Jan Göbel

Deutschland und seine Torhüter Achtung, hier entsteht die Krise von übermorgen

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Ein Einwurf von Jan Göbel
FC Bayern gegen BVB – und zwischen den Pfosten des Spitzenduells stehen zwei Schweizer Torhüter. Auch andere Topklubs setzen auf ausländische Kräfte im Tor. Wo sind die deutschen Torwarttalente? Unser Autor sorgt sich.
Manuel Neuer, 37, ist eine deutsche Torhüterikone. Doch was kommt nach ihm?

Manuel Neuer, 37, ist eine deutsche Torhüterikone. Doch was kommt nach ihm?

Foto: Petr Josek / AP

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Deutschland ist ein Land der Torhüter. Diesen Satz konnte man jahrelang sagen, und erntete allenthalben zustimmendes Nicken.

Toni Turek. Sepp Maier. Oliver Kahn. Manuel Neuer. Und dahinter unzählige weitere Torwarttalente. Kahn hat sogar mal Übungen über eine digitale Schule namens »Goalplay« in die Welt verkauft; unklar allerdings, ob er damit Erfolg hatte.

So oder so: Über Generationen waren Schlussmänner aus Deutschland ein Qualitätsmerkmal: Torhüter »made in Germany«.

Am Abend (18.30 Uhr, TV: Sky) treffen die beiden besten deutschen Mannschaften in der Fußball-Bundesliga aufeinander, Bayern München gegen Borussia Dortmund. Vor gar nicht so langer Zeit hieß es auch mal Kahn gegen Jens Lehmann, Kampf der Titanen, Kampf ums DFB-Tor. Jeder hatte hierzu eine Meinung.

Heute heißt das Torhüterduell Yann Sommer gegen Gregor Kobel, und der geneigte Fußballfan steht beiden komplett neutral gegenüber. Beide sind Schweizer.

Klar, hätte sich Neuer in der Winterpause nicht Ski angeschnallt, hätte er sich nicht das Wadenbein gebrochen, dann würde er zwischen den Pfosten der Münchner stehen. Aber so ist es nun mal nicht. Und das ist auch nebensächlich.

Das Spitzenspiel ohne deutsche Torhüterbeteiligung ist nur die Spitze des Eisbergs, ein Symptom der Krise, die sich bald zuspitzen wird. Beim Tabellendritten Union Berlin hält ein Däne die Bälle, beim Tabellenvierten Freiburg ein Niederländer, der Tabellenfünfte aus Leipzig vertraut auf die Dienste eines Ungarn, der aktuell allerdings verletzt ist.

Das hat Folgen für den Bundestrainer. Marc-André ter Stegen wartet mit seinen 30 Jahren zwar noch immer auf seine erste WM oder EM im Trikot der DFB-Auswahl. Beim FC Barcelona zeigt er aber, dass er die Nachfolge von Manuel Neuer, 37, problemlos antreten kann. Bei der Heim-EM im kommenden Jahr dürften die Torhüter noch nicht zum Problem werden. Doch was kommt danach? Die beiden Vertreter, Kevin Trapp, 32, und Bernd Leno, 31, gehören ebenfalls zur Ü30-Fraktion.

In der Bundesliga gibt es acht deutsche Stammtorhüter, die zumindest dann spielen, wenn sie fit sind. Ihr Durchschnittsalter liegt bei 31,5 Jahren, der jüngste ist 27 Jahre alt (Marvin Schwäbe, Köln). Keiner aus diesem Kreis kommt für die Nachfolge Neuer/ter Stegen im DFB-Tor infrage.

Ralf Fährmann, 34 Jahre, ist einer der wenigen verbliebenen deutschen Keeper der Bundesliga

Ralf Fährmann, 34 Jahre, ist einer der wenigen verbliebenen deutschen Keeper der Bundesliga

Foto: IMAGO/Dennis Ewert/RHR-FOTO / IMAGO/RHR-Foto

Der deutsche Fußball sorgt sich oft über das Aussterben des Strafraumstürmers und der Straßenkicker, aber in der Bundesliga muss man schon mit der Lupe suchen, um das nächste deutsche Torwarttalent zu entdecken. Der 25-Jährige und hoch eingeschätzte Florian Müller ist beim VfB Stuttgart nur noch Ersatzspieler. Lennart Grill hat keine Einsatzchance bei Union. Bei Hertha BSC kommt niemand an dem durchschnittlichen Dänen Oliver Christensen vorbei, der die schlechteste Abwehrquote der Liga hat. Findet sich niemand Besseres? Offenbar.

Ein anderes Torhütertalent hätte sich beinahe mit einer gefühlt ewigen Reservistenrolle hinter Manuel Neuer zufriedengegeben: Alexander Nübel, auch schon 26. Er spielt nun in Monaco und befindet sich dort etwas außerhalb des Blickfelds.

Wo sind die Maßnahmen?

Noah Atubolu, Nico Mantl und Jonas Urbig – schon mal diese Namen gehört? Das sind die Torhüter der aktuellen U21-Nationalmannschaft, der Generation von morgen. Sie spielen bei Freiburg II, Aalborg und Jahn Regensburg, die Bundesliga kennen sie bisher nur aus dem Fernsehen. Vor genau zehn Jahren, das ist nur ein zufällig gewähltes Datum, hießen die drei Torhüter der U21 Oliver Baumann, Bernd Leno und Kevin Trapp. Und alle drei waren damals, in der Saison 2013/2014, bereits Stammkeeper in der Bundesliga.

Wer Stammkeeper der U21 war, der war auch einer in der Bundesliga, das war über Jahre der Standard.

Mit dem Status quo kann der DFB nicht zufrieden sein. Was könnte man tun, um die nächsten Kahns und Neuers auszubilden? Abgesehen von dem jüngst eingeführten Anreiz, als Kapitän der deutschen Nationalmannschaft wieder die schwarz-rot-goldene Binde tragen zu dürfen.

Der deutsche Fußball hat sich nach dem erneuten frühen WM-Aus einen Neuanfang auf die Fahnen geschrieben. Dafür hat er jetzt Rudi Völler als »Aggressive Leader« für unangenehme Themen. Und von den Spielern will man wieder mehr Einsatz sehen, Mentalität. Einsatz, Wille, Glaube.

Das alles klingt nach Fußball-Steinzeit. Aber manches war früher wirklich besser im deutschen Fußball. Zum Beispiel die große Auswahl junger Torhüter. Hier bahnt sich die nächste Krise an.

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