
Verlegung der Fußball-EM Auf diesem Turnier liegt kein Segen


Die EM 2020 findet erst einmal nicht statt. Auf Wiedervorlage
Foto: Christian Charisius/ picture alliance/dpaWenn man ganz idealistisch denkt, dann durfte man dieser Fußball-Europameisterschaft sogar hehre Motive andichten: Ganz Europa richtet ein Turnier aus, Grenzen sind nicht so wichtig, Fußball wird in Rom genauso bejubelt wie in Glasgow und Amsterdam. So hätte es zumindest die Uefa gern dargestellt gesehen. Aber wenn man den Schleier des Idealismus entfernt und stattdessen ehrlich ist: Dieser EM, die jetzt vollständig berechtigt wegen der Coronakrise verlegt wird, hing schon von vornherein wenig Gutes an.
Es war weniger Idealismus, sondern vor allem klassisches Uefa-Kalkül, das die Idee dieser Europa-Reise-EM gebar. Das Turnier ist durch die Aufstockung auf nunmehr 24 Teilnehmer mittlerweile so groß geworden, dass es kaum noch nationale Verbände gibt, die in der Lage wären, diese Veranstaltung allein zu stemmen. Der DFB als Dickschiff der europäischen Verbände kann so etwas noch und hat auch daher für 2024 den Zuschlag bekommen. England, Spanien, Frankreich könnten es auch, aber andere Länder sind damit logistisch inzwischen überfordert. Dass die Stadien in den europäischen Fußballmetropolen zudem schon zur Verfügung standen, war ein angenehmer Nebeneffekt für die Uefa.
Aber schon mit der Auswahl der Ausrichter hat sich der Verband keinen Gefallen getan. Aserbaidschan und Baku als Veranstalter mit Spielen zu bedenken, einem Land mit kritischer Menschenrechtslage, einem Land mit massiv eingeschränkter Meinungsfreiheit zeigte schon, dass es mit den hehren Werten nicht besonders weit her war. Zuschauer in vier Wochen durch zwölf Länder zu schicken, wäre zudem nicht sonderlich nachhaltig gewesen, die meisten EM-Touristen wären sich zwischen Madrid und London in der Luft begegnet.
Coronakrise erst fahrlässig begleitet
Der merkwürdige Modus, erzwungen durch die neu erfundene Nations League, sorgte zusätzlich dafür, dass Teilnehmer drei Monate vor Turnierbeginn noch nicht wissen, dass und ob sie dabei sind. All das hat die Vorfreude ohnehin schon getrübt. Aber all das wird dann im nächsten Jahr auf Wiedervorlage kommen.
Die Uefa hat die Coronakrise wochenlang eher fahrlässig begleitet, noch vor wenigen Tagen war nichts von Absageplänen zu hören, da wurden von Uefa-Boss Aleksander Ceferin noch Durchhalteparolen verbreitet. Erst als der öffentliche Druck aus Ligen und Politik zu groß wurde, dachte man in Nyon um.
Dass die Uefa jetzt gehandelt hat, hat sie immerhin dem offensichtlich noch schwerfälligeren Tanker IOC voraus. Die Olympischen Spiele von Tokio sollen immer noch durchgeführt werden. IOC-Chef Thomas Bach hat in einem Tagesthemen-Interview in der Vorwoche beinahe trotzig den Fortbestand der Olympia-Vorbereitungen bekräftigt, kein Wort darüber, dass rings um ihn her die annähernd gesamte Sportwelt auf die Bremsen tritt. Bach schwadronierte vielmehr über Probleme bei den Qualifikationswettbewerben, es war ein einziges Zeugnis der Ignoranz von Realität.
Die Uefa hat spät erkannt, was zu tun ist, aber sie hat es - anders als das IOC - zumindest erkannt. Ein vierwöchiges Turnier als Veranstaltung ohne Zuschauer gnadenlos durchzuziehen, das hat sie dann doch nicht gewagt – man hätte es ihr zugetraut, aber so unvernünftig ist dann auch die Uefa nicht.
Die EM wird erst einmal verschoben, das ist gut so. Es war die einzig sinnvolle Entscheidung. Die Kritik an ihr wird aber auch 2021 dieselbe sein müssen.