Fußball-Ticketbörsen Wertlose Tickets - extrem teuer bezahlt
Haben Sie Lust, sich bei der EM 2008 den Klassiker Deutschland gegen Österreich anzusehen? Kein Problem. Sie müssen sich nur am 16. Juni frei nehmen und rund 1000 Euro pro Karte investieren.
So viel nämlich kosten Tickets der mittleren Preiskategorie mittlerweile auf dem Graumarkt für das Spiel im Wiener Ernst-Happel-Stadion. Der reguläre Preis für Karten dieser Kategorie beträgt 80 Euro.
Eine Plattform, auf dem zahlreiche der begehrten Tickets angeboten werden, ist viagogo. Das Unternehmen ist im Januar 2007 in Deutschland mit seinem Angebot gestartet und hatte damals mit dem FC Bayern als Partner gleich ein Schwergewicht in den Ring geschickt. Die gemeinsame Idee ließ die Herzen vieler Fans höher schlagen. Jahreskarteninhaber des Rekordmeisters sollten hier erstmals die Möglichkeit bekommen, ihre Karten für einzelne Heimspiele, die sie nicht besuchen können, zu fairen Preisen weiterzuverkaufen.
Fußballvereine gehen gegen den Zwischenhandel vor
Es sieht alles danach aus, als hätte viagogo die Bayern als Zugpferd eingespannt, um für ein fanfreundliches Angebot zu werben. Doch das gilt nur für Karten des FC Bayern. Wer vor einem Jahr dachte, dass das faire Dauerkarten-Weiterverkaufsmodell auf der Plattform bald für alle Bundesliga-Vereine gelten würde, wurde mittlerweile enttäuscht.
Axel H. beispielsweise sollte für zwei Eintrittskarten für das Spiel HSV gegen Schalke (Samstag, 15.30 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE) 230 Euro bezahlen. Der reguläre Preis dafür wären 80 Euro gewesen.
Der HSV geht seit geraumer Zeit gegen diese Art von Zwischenhandel vor, wie er beispielsweise auch auf der Seite "bundesligakarten.de" betrieben wird. Der Verein warnt vor solchen Käufen: "Der Verkauf von Eintrittskarten mit Gewinnaufschlag oder über nicht autorisierte Internetbörsen verstößt gegen unsere Allgemeinen Geschäftsbedingungen", sagt HSV-Ticketmanager Kai Voerste zu SPIEGEL ONLINE. Verstöße werden konsequent verfolgt: "Die AGB sehen für Verstöße eine Vertragsstrafe in Höhe von bis zu 2500 Euro vor."
Axel H. wollte trotzdem unbedingt ins Stadion und bezahlte den Aufschlag. Rund zwei Monate nach dieser Transaktion informierte ihn der HSV, dass seine Tickets storniert und damit ungültig sind.
Grund war das Auffliegen eines dubiosen Zwischenhändlers. H. bestand daraufhin auf die Erstattung des Kaufpreises durch viagogo. Der Internethändler reagierte umgehend, erstatte den Betrag zurück und legte sogar noch einen Gutschein oben drauf. H. kaufte sich die Tickets dann direkt im HSV-Shop und wird beim Spiel gegen Schalke im Stadion sein. Im Gegensatz zu zahlreichen anderen "Karteninhabern", die am Samstag nicht ins Stadion kommen werden: "Wir haben in der vergangenen Woche über 300 Karten storniert", sagt Voerste. Betroffenen rät er, beim Zwischenhändler den Kaufpreis zurückzufordern.
Tickets im Verkauf, die es noch gar nicht gibt
Immer wieder hat Voerste erlebt, dass die angebotenen Tickets noch nicht mal von ihm selbst in den Verkauf gegeben worden waren - trotzdem aber schon bei viagogo angeboten wurden. Fans konnten zum Beispiel schon im Februar Tickets für den Nordschlager zwischen dem HSV und Werder Bremen (6. Mai) bestellen. Karten für Sitzplätze in der Gästekurve werden derzeit zum Preis von 120 Euro pro Stück angeboten für "bis zu 20 zusammenhängende Plätze". Regulärer Preis: 35 Euro das Stück.
"Das ist ein völlig legitimer Geschäftsvorgang", sagt Daniel Nathrath, Geschäftsführer von viagogo in Deutschland. "Wenn ich eine Ware bestelle, von der ich weiß, dass sie am 1. Mai geliefert wird, ist es völlig legal, diese auch schon vor Erhalt zum Weiterverkauf anzubieten."
Voerste hält dagegen: "Diese Plattformen können die Gültigkeit von Tickets nicht garantieren, da beispielsweise nicht geprüft wird, ob der Verkäufer den Kaufpreis an den HSV entrichtet hat".
Das will Nathrath so nicht stehen lassen: "viagogo garantiert: Wer sein Ticket bei uns kauft, kommt auch ins Stadion. Sollte es ausnahmsweise irgendein Problem geben, was in über 99 Prozent der Fälle nicht passieren wird, bekommt der Kunde sein Geld zurück", sagt Nathrath.
Welchen Preis ist ein Spiel wert?
Doch auch Borussia Dortmund warnt seine Fans vorm Ticketkauf bei Drittanbietern - und streitet sich seit einiger Zeit sogar vor Gericht mit viagogo: "Dieses Unternehmen verdient sein Geld, in dem unter anderem unsere Karten zu überteuerten Preisen angeboten werden. Wir haben eine Verantwortung gegenüber unseren Fans, gegen solche Trittbrettfahrer vorzugehen", sagt Thomas Treß, Finanzgeschäftsführer des BVB zu SPIEGEL ONLINE. Der gelernte Wirtschaftsprüfer begründet den Rechtsstreit so: "viagogo verstößt damit gegen unsere ATGB."
Eine Unterlassungserklärung habe viagogo abgelehnt. "Wir hatten über ein ähnliches Modell verhandelt, wie es viagogo für den FC Bayern anbietet. Einer Tauschbörse für unsere Fans hätten wir in diesem Rahmen zugestimmt. Aber das war keine Option für viagogo", sagt Treß.
Das sieht Nathrath anders: "Wir haben auch mit anderen Bundesligavereinen über Kooperationsmodelle gesprochen. In einigen Fällen sind diese Gespräche an unrealistischen finanziellen Vorstellungen der Vereine gescheitert. Wir sind aber weiterhin offen und gesprächsbereit für vernünftige Kooperationsmodelle."
Bis dahin entscheiden die Fans selbst, welcher Preis ihnen Fußballspiele wert sind.