DER SPIEGEL

Fußball EM-Endspiel Spiel verloren, aber Herzen gewonnen

Deutschlands Frauen haben mit ihrem Spiel während der EM das Publikum mitgerissen – trotz des verlorenen Finales. Die Aufmerksamkeit soll nun genutzt und in den Bundesligaalltag mitgenommen werden. Olaf Scholz will dabei helfen.
Von Jan Göbel und Eckhard Klein (Video)

Spiel verloren - viele Sympathien gewonnen

Martina Voss-Tecklenburg Bundestrainerin
»England ist ein Europameister, dem man absolut gratulieren muss. Wer im eigenen Land so auftritt, so spielt, auch die Herzen gewinnt, auch die Unterstützung hat, der ist dann auch am Ende, wenn er zwei Tore gegen Deutschland schießt, verdienter Europameister. Deshalb erstmal Gratulation vor allem auch an die englische Mannschaft. «

Und die hatte auch nach 120 Minuten noch genügend Power, die PK ihrer Trainerin zu stürmen. Football is coming home. 56 Jahre nach dem WM-Titel der Männer gegen Deutschland sind die englischen Frauen jetzt also Europameister. Nach einem faszinierenden Finale, dass eigentlich keinen Verlierer verdient hatte. Es war ein berauschendes Fußballfest – vor 87.000 Zuschauern.

Jan Göbel Redakteur DER SPIEGEL
»Es waren viele Familien da, viele Kinder. In der Tube habe ich eine Familie beobachtet. Da standen die Kinder auf den Sitzen und haben von weiter weg das Wembleystadion gesehen, wie das immer größer wurde. Die haben sich riesig gefreut. Das war eine wirklich schöne Szene, dass Kinder eine solche Freude an so einem Finale haben können. Diese Freude hat man in so viel Energie auch gespürt. Die ganzen 120 Minuten, da wollte keiner nach Hause gehen und auch lange nach Abpfiff waren noch so viele da.«

Martina Voss-Tecklenburg, Bundestrainerin
»Ich bin einerseits total stolz, weil wir alles, alles was wir hatten, auf dem Platz gelassen haben. Alles. Es hat nicht alles funktioniert, aber wir haben alles an Herz, an Schweiß, an Leidenschaft, an Kampf, an Energie heute auf diesem Platz gelassen. Dann ist es natürlich traurig. Dann findest du auch nicht so viele Worte, der Mannschaft, die es absolut verdient hat, ein bisschen Trost zu spenden. «

Offen, ehrlich und sympathisch. So wie man Martina Voss-Tecklenburg während des ganzen Turniers kennengelernt hat. Bei aller Enttäuschung: Deutschland hat ein faszinierendes EM-Finale verloren, aber viele Herzen und Sympathien gewonnen.

Jan Göbel Redakteur DER SPIEGEL »Im Finale gab es auch Applaus am Ende für die deutsche Mannschaft von den englischen Fans. Es waren viele Deutsche im Stadion, die die Reise auf sich genommen haben. (BLITZ) Sie haben gezeigt, was Fußball ausmacht. Und auch das miteinander arbeiten, das Füreinander da sein. Das glaube ich, das hat vielen Menschen imponiert.

Kurz vor dem Spiel musste die deutsche Mannschaft erstmal einen Schock verdauen: Torjägerin Alexandra Popp konnte wegen muskulärer Probleme nicht spielen.

Martina Voss-Tecklenburg Bundestrainerin »Als sie dann im Aufwärmen gesagt hat, ich spüre was, es geht nicht. Ich kann nicht richtig schießen und wahrscheinlich dann auch nicht richtig laufen, dann gebührt ihr der allergrößte Respekt, ein Finale nach so einem Turnier, nach so einer Geschichte, speziell mit dieser Geschichte zu sagen, ich spiele nicht, das zeigt große Persönlichkeiten aus. Und da gehört sie zu. «

Dieses EM-Ende schmerzt. Aber die Finalniederlage könnte der Startschuss in eine hoffnungsfrohe Ära sein.

Martina Voss-Tecklenburg Bundestrainerin »Wenn ich eins weiß, dann ist das auch ein Spiel, was uns natürlich für die Zukunft enorm helfen wird. Weiterhin zu sagen, wir wollen um Titel spielen, wir wollen auch Titel gewinnen.«

Nun gilt es, die Begeisterung für den Fußball der Frauen während EM mitzunehmen in den Bundesligaalltag. Gefragt ist dabei auch die Politik. Kanzler Olaf Scholz hat der Mannschaft in London noch in der Kabine gratuliert.

Martina Voss-Tecklenburg Bundestrainerin »Wir haben uns auch versprochen, dass wir das jetzt einfach forcieren wollen. Dass wir wirklich Projekte anschieben wollen, die dazu führen, dass wir in Deutschland nicht stagnieren, dass wir weiter nach vorne marschieren, dass wir Mädchen gewinnen für die Vereine, für die Breite, dass wir Talentgerechtigkeit bekommen. Und Olaf Scholz hat mir versprochen, dass wir uns treffen werden für die Zukunft, um die Themen anzugehen und Zeit miteinander zu verbringen. Und der feste Wille da ist, jetzt Nachhaltigkeit aus diesem Turnier mitzunehmen.«

Jan Göbel Redakteur DER SPIEGEL »Wir haben schon nächstes Jahr die WM in Australien. Also es geht schon in einem Jahr mit einem großen Turnier weiter. Der Hype, der jetzt wirklich entstanden ist, man hat ihn in England überall gesehen, in Zeitungen, in Pubs, im Stadion, den sollte man versuchen, bis zur nächsten WM mitzutragen. Das ist ganz wichtig, dass diese Aufmerksamkeit auch dafür genutzt wird, eben diese positiven Effekte neben dem Platz weiterzuverfolgen. «

Wenn dieses Turnier eines gezeigt hat, wenn die deutsche Mannschaft eines bewirkt hat, dann, dass der Fußball der Frauen mehr Anerkennung und Aufmerksamkeit verdient.

Martina Voss-Tecklenburg Bundestrainerin »Wir haben ein Statement gesetzt. Damit werden wir uns nicht zufriedengeben, wir werden hartnäckig bleiben.«

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten