Einsatzkräfte beim Fußball Polizeigewerkschaft stemmt sich gegen Pläne des NRW-Innenministers

In Nordrhein-Westfalen soll die Polizei künftig mit weniger Beamten zu Fußballspielen ausrücken. So will es Innenminister Jäger. Doch die Gewerkschaft der Polizei läuft Sturm gegen die Absichten des SPD-Politikers.
Polizei beim Revierderby in Dortmund: Gewerkschaft gegen Pläne des Ministers

Polizei beim Revierderby in Dortmund: Gewerkschaft gegen Pläne des Ministers

Foto: DPA

Die Pläne des nordrhein-westfälischen Innenministeriums, die Zahl der bei Fußballspielen eingesetzten Polizisten zu reduzieren, stößt auf massive Kritik. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) stemmt sich vehement gegen die neue Strategie, die mehr Verantwortung für Fußballfans und weniger Beamte im Stadion vorsieht. "Wer an die Selbstheilungskräfte der Szene glaubt, glaubt auch an den Weihnachtsmann", sagte der GdP-Landesvorsitzende Arnold Plickert SPIEGEL ONLINE.

In einem mehrwöchigen Feldversuch hatte die NRW-Polizei auf Geheiß von Minister Ralf Jäger (SPD) erprobt, Begegnungen der ersten drei Fußball-Bundesligen mit weniger Einsatzkräften zu sichern. Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE setzten die Polizeiführer bei 25 von insgesamt 56 Begegnungen im Schnitt 20 Prozent weniger Beamte ein als sonst. Einzelne Spiele kamen sogar mit der Hälfte des ursprünglich veranschlagten Personals aus. Das Innenministerium wertet das Projekt insgesamt als Erfolg und will es fortsetzen.

Die GdP misstraut dieser Darstellung jedoch und wehrt sich gegen einen grundsätzlichen Strategiewechsel. "Wir haben in den vergangenen vier Wochen eine eigenen Statistik geführt", so Landeschef Plickert. Die Aufstellung zeige deutlich, dass es zu "schlimmen Ausschreitungen" gekommen sei und sich nichts an der Gewaltbereitschaft der Szene geändert habe:

  • Demnach randalierten beim Spiel Borussia Dortmund II gegen Jahn Regensburg Rowdys im Gästeblock. Sie warfen Fahnenstangen auf das Spielfeld und überstiegen Absperrungen.
  • Im Verlauf der Partie VfL Osnabrück gegen Preußen Münster wurden laut GdP bis zu 30 Personen nach "massivem Einsatz von Pyrotechnik" verletzt, wie es in der Aufstellung heißt.
  • Nach der Begegnung VfL Bochumgegen Union Berlin tobten sich nach GdP-Darstellung Fans in der Bochumer Innenstadt aus.
  • Besonders brisant sei die Lage jedoch bei dem Bundesliga-Spiel Borussia Dortmund gegen Bayer Leverkusen gewesen. Konfrontationen zwischen den Lagern seien gerade noch verhindert worden. Polizisten hätten den Einsatz als "auf der Kippe" stehend bezeichnet, weil zu wenige Beamte im Einsatz gewesen seien. Unterstützungskräfte hätten von einer parallel stattfindenden Demonstration abgezogen werden müssen, so die GdP.

Die Gewerkschaft der Polizei resümiert daher, die Strategie der "ausgestreckten Hand" sei von den Fans nicht angenommen worden. Mehrfach sei es zu "kritischen Situationen" gekommen. Es gebe darüber hinaus Hinweise, dass einige Fan-Gruppierungen sich nur aus strategischen Gründen zurückgehalten hätten, um sich Freiräume zu verschaffen, so die GdP. "Wir können daher auf keinen Fall hinnehmen, dass diese Strategie in die Verlängerung geht", so GdP-Chef Plickert.

"Kein Anstieg der Gewalt"

Der Fanforscher Jonas Gabler von der Universität Hannover sagte hingegen SPIEGEL ONLINE: "Wir haben bislang noch nichts gefunden, was gegen die Fortführung des Projekts gesprochen hätte. Es gab keinen Anstieg der Gewalt." Und auch DFL-Chef Reinhard Rauball begrüßte den Vorstoß: "Ich glaube, dass das NRW-Modell eine Beruhigung der Fanszene bewirkt hat", so Rauball in "Sport Bild". "Weniger Polizeipräsenz ist auf hohe Akzeptanz bei den Fans gestoßen."

Auch der NRW-Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Erich Rettinghaus, bewertete die Testphase als erfolgreich: "Die erste Bilanz zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind." Die Reduzierung der Zahl eingesetzter Beamter sei ein Schritt von vielen, um den Fußball wieder zu einem Ereignis für die ganze Familie zu machen, so Rettinghaus. Sein Amtskollege vom Bund Deutscher Kriminalbeamter, Sebastian Fiedler, äußerte sich ähnlich überzeugt: "Es ist richtig und wichtig, weniger Polizisten bei Fußballspielen einzusetzen und sich zugleich stärker auf die Intensivtäter zu konzentrieren. Nur diese Doppelstrategie kann auf lange Sicht erfolgreich sein."

Innenminister Jäger hatte seinen Feldversuch mit einer strukturellen Überlastung der Bereitschaftspolizei erklärt. Durch den Aufstieg zweier weiterer NRW-Vereine in die erste Liga - es handelt sich um Köln und Paderborn - werde sich die Belastung weiter erhöhen. "Das kann ich dem Steuerzahler nicht mehr vermitteln", so Jäger bei der Vorstellung des Projekts Anfang August.

Am Freitagmittag will Jäger nun seine Bilanz der Presse präsentieren. Dabei dauert die Pilotphase dem Erlass zufolge eigentlich noch bis Samstag. Es scheint, als habe der Minister es eilig.

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