Fußball-Wettskandal Mehr als 30 Spiele in Deutschland unter Manipulationsverdacht

Der neue Wettskandal im Profifußball weitet sich dramatisch aus: Laut Ermittlern sind europaweit rund 200 Spiele unter Manipulationsverdacht, darunter mehr als 30 Partien in Deutschland, unter anderem in der 2. Bundesliga. Betroffen sind auch Champions League und Europa League.
Fußball-Wettskandal: Mehr als 30 Spiele in Deutschland unter Manipulationsverdacht

Fußball-Wettskandal: Mehr als 30 Spiele in Deutschland unter Manipulationsverdacht

Foto: Daniel Karmann/ picture-alliance/ dpa

Hamburg - Bei dem am Donnerstag bekanntgewordenen Wettskandal soll es nach Angaben der Staatsanwaltschaft Bochum auch um 32 Partien in Deutschland gehen. So bestehe konkreter Verdacht, dass vier Spiele der 2. Bundesliga, drei Spiele der 3. Liga und 18 Partien der Regionalligen, fünf Spiele der Oberligen sowie zwei U19-Begegnungen manipuliert wurden. Hinzu kommen mindestens drei Champions-League- und zwölf Europa-League-Spiele sowie ein Qualifikationsspiel zur U21-EM.

Harald Stenger, Mediendirektor des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), hatte am Donnerstagnachmittag in einer ersten Reaktion des DFB auf die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Bochum zunächst beschwichtigt: "Die Uefa- und DFB-Frühwarnsysteme für die Überwachung des Wettmarktes haben keinerlei Erkenntnisse über Spielmanipulationen in Deutschland geliefert."

Nach Informationen der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sollen außer einem Freundschaftsspiel zwischen Regionalligist SSV Ulm und dem türkischen Erstligisten Fenerbahce Istanbul am 14. Juli 2009 (0:5) auch zwei Spiele des damaligen Zweitligisten VfL Osnabrück ins Visier der Fahnder geraten sein. Dabei soll es sich um die Auswärtsspiele der Niedersachsen beim FC Augsburg (0:3) am 17. April 2009 und beim 1. FC Nürnberg (0:2) am 13. Mai handeln.

Osnabrück-Präsident Rasch: "Das wäre eine Katastrophe"

Die Staatsanwaltschaft Bochum verdächtige als Drahtzieher einen 34-Jährigen aus Lohne, der mit Hilfe von VfL-Fußballern zwei Spiele aus der vergangenen Zweitliga-Saison manipuliert haben soll. Der Mann sei gestern verhaftet worden, so die "NOZ". Der 34-Jährige soll hohe Summen auf die beiden VfL-Spiele gesetzt und sich dabei auf eine Tordifferenz festgelegt haben, die dann tatsächlich eintrat.

So soll er laut dem Zeitungsbericht für die Augsburg-Partie beim asiatischen Anbieter "sbobet" 150.000 Euro darauf gesetzt haben, dass die Gastgeber mit drei Toren Unterschied gegen den VfL gewinnen. Aus abgehörten Telefonaten einer Sondereinheit der Polizei Bochum gehe hervor, dass der Verdächtige in dem Zusammenhang Kontakt zu mindestens einem VfL-Spieler aufgenommen habe. "Wenn das stimmt, wäre das eine Katastrophe - das könnte dann ein Grund für den Abstieg gewesen sein", sagte Osnabrücks Präsident Dirk Rasch der "NOZ", nach deren Informationen am Donnerstag im Rahmen der bundesweiten Polizeiaktion auch die Wohnung eines ehemaligen Osnabrücker Profis durchsucht wurde. Der Spieler soll seit Sommer 2009 nicht mehr beim VfL unter Vertrag stehen.

Der VfL beendete die Saison 2008/2009 mit zwei Punkten Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz auf Rang 16 und musste in die Relegation gegen den Tabellendritten der dritten Liga, den SC Paderborn. Im Hinspiel am 29. Mai 2009 sorgte Paderborns Stürmer Frank Löning mit seinem Treffer in der 78. Minute für den 1:0 (0:0)-Sieg des Drittligisten. Das Rückspiel am 1. Juni entschied Paderborn ebenfalls 1:0 (0:0) für sich, Torschütze war wieder Löning (63. Minute). Osnabrücks Kapitän Thomas Cichon vergab in der 47. Minute einen Elfmeter. Am Ende stieg Osnabrück ab.

Entsetzen beim SSV Ulm

Mit der Begegnung zwischen Ulm und Fenerbahce Istanbul steht zudem mindestens ein weiteres Spiel mit Beteiligung eines deutschen Clubs unter Manipulationsverdacht. Es handelt sich um das Freundschaftsspiel zwischen Regionalligist SSV Ulm und dem vom deutschen Trainer Christoph Daum trainierten türkischen Erstligisten Fenerbahce Istanbul am 14. Juli 2009. Fenerbahce hatte bei dem Freundschaftsspiel am 14. Juli 2009 gegen Ulm 5:0 gewonnen.

Laut den Unterlagen der Ermittler soll sich der Verdacht ergeben haben, dass bislang unbekannte Spieler des SSV Ulm für ihre Bereitschaft, genau in dieser Höhe zu verlieren, insgesamt einen niedrigen fünfstelligen Betrag erhalten haben sollen. Dabei handelt es sich aber nur um einen Anfangsverdacht. "Ich bin total geplättet. Das kann ich mir auch vom Spielverlauf her nicht vorstellen", sagte Ulms Manager Markus Lösch der "Bild"-Zeitung. Auch SSV-Torwart Holger Betz konnte beim Spiel gegen Fenerbahce keine Unregelmäßigkeiten erkennen: "Wir hatten am Anfang zwei gute Chancen. Nach dem ersten Gegentor war das Spiel gelaufen. Wir hätten noch viel höher verlieren können."

Die Staatsanwaltschaft Bochum ermittelt seit Anfang 2009 gegen 100 Beschuldigte in mehr als einem halben Dutzend Ländern und hatte am Donnerstag unter anderem die Berliner Brüder Milan und Ante Sapina, die schon im Wettskandal um Ex-Referee Robert Hoyzer eine zentrale Rolle gespielt hatten, festgenommen. Der Bande um die Hoyzer-Drahtzieher werden "fortgesetzte, gewerbsmäßige Wettbetrügereien" zur Last gelegt.

mig/sid/dpa
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