Fußball-Bundesliga Leise zwitschern die Clubs

Facebook, Twitter & Co.: Soziale Netzwerke im Internet sind längst mehr als ein Trend. Bei den Clubs der Fußball-Bundesliga ist die Euphorie dagegen überschaubar. Dabei böten sie gerade für die Vereine große Chancen, ihre Marke zu stärken, wie das Magazin "SPONSORS" zeigt.
Von Benjamin Reister
Nachrichtendienst Twitter: Das Potential erkannt

Nachrichtendienst Twitter: Das Potential erkannt

Foto: ddp

Reiner Calmund ist nicht gerade ein Mann, der die Öffentlichkeit scheut. Neben diversen Auftritten in unterschiedlichen TV-Formaten verfügt der schwergewichtige Ex-Manager von Bayer Leverkusen auch über einen eigenen Twitter-Account. "Den ganzen Nachmittag Fußball geguckt, schnell Pizza und Pasta bei Da Carlo geholt und jetzt BVB-HSV", lässt "Calli" über sein einsehbares Tagebuch im Internet wissen. Den Menschen scheint es zu gefallen. Mittlerweile berichtet der 61-Jährige bereits an über 35.000 Leser, sogenannte "Follower". Tendenz steigend.

Der schwergewichtige Rheinländer hat das Prinzip und die Wirkung von sozialen Medien offenbar verstanden. Es geht darum, durch die Teilnahme in verschiedenen Internetanwendungen wie Twitter, Facebook oder StudiVZ eine nachhaltige Beziehung zur Zielgruppe aufzubauen. Bei richtiger Anwendung können Bekanntheit und Kundenanzahl gesteigert werden. Möglichkeiten, die sich auch ein Großteil deutscher Unternehmen nicht entgehen lassen will. Laut einer Studie der Fachhochschule Mainz sind inzwischen rund drei Viertel der Dax-30-Unternehmen bei Twitter aktiv.

Calmund kann im Umgang mit den neuen Medien nicht nur für die Unternehmen als Vorbild fungieren. Das Ausplaudern von Alltagsdingen und sein persönlicher und authentischer Dialog mit Followern sind laut Deutschem Institut für Marketing (DIM) für "Callis" große Anhängerschar verantwortlich. Damit ist er den meisten Bundesliga-Clubs einen Schritt voraus.

Abwarten ist die Devise der Bundesliga-Clubs

Nicht einmal in gesamter Ligastärke reichen die Clubs der Fußball-Bundesliga an Calmunds Follower-Zahl heran, wie eine DIM-Studie zeigt. Das mag daran liegen, dass der gesamte Themenkomplex Social Media bei vielen Bundesligisten noch stiefmütterlich behandelt wird. Statt mutig auf Innovation zu setzen, regierte bislang eher das Prinzip Abwarten.

"Wir verfolgen die Phänomene Twitter und Facebook grundsätzlich mit Interesse und sind gerade dabei, uns hier strategisch aufzustellen", erklärt beispielsweise Tino Polster, Mediendirektor von Werder Bremen. Auf den ersten Blick erscheint ein verstärktes Engagement seitens Bremens zunächst gar nicht erforderlich, schließlich wurde der Club von der Weser erst jüngst vom DIM zum deutschen "Twitter-Herbstmeister" gekürt. Eine Ehre, die jedoch nicht dem Club gebührt. Ähnlich wie bei anderen Bundesligisten werden die Accounts bei Facebook und Twitter nämlich bislang von Anhängern des Vereins geführt.

Existiert bereits ein offizieller Account des Vereins, wie etwa beim FSV Mainz 05, werden oft nur offizielle Pressemitteilungen über Twitter & Co. veröffentlicht. Von einem proaktiven Umgang mit sozialen Netzwerken kann in der Liga bislang kaum die Rede sein. Viele der Vereine erkennen zwar das Potential, es mangelt jedoch an den notwendigen Kapazitäten für eine professionelle Umsetzung.

Der Bereich Social Media umfasst mittlerweile so viele verschiedene Anwendungen, dass deren Gesamtheit nur sehr schwer zu überblicken ist. "Der Druck, sich in diesen Bereichen zu engagieren, entsteht durch Medien und Fans. Was soziale Netzwerke im Vergleich zu anderen Kanälen wert sind und wie sie optimal genutzt werden können, gilt es zu prüfen", so Werders Medienchef Polster. Der FC Bayern München ist da schon einen Schritt weiter.

Social Media das Projekt 2010 beim FC Bayern

Der Rekordmeister betreibt schon jetzt mit knapp 7000 Abonnenten den größten deutschsprachigen Channel beim kostenlosen Videoportal YouTube. Das soll jedoch nur der Anfang sein. "Social Media wird im Bereich Neue Medien unser großes Projekt für 2010", kündigt Stefan Mennerich an, Leiter Neue Medien beim FC Bayern München. Gespräche über Kooperationen mit wichtigen Betreibern wie Facebook, StudiVZ und Twitter seien bereits geführt worden.

Mennerich bezeichnet die sozialen Netzwerke als die "Fußgängerzone der Welt", in der auch der FC Bayern München ein Schaufenster haben möchte. Denn das Kontaktpotential an bestehenden und potentiellen Bayern-Fans scheint groß. "In den verschiedenen VZ-Netzwerken gibt es über 2000 FCB-Fangruppen, wobei in den fünf größten Gruppen allein 50.000 junge Leute aktiv sind. Das können wir nicht mehr ignorieren", sagt Mennerich.

Medienexperten versprechen deutliche Erfolge: "Durch den richtigen Umgang mit Usern in sozialen Netzwerken könnten Bundesligisten die Zugriffszahlen auf ihre Websites um ein Vielfaches steigern", ist sich der renommierte Kommunikationsberater und Experte für Social Media, Klaus Eck, sicher. Die steigenden Klickzahlen wiederum würden die eigene Plattform attraktiver für Werbekunden machen. Höhere Einnahmen wären die Folge, so die Gleichung.

Zudem können die User durch exklusiv veröffentlichte Informationen aus dem Verein auf einer eigenen Facebook-Seite abgeholt und durch einen Link direkt zu Ticketanbietern oder Fanshops weitergeleitet werden. Zusatzeffekt: Wirklich spannende Inhalte werden in den gut vernetzten Communitys weiterempfohlen und erreichen durch Multiplikatoreneffekte schnell noch größere Zielgruppen.

Mehr als eine Million Fans beim Facebook-Account des FC Liverpool

Welche Dimensionen möglich sind, zeigt das Beispiel FC Liverpool. Über eine Million Fans verzeichnet der offizielle Facebook-Account des britischen Traditionsclubs bereits. Auch hier nur einen Klick entfernt: der Online-Shop der "Reds". Aber: "Damit Social-Media-Initiativen profitabel sind, ist es vor allem wichtig, kommunikativ und nicht werblich vorzugehen", erklärt Fachmann Eck. Plumpe Werbebotschaften schrecken die Nutzer ab. Vielmehr komme es darauf an, die User in ihrer Individualität anzusprechen und ihnen einen Mehrwert aus der Verbindung zu garantieren. Dieser könnte beispielsweise in exklusiven Informationen oder einem Vorkaufsrecht für besonders beliebte Fanartikel liegen.

Doch ganz kostenlos sind die sozialen Netzwerke nicht - auch wenn die Anmeldungen überwiegend gratis sind. Denn eine Social-Media-Initiative erfordert bei entsprechendem Erfolg Personal. Grob gerechnet braucht ein Club zur Recherche und Pflege eines Kanals circa eine Stunde pro Tag. Bei einer Omnipräsenz des Vereins in den unterschiedlichen Netzwerken sind laut Experten acht Stunden Aufwand pro Tag realistisch. Zusätzliche Personalkosten: mindestens 42.000 Euro im Jahr.

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