ist natürlich alles andere als beliebt unter HSV-Fans, neue Freunde gewinnt man damit keine. Aber die Gegenargumente überzeugen einfach nicht.
HSV als einziger Club seit der Bundesliga-Gründung erstklassig
"Die Mannschaft ist eingespielter als vergangene Saison", ist ein Standardsatz. Ist sie deswegen auch besser? Auch schon öfter gehört: "Wir haben doch noch Spieler wie Marcell Jansen und Ivo Ilicevic." Ja, eben. Und wenn gar nichts mehr hilft, kommt die Geschichte mit dem Dino, dem letzten seiner Art, schließlich ist der HSV als einziger Club seit der Bundesliga-Gründung ununterbrochen erstklassig, damit also quasi unabsteigbar. Was ist nochmal mit den Dinosauriern im Laufe der Evolution passiert?
Vielleicht fehlt mir auch einfach nur die Zuversicht der Verantwortlichen, die weitere Zugänge versprechen (noch ein Rudnevs?) und einen einstelligen Tabellenplatz als Saisonziel ausgeben. Noch mal den Kader durchgehen: Maximilian Beister - bestimmt nicht schlecht; René Adler - super; Dennis Aogo - auch noch da. Die Hoffnungen stützen sich also auf einen Zweitliga-Kicker, einen zuletzt dauerverletzten Torwart und einen vor der EM aussortierten Nationalspieler.
Das Gute ist derzeit, dass man sich in seinem Umfeld für die Transferpolitik und den Kader nicht rechtfertigen muss. Es gibt ja genug andere Geschichten, mit denen der HSV landesweit auffällt und die als Gesprächsthema taugen: prügelnde Profis im Training etwa; oder ein Milliardär, der Spielereinkäufe diktieren will; oder ein suspendierter Verteidiger, der den Trainer als Lügner und Mädchen bezeichnet. Das alles ist schon ziemlich lustig - wenn man nicht HSV-Fan ist.
Vor ein paar Wochen habe ich an der Wand hinter meinem Arbeitsplatz das Titelbild eines HSV-Fan-Magazins aufgehängt. Es zeigt den mittlerweile an Rubin Kasan verkauften Gökhan Töre, wie er das HSV-Maskottchen Hermann, einen Dinosaurier, am Schwanz festhält. Daneben steht in großen Lettern: "Keiner stoppt den Dino." Ein Kollege kam irgendwann vorbei, sah das Bild und spottete: "Euch stoppt auf dem Weg in die zweite Liga wirklich niemand."
Ich fand das überhaupt nicht witzig, habe aber mitgelacht, wie man das unter Kollegen so tut. Als er weg war, habe ich das Bild abgenommen.