DER SPIEGEL

Fußball-WM in der Wüste »Der Masterplan ist voll aufgegangen«

Die Fußball-WM in Katar beginnt an diesem Wochenende. SPIEGEL-Sportredakteur Peter Ahrens über die Motivation der Fifa und die Haltung, mit der er selbst zum Turnier fährt.
Ein Video von Eckhard Klein

Als die Fußball-WM 2010 an Katar vergeben wurde, brach in dem Land riesiger Jubel aus. Autokorsos, röhrende Vuvuzelas – so was erlebt der Wüstenstaat selten. Zwölf Jahre später und damit kurz vor Beginn der WM steht das Land nun schwer in der Kritik – vor allem wegen der Menschenrechtslage. Zu Recht?

Peter Ahrens, DER SPIEGEL »Diese WM, die wird ja immer als die schlimmste und furchtbarste Vergabe der WM-Geschichte dargestellt. Man muss auch sehen, das gab mal eine WM in Argentinien 1978 unter einer brutalen Diktatur. Es gab vor vier Jahren eine WM in Russland. Wir wissen alle, wie Russland sich entwickelt hat. Auch das war damals abzusehen. Also ich finde es manchmal ein bisschen, ich will nicht sagen gefährlich, aber schon ein bisschen fahrlässig, alles auf Katar an Negativem zu kaprizieren. «

Insofern folgte die Fifa mit Katar einer unrühmlichen Tradition, was die Vergaben von großen Turnieren angeht. Kritik aus westlichen Ländern ist dem Weltfußballverband allerdings seit längerer Zeit herzlich egal.

Peter Ahrens, DER SPIEGEL »Katar ist natürlich schon eine WM, die der Fifa eigentlich in die Karten spielt. Infantino und auch sein Vorgänger Blatter natürlich stehen für Korruption. Sie stehen für Misswirtschaft, sie stehen für Vetternwirtschaft. Blatter war ja eigentlich gar kein Freund der WM in Katar. Er selbst hat sich auch gegen diese Vergabe im Vorfeld ausgesprochen. Aber dass Ex-Ko damals war natürlich einfach verrottet und voll besetzt mit korrupten Geldsäcken, denen es wirklich nur ums eigene Wohl ging.«

Der Blick auf die WM scheint ambivalent. Dadurch, dass die ganze Welt seit über zehn Jahren genauer auf Katar schaut, ist der Druck auf das Emirat gestiegen. Die Bilder von den teils fürchterlichen Arbeits- und Lebensbedingungen der Gastarbeiter, die beim Stadionbau eingesetzt wurden, wirken abschreckend und schockierend. Tatsächlich aber hat es auch Fortschritte gegeben.

Peter Ahrens, DER SPIEGEL »Die internationalen Gewerkschaften sagen schon zumindest, dass sich seit 2017 die Bedingungen auf den WM-Baustellen verbessert haben. Das spricht natürlich nicht unbedingt auch Bände, was die gesamten Arbeitsbedingungen in Katar angeht. Also der Blick der Welt ist natürlich jetzt auch sehr auf diese WM-Baustellen gerichtet. Da hat sich was verbessert. Die ganzen anderen Missstände, die ja teilweise auch seit Hunderten von Jahren bestehen. Der Blick auf die Stellung der Frau zum Beispiel, die Haltung zur Homosexualität – da wird sich wahrscheinlich nichts tun und hat sich auch nichts getan.«

Zuvor gab es bereits eine Handball- und eine Leichtathletik-WM in Katar. Aber wieso richtet ein Land, das kleiner ist als Schleswig-Holstein, dieses gigantische Großereignis aus? Ein Land, in dem es im Sommer so heiß ist, dass die WM erstmals in den Winter verlegt werden musste?

Peter Ahrens, DER SPIEGEL »Hinter diesen ganzen Sportereignissen steckt schon ein Masterplan des Emirats. Dieser Plan ist total aufgegangen. Schon seit 15, fast 20 Jahren versuchen sie eben Sportereignisse zu akquirieren. Und die Fußball-WM ist natürlich jetzt so der Höhepunkt dieser Bemühungen.

Natürlich ist es Sportswashing. Natürlich versuchen sie, mit diesen Ereignissen den Blick auf dieses kleine Emirat zu richten und gleich zu zeigen, das ist ja toll, was da so alles entsteht. Das natürlich dadurch auch auf die Missstände geguckt wird und dadurch auch hingeguckt wird, was da falsch läuft. Das ist wahrscheinlich der einzige Punkt in diesem Masterplan, den sie vielleicht nicht so bedacht haben und der so ein bisschen nach hinten losgegangen ist. «

Immer wieder haben Kritiker die Frage nach einem Boykott dieser WM gestellt. Hätten die Sportler nicht sagen müssen, wir fahren da nicht hin? Darf man sich als Zuschauer auf die Spiele freuen? Und wie sieht es aufseiten der Journalisten aus, die über die WM berichten?

Peter Ahrens, DER SPIEGEL »Ich halte auch nichts davon, zu sagen, ja, man soll die Berichterstattung einschränken, weil, auch wenn irgendwo Krieg herrscht, wenn es Missstände gibt, dann haben eigentlich Journalistinnen und Journalisten die Pflicht dahinzugehen bzw. hinzugucken. Und so machen wir das natürlich diesmal auch. Zudem bin ich Sportjournalist und berichte natürlich über das größte Sportereignis, was es mit Olympia zusammen gibt.«

Ob der fade Beigeschmack mit Beginn der Spiele auf dem grünen Rasen schwindet, wird sich zeigen. Eine WM wie jede andere wird die in Katar aber sicher nicht.

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