Uefa berät über Coronakrise Problemfall Fußball-EM

Am Dienstag will die Uefa über die Zukunft der Fußball-EM entscheiden. Alles spricht für eine Verlegung - nicht nur wegen der Unwägbarkeiten der Coronakrise. Zu groß ist der Druck der einflussreichen Ligen.
In diesem Jahr wird wohl niemand den Pokal in die Höhe stemmen

In diesem Jahr wird wohl niemand den Pokal in die Höhe stemmen

Foto: Sven Hoppe/ picture alliance / Sven Hoppe/dpa

Wann und wie fällt die Entscheidung über die Fußball-EM?

Die Europäische Fußballunion Uefa hat für Dienstag zu einer Krisensitzung über die Konsequenzen aus der Coronakrise für den europäischen Fußball gerufen - unter den gegenwärtigen Umständen per Telefon- und Videokonferenz, anders als die Deutsche Fußball Liga DFL, die die Corona-Folgen am Montag noch bei einem persönlichen Meeting der Entscheidungsträger diskutierte. Zugeschaltet sind die 55 Mitgliedsverbände, sowie Vertreter der Europäischen Klubvereinigung ECA, in dem Europas Topvereine zusammengeschlossen sind. Auch die Spielergewerkschaft Fifpro wird zugegen sein, um die Interessen der Profis zu vertreten.

Dabei wird nicht nur die Perspektive des EM-Turniers erörtert, es geht auch darum, ob und wie die europäischen Klubwettbewerbe, also die Champions League und die Europa League, zu Ende gespielt werden. Die Champions League ist mitten in den Rückspielen des Achtelfinals unterbrochen worden, die Europa League hatte am vergangenen Donnerstag noch Partien des Achtelfinals absolviert, meistens ohne Publikum. Das Spiel zwischen Glasgow Rangers und Bayer Leverkusen war dagegen noch mit Zuschauern gespielt worden.

Welche Szenarien werden diskutiert?

Die Europameisterschaft ist offiziell immer noch vom 12. Juni bis 12. Juli dieses Jahres terminiert. Zudem stehen noch nicht einmal alle Teilnehmer fest, die noch offenen Plätze für die EM-Teams sollen an sich durch Playoff-Spiele Ende März gefüllt werden. Dennoch wird seit Auftreten der Corona-Pandemie in Europa über Alternativen diskutiert.

So wird vor allem die Variante besprochen, das Turnier um ein Jahr zu verschieben. Es würde dann im Sommer 2021 stattfinden. Mit dem Problem, dass der Fußball-Weltverband Fifa im kommenden Sommer eigentlich die Premiere seiner aufgeblähten Klub-WM feiern will.

Der "Daily Telegraph" meldete am Sonntag, es gebe auch die Überlegung, das Turnier mit lediglich einem halben Jahr Verzögerung auf den Dezember dieses Jahres zu verlegen. Die EM wäre dann ein Testlauf für die kommende Weltmeisterschaft in Katar 2022, die aus klimatischen Gründen ebenfalls kurz vor Weihnachten terminiert ist.

Am Montag hatte sich zudem noch Russland, der WM-Ausrichter von 2018, als möglicher EM-Veranstalter angeboten. "Natürlich sind wir bereit", sagte der Chef des WM-Organisationskomitees Alexander Sorokin. In Russland wird der Ligabetrieb derzeit noch regulär aufrechterhalten.

Die Option, das Turnier vollständig abzusagen und auf einen Europameister 2020 gänzlich zu verzichten, ist dagegen eher theoretischer Natur und bisher nicht ernthaft erwogen worden.

Was sagt die Bundesliga?

Die Stimmen aus der Liga sind einhellig: Die EM muss verschoben werden - um dem Ligabetrieb die Chance zu erhalten, seine Saison eventuell im Sommer doch noch zu Ende zu spielen. In diese Richtung äußerten sich unter anderem der Vorsitzende der Geschäftsführung von Bayer Leverkusen, Fernando Carro: "Es ist die beste Lösung, im Sommer die nationalen Wettbewerbe zu Ende zu spielen", sagte er. Ähnlich äußerte sich auch Bayer-Sportdirektor Rudi Völler: "Das Wichtigste ist die nationale Liga", sagte er im Sport1-Doppelpass: "Alles Andere steht hintenan."

Der frühere DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig nennt die Liga "den Brot- und Butterbetrieb" der Vereine. Er müsse unbedingt Vorrang genießen: "Die EM muss gekippt werden, verschoben werden, was auch immer."

Wie wird die Entscheidung ausfallen?

Alles spricht für eine Verlegung des Turniers in den Sommer des nächsten Jahres. Ein Durchspielen in diesem Sommer gilt mittlerweile als ausgeschlossen, die europäischen Ligen machen zu sehr Druck, ein Festhalten am ursprünglichen Zeitplan wäre der Öffentlichkeit nicht vermittelbar und genauso wenig zu verantworten - zumal die EM in zwölf europäischen Ländern stattfindet in einer Zeit, in der ein Land nach dem anderen die Grenzen schließt. Uefa und Fifa werden sich also zusammensetzen, um eine Koordinierung von EM und Klub-WM für 2021 hinzubekommen. Ein Deal, bei dem die Fifa Entgegenkommen von der Uefa beim Thema Klub-WM verlangen könnte - ein Wettbewerb, der von vielen Topvereinen derzeit noch eher skeptisch betrachtet wird.

Eine Verlegung auf den Dezember würde den Terminplan der Ligen zu sehr durcheinander wirbeln, daher gilt diese Lösung als unwahrscheinlich. Und Russland als Ersatz-Veranstalter? Das ist den Fußballverbänden zwar zuzutrauen, ist aber unrealistisch. Was passiert, wenn Corona sich auch in Russland epidemisch ausbreitet - falls das nicht schon passiert ist.

Eine komplette Absage ist allein angesichts der lukrativen Verträge, die die Uefa mit den TV-Sendern abgeschlossen hat, so gut wie ausgeschlossen.

Eine Lösung für die Champions und Europa League ist offener als bei der EM: So sollen Modelle im Raum stehen, nachdem die Halbfinalisten in ein Final-Four-Turnier im Sommer einziehen würden und dann dort ihre Gewinner ermitteln. Darauf werden vor allem die Vereine drängen, die jetzt noch vertreten sind. Aber hier ist auch eine Absage des Wettbewerbs denkbar.

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