
Fotostrecke: Der große Schritt nach Europa
Neuer Barça-Coach Martino Tiki Tata
Die Newell's Old Boys aus Argentinien, einer der großen Traditionsclubs des Landes, sind der Heimatverein von Lionel Messi. Messi mag der beste Fußballer der Welt sein. Das heißt aber noch lange nicht, dass er auch der angesehenste Fußballer in der Geschichte der Old Boys ist. Diese Ehre kam in einer Fan-Umfrage jemand anderem zuteil: Gerardo Martino, genannt "Tata". Also dem Mann, der ab sofort der neue Trainer von Messi beim FC Barcelona werden soll.
Der FC Barcelona gönnt sich somit einen Coach, der bislang ausschließlich im fernen Südamerika trainiert hat. Das hört sich nach einem Wagnis an. Der 50-Jährige hat die Nationalmannschaft von Paraguay trainiert, er hat den dortigen Spitzenclub Libertad gecoacht, er war zuletzt für seine Old Boys verantwortlich. In seiner Vita steht nichts von Real Madrid, Inter Mailand, Bayern München oder Manchester United. Den FC Barcelona kennt er aus dem Fernsehen.
Und so einer soll den vielleicht berühmtesten Fußballclub der Welt trainieren? Ja. Genau der. Denn Martino und Barça dürften zueinander passen. Man könnte sagen, Martino ist so eine Art südamerikanischer Josep Guardiola.
Bielsa hat Martino geprägt
Er gilt als Lieblingsschüler des früheren argentinischen Nationaltrainers Marcelo Bielsa, ein Trainer, der in Lateinamerika ähnlich bewundert wird wie in Europa Johan Cruijff, der Lehrmeister Guardiolas. Bielsa, der Argentinien 2004 zum olympischen Gold führte und danach überraschend zurücktrat, hat den Beinamen "El Loco", der Verrückte. Ein Fußballbesessener, ein Anhänger des Offensivfußballs, ein Pass-Fetischist - mit anderen Worten: Ein geradezu klassischer Barcelona-Trainer.
Martino hat, zunächst als Spieler, dann als Assistent und Bewunderer Bielas, all das aufgesogen. Er glaubt an das Dogma des Ballbesitzes, an das schnelle und genaue Passspiel, er ist einer, der es liebt, wenn der Ball vom Torhüter angefangen durch die ganze Mannschaft läuft, bis er vor und bestenfalls im gegnerischen Tor landet. Exakt jene Tiki-Taka-Philosophie, die Cruijff und Guardiola bei Barcelona groß gemacht hat und die zuletzt den Eindruck machte, eine Blutauffrischung gut vertragen zu können.
Genau dafür soll Martino sorgen. "Der Pass ist die Hauptvoraussetzung im Fußball", wird er von dem Fußballmagazin "Vavel" zitiert: "Ich identifiziere mich mit dem Stil, den Barcelona spielt. Dem Respekt vor dem Ball, der Art, wie sie den Ball von hinten nach vorne transportieren." Sätze aus dem Barcelona-Katechismus.
Sinn für Flexibilität stets bewahrt
Was ihn nach Aussage von Kennern des lateinamerikanischen Fußballs allerdings von Guardiolas Arbeit bei Barça unterscheidet: Martino hat sich seinen Sinn für Flexibilität bewahrt. Er verstehe, dass "man Taktik an die Spieler anpassen muss, die man zur Verfügung hat", schreibt "Vavel". Genau diese Flexibilität hat Barcelona zuletzt vermissen lassen, das Team wirkte vor allem in den Champions-League-Halbfinals gegen die Bayern erstarrt im eigenen System. Eine Erstarrung, die der Mann von außen aufbrechen soll.
Helfen dürfte ihm dabei, dass er als einer gilt, der ein Händchen für Kommunikation mit den Spielern hat - gerade auch mit denen, die nicht in der Startelf stehen. So beschreibt ihn sein langjähriger Assistent und Fitnesscoach Elvio Paolorrosso.
Mit dieser Art hat der in Europa weitgehend Unbekannte auf seinem Kontinent schon einiges an Erfolgen erzielt. Viermal wurde er mit den Vereinen Libertad und Cerro Porteno Meister in Paraguay, bei der WM 2010 scheiterte er mit dem fußballerisch durchaus limitierten Team Paraguays im Viertelfinale nur ganz knapp am späteren Champion Spanien, 2011 führte er das Land ins Finale der Copa America. 2007 wurde er zu Südamerikas Trainer des Jahres gewählt. Einen berühmten Fürsprecher bei Barça hat Martino in jedem Fall schon einmal: "Er ist ein hervorragender Trainer, ein Super-Trainer", wurde er schon vor sechs Monaten in einem Zeitungsinterview gelobt. Von Lionel Messi.
Es hat lange gedauert, bis Martino den Schritt nach Europa getan hat, es hat umgekehrt auch lange gedauert, bis man in Europa auf ihn aufmerksam geworden ist. In diesem Sommer war beides so weit. Er wurde als möglicher Mourinho-Nachfolger bei Real Madrid gehandelt, jetzt wird es jedoch der Erzrivale Barcelona.
Martino vereine "die verrückten Angewohnheiten Bielsas mit der Arbeitswut Guardiolas", schreibt "Vavel". Das klingt nicht nach den schlechtesten Voraussetzungen für einen Verein wie den berühmtesten Club der Welt.
Bevor er sich nach Europa verabschiedet, hat Martino die Old Boys noch mal eben zur Meisterschaft geführt. Als er sie 2012 übernahm, schwebte das Team in Abstiegsgefahr.