Fußball-Manipulationsprozess Weltspieler auf dem Wettmarkt

Ante Sapina hat im Prozess um verschobene Fußballspiele ein Geständnis abgelegt. Die Aussagen des Hauptangeklagten zeigen, wie perfide das System der Betrüger war. Manipuliert wurde vor allem im Ausland. Sogar ein Trainingslager wurde organisiert, um im großen Stil abzukassieren.
Angeklagter Sapina: In Bochum auf der Anklagebank

Angeklagter Sapina: In Bochum auf der Anklagebank

Foto: Roberto Pfeil/ dpa

Hamburg - Ante Sapina roch sofort das schnelle Geld. Er musste nicht lange über das gerade Gehörte nachdenken. Der 35-Jährige will den Vertretern des englisch-chinesischen Wettvermittlers Samvo die Hand gereicht und sich auf der sicheren Seite gewähnt haben. In der Lobby eines Berliner Luxushotels sitzend, kurz vor dem Start der Weltmeisterschaft 2006, begab sich der Kroate zurück in die Untiefen der Spielmanipulation. Nach seiner Verurteilung im Skandal um den DFB-Schiedsrichter Robert Hoyzer ein Jahr zuvor, sollte ihn diesmal ein simples System vor der Justiz schützen.

Am Donnerstag sprach der Wiederholungstäter Sapina darüber ausführlich vor der 13. Großen Strafkammer des Bochumer Landgerichts. Viereinhalb Stunden lang ließ sich der seit 17 Monaten in Untersuchungshaft sitzende Sapina über Wettsysteme, Manipulationen und Gewinnmöglichkeiten aus. Lässig, in einen weiß-grauen Pullover und Jeans gekleidet, saß er auf der Anklagebank und beantwortete die Fragen des Richters Wolfgang Mittrup. Fragen über ein Themengebiet, das tausende Kilometer von Bochum entfernt ist: den asiatischen Wettmarkt. Der jetzige Prozess zeigt, dass Sapina in den vergangenen Jahren zu einem Weltspieler auf dem Wettmarkt wurde.

Als er das Luxushotel am Kurfürstendamm wenige Tage vor dem WM-Spiel zwischen Brasilien und Kroatien betrat, war ihm nicht gänzlich klar, was ihn erwartete. Über einen Mittelsmann bekam er den Auftrag, hochrangige Wettannehmer und -vermittler in der Hotellobby zu treffen. Sapina konnte nicht widerstehen.

Premier League und Bundesliga besonders interessant

Er traf auf eine Delegation der namhaftesten Wettbetreiber der Szene. Schweizer, Österreicher und Engländer. "Sie sagten, sie seien in der Lage, hohe Einsätze zu hohen Quoten zu spielen", sagt Sapina. Da eine solche Offerte - das merkte der Wettprofi sofort - in Europa aufgrund der Einsatzlimits europäischer Wettanbieter nicht möglich ist, musste es sich um das Wetten in Asien handeln. Wobei man einschränken muss: um das Wetten ging es bei diesem Angebot nur im weitesten Sinne.

Denn für die Möglichkeit, in Asien zu zocken, so Sapina, verlangten seine Gesprächspartner eine Gegenleistung. Der aktenkundige Wettvermittler Samvo Entertainment Limited in Person des Europachefs soll gefragt haben, "welche Ligen ich präferieren würde. Damit meinte er, aus welchen Ligen ich ihm Kenntnisse über manipulierte Spiele liefern könnte." Insbesondere die englische Premier League und die Bundesliga schienen nach Aussage von Sapina für Samvo interessant. "Ich sagte, dass das sehr schwierig sei, dort jemanden zu gewinnen. Und wenn es gelänge, wäre es zu teuer", sagt Sapina.

Samvo erklärt nun über ein Münchner Anwaltsbüro, dass das Unternehmen einen solchen Handel nicht gemacht habe. Ein Treffen mit dem Europachef von Samvo habe es nie gegeben. Sapina sei nur Kunde des Wettvermittlers Samvo Pacific Enterprises gewesen, bei der Samvo Entertainment Limited handele es sich um einen Buchmacher. Informationen über geschoben Spiele "für die Möglichkeit in Asien zu zocken", habe das Londoner Unternehmen vom Berliner Wettkönig demnach nicht eingefordert.

Für den heutigen Tag ist das jedoch unerheblich. Denn heute ist Sapinas Tag und seine Version steht im Vordergrund. Während er seine Worte im Stile eines Maschinengewehres vorträgt, verzieht Richter Mittrup keine Miene. Und auch Staatsanwalt Andreas Bachmann blickt völlig entspannt in den Zuschauerraum. Denn das, was Sapina nun erzählt, ist für das Bochumer Landgericht ein Sieg. Es ist ein umfangreiches Geständnis.

"Ein echtes Fünf-Sterne-Spiel"

"Ich machte ihm einen Gegenvorschlag: Deutschland Zweite Liga, Schweden, Finnland, Norwegen Erste Liga oder Österreich und Schweiz", sagt Sapina. Samvo hingegen will von einem solchen Angebot niemals etwas erfahren haben. Sapina, der auch über ein Trainingslager des bosnischen Clubs NK Travnik in der Schweiz berichtet, das organisiert und finanziert wurde, um hohe Wettgewinne mit manipulierten Spielen zu erzielen, gibt bis zum Ende des Prozesstages insgesamt zwölf verschobene Begegnungen in diversen europäischen Ländern zu. Insgesamt werden ihm 43 manipulierte Partien vorgehalten.

Noch interessanter als die Geständnisse erscheinen Sapinas Zwischentöne. Durch seine behauptete Offerte, Samvo manipulierte Spiele zu nennen und gleichzeitig selbst auf diese zu setzen, eröffnet sich ein System, dessen Ende nicht klar zu benennen ist. Der Inhalt der Prozessakten legt zumindest nahe, dass damals ein Mitarbeiter von Samvo Sapinas Tipps schlicht mit noch höheren Einsätzen nachspielte. Wenn der aktuell inhaftierte Kroate beispielsweise die halbe Mannschaft des bosnischen Erstligaclubs NK Travnik hat schmieren lassen, will er Samvo gemeldet haben, dass er "ein echtes Fünf-Sterne-Spiel" hatte. Absprachegemäß sollen Sapinas fünf Sterne ein todsicherer Tipp gewesen sein. Während der 35-Jährige auf das Spiel 80.000 Euro setzte, sollen die Samvo-Vertreter mit eigenen 150.000 Euro gezockt haben. Samvo jedoch bestreitet, ein solches Sterne-System mit dem Berliner Wettkönig geschlossen zu haben. Die formulierten Vorwürfe gegen den Londoner Buchmacher werden von deren Münchner Rechtsanwälten bestritten und vollständig zurückgewiesen. Bis 2009 habe bei Samvo niemand Kenntnis von der Tatsache gehabt, dass Sapina Kenntnis von manipulierten Spielen hatte

Falls Sapinas Version jedoch stimmen sollte, wäre sie mehr als Perfide: Denn dann würde Samvo die asiatischen Buchmacher mit potenten europäischen Zockern beliefern und verdiene in erster Linie über hohe Wettumsätze und nicht über Wettausschüttungen. In diesem Falle hätte Samvo jedoch seine eigenen Eigentümer getäuscht. Warum trennten sich die Asiaten dann aber nicht von dem Unternehmen? Warum zahlten sie das Geld weiter aus? Eine Vermutung liegt nahe: "Wir dürfen nicht so naiv sein und glauben, der illegale Wettmarkt habe nichts mit Geldwäsche zu tun", sagte der Geschäftsführer der Deutschen Fußball Bundesliga, Christian Seifert, unlängst auf einem Fifa-Kongress. Laut Samvos Anwälte seien diese Vorwürfe in Bezug auf Samvos "völlig haltlos", sie sehen zumindest für den eigenen Mandanten diesbezüglich "keinerlei Anhaltspunkte."

Das jedoch ist nicht Sapinas Welt. Denn statt über Wirtschaftskriminalität oder internationale Korruption zu sinnieren, redete der gegenwärtig in Dortmund Inhaftierte nur noch über Value, Über-Tore-Wetten oder Asia-Handicap. So klingt die Fachsprache der Zocker. "Vielleicht können sie, sobald sie aus dem Gefängnis kommen, an einem Lehrstuhl für Wetten referieren", sagt Mittrup. In den Worten klang ein wenig Anerkennung für so ein tiefes Wettverständnis. Aber zur Aufklärung von möglichen verdeckten Geldflüssen oder den Hintermännern des globalen Wettmarkts werden Sapinas Aussagen nicht taugen. Die Hintermänner, mit denen er gearbeitet hat, sind allesamt von der Bildfläche verschwunden.

Im Gegensatz zur ursprünglichen Version liegt SPIEGEL ONLINE seit Anfang Mai eine anwaltliche Stellungnahme von Samvo vor, die in der aktuellen Version des Beitrags berücksichtigt worden ist.
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