Schiedsrichter nach Eklat um Hopp-Schmähungen
Sie sollen es richten
Beleidigungen, Diskriminierung, Rassismus: Schiedsrichter sind im Konflikt zwischen DFB und Ultras besonders gefordert. Sven Jablonski ist am Samstag auf Schalke im Einsatz. Er sieht die Verantwortung nicht bei sich allein.
Leitet die Partie Schalke gegen Hoffenheim: Sven Jablonski
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Cathrin Müller/ imago images
Sven Jablonski steht vor seinem 30. Spiel als Schiedsrichter in der Fußball-Bundesliga. Der DFB hat ihm die Leitung für die Partie des FC Schalke 04 gegen die TSG Hoffenheim (15.30 Uhr, TV: Sky, Liveticker: SPIEGEL.de) übertragen. Es ist das erste Spiel nach den Ereignissen in Sinsheim.
Schmähungen gegen Dietmar Hopp und den Deutschen Fußball-Bund waren am vergangenen Wochenende Auslöser für zahlreiche Spielunterbrechungen in der Bundesliga. Für den aktuellen Spieltag sind weitere Proteste angekündigt.
Der DFB hat mit dem sogenannten Drei-Stufen-Plan zwar definiert, wie künftig reagiert werden soll. Die Entscheidung aber liegt bei den Schiedsrichtern. Sie sollen zusätzlich zu ihrem ohnehin schon üppigen Aufgabenfeld nun auch Banner, Rufe und Gesänge wahrnehmen, sie beurteilen und allenfalls dagegen vorgehen.
"Weder suchen wir, noch warten wir auf besondere Vorkommnisse", sagte Jablonski dem SPIEGEL. Die Verantwortung sieht er nicht allein bei sich selbst: "Dazu gehören wir alle. Trainer, Spieler und Schiedsrichter."
Jablonski und sein Team entscheiden wann gespielt, unterbrochen oder abgebrochen wird. Keine einfache Anforderung. Von kreativem Protest bis hin zu einer weiteren Eskalation mit Spielabbrüchen scheint alles möglich. Bei Felix Brych in Leverkusen, ebenso bei Sascha Stegemann in Gladbach. Jablonski sagt: "Wir wünschen uns doch alle, dass das Stadion voll ist, die Stimmung gut ist und so wenig Unterbrechungen wie möglich vorkommen."
Treffen vor jedem Spiel sollen vorbereiten
In kürzester Zeit, und mitten in der laufenden Saison, müssen sich die Schiedsrichter auf neue Begebenheiten einstellen. Der DFB versucht, sie vorzubereiten. So treffen sich die Unparteiischen zweieinhalb Stunden vor einem Bundesligaspiel mit dem Veranstaltungsleiter und den beiden Klubs. Auch mit den Sicherheitskräften sollen sie sich beraten.
"Sie sprechen mögliche Szenarien durch, was passieren könnte", sagt Lutz Fröhlich im Gespräch mit dem SPIEGEL. Der Sportliche Leiter der Elite-Schiedsrichter habe am Freitag noch mal mit allen angesetzten Schiedsrichtern persönlich gesprochen. Man möchte es nun besser machen. Der DFB zeigte sich zuletzt selbstkritisch. Auf der Homepage ist zu lesen, es seien "Unsicherheiten durch unklare Kommunikation entstanden." Zu sensibel wurde in manchen Stadien auf die Proteste reagiert. Die Voraussetzungen für ein Eingreifen durch den Schiedsrichter kamen auf den Prüfstand.
"Wenn Transparente mit einem Fadenkreuz wahrgenommen werden, sollen die Schiedsrichter reagieren", sagt Fröhlich. Bei beleidigender oder grob unsportlicher Kritik soll es nicht zu einer Unterbrechung kommen. Dann gebe es noch immer "die Möglichkeit der Sportgerichtsbarkeit".
Darüber, dass es für den Schiedsrichter schwer ist, beurteilen zu müssen, ob eine Botschaft noch akzeptabel oder schon diskriminierend ist, herrscht inzwischen Einigkeit.Der DFB möchte die Schiedsrichter in diesen Zeiten nicht überfordern. Doch es ist zu hören, dass es auch Verunsicherung gibt, insbesondere bei den jüngeren Kollegen. Bei Uefa- und Fifa-Spielen ist es daher längst üblich, dass ein sogenannter Matchbeobachter den Schiedsrichtern auf dem Platz den Rücken freihält, indem er die Tribünen im Auge behält. In der Bundesliga gibt es diese Hilfestellung noch nicht.
Schiedsrichter sind es gewohnt, im Mittelpunkt zu stehen. Nach der Einführung von Videobeweis, Handspielregel und den erst kürzlich verschärften Sanktionen bei Unsportlichkeiten, finden sie sich nun im Zentrum einer gesellschaftspolitisch geführten Debatte über Schmähungen, Kollektivstrafen und Rassismus wieder. "Die Befürchtung, dass diese Themen bei den Schiedsrichtern abgeladen werden, waren bei einigen von ihnen schon spürbar", sagt Fröhlich.
Einstündige Schulung zu Rassismus im Stadion
In einem einstündigen Vortrag wurden die Schiedsrichter kürzlich zudem über das korrekte Verhalten bei rassistischen Ausfällen aufgeklärt. Vorfälle gab es bereits. Jordan Torunarigha wurde beim DFB-Pokalspiel zwischen Schalke 04 und Hertha BSC von Zuschauern beleidigt, geriet anschließend mit Schalke-Trainer David Wagner aneinander. Schiedsrichter Harm Osmer zeigte Torunarigha Gelb-Rot, wofür er öffentlich kritisiert wurde. Die rassistischen Äußerungen habe keiner der Offiziellen mitbekommen, hieß es. Vor zwei Wochen wurde der Würzburger Leroy Kwadwo von einem Zuschauer mit Affenlauten rassistisch beleidigt. Schiedsrichterin Katrin Rafalski bekam das mit und versuchte den Spieler zu beruhigen. Auch das gehört neuerdings zum Aufgabengebiet. Ihr Verhalten wurde gelobt.