

Mit einem ziemlich schrägen Sprachbild eröffnete Max Eberl die Pressekonferenz, auf der Lucien Favre als neuer Trainer von Borussia Mönchengladbach präsentiert wurde. Der Sportdirektor des abgeschlagenen Tabellenletzten der Fußball-Bundesliga wollte Optimismus verbreiten, also sagte er mit voller Entschlossenheit: "Den Zipfel haben wir noch richtig in der Hand." Es war ein hübscher Versuch, die kleine Chance auf den Verbleib in der Bundesliga groß und realistisch erscheinen zu lassen. Doch so fest sie den Zipfel auch halten, er ist so klein, dass er ihnen irgendwann entgleiten wird. Wenn nicht eines dieser seltenen Fußballwunder geschieht.
Dass Favre zum Retter wird, ist jedenfalls reichlich unwahrscheinlich. Dieser Trainer ist kein Feuerwehrmann, sondern ein Fußball-Lehrer mit Konzept, ein Mann, der Zeit braucht. Deshalb haben sie ihm auch einen Vertrag über zweieinhalb Jahre gegeben. "Mönchengladbach ist für mich eine echte Herausforderung und fantastisch. Ich brauchte nicht lange zu zaudern", sagte Favre bei seiner Vorstellung am Montag.
Der Club war nach der Trennung von Michael Frontzeck auf der Suche nach einer personellen Lösung, der im Abstiegsfall ein kompletter Neustart zugetraut wird. Und Favre gilt als Stratege, als Mann mit Einblick in die Tiefen des Spiels. "Er ist ein absoluter Fachmann, er arbeitet mit jungen Spielern, kann Mannschaften formen, hat Ideen, hat Philosophien", schwärmte Eberl. Favre hat einmal gesagt, 85 Prozent des Erfolges hingen von den Transfers ab, die ein Verein realisiere, nun muss er ohne eigenen Transfer auskommen. Gute Voraussetzungen sehen anders aus.
Günstiger wäre der Trainertausch also im Winter gewesen, doch da sind die Gladbacher Opfer ihrer eigenen Vorsätze geworden. Vor zwei Jahren sind Eberl und Präsident Rolf Königs zu der Erkenntnis gelangt, dass der Verein sich nicht mehr von den kurzfristigen Hochs und Tiefs des Tagegeschäfts treiben lassen dürfe. Das enthemmte Trainerwechselspiel, dem in den vergangenen sieben Jahren sieben Fachleute zum Opfer fielen, sollte endlich ein Ende haben.
Trainerwechsel bedeutet krachende Niederlage für Sportdirektor Eberl
Dann ist Eberl Hans Meyer, sein erster Trainer, abhanden gekommen. Nun wollte er um jeden Preis an Frontzeck festhalten. Der Sportdirektor wollte Kontinuität, es war der richtige Ansatz mit dem falschen Trainer. Das macht den Fall so tragisch. Irgendwann hat Eberl sogar einmal ohne Not seinen eigenen Verbleib bei der Borussia an das Schicksal Frontzecks geknüpft. "Jugendlicher Leichtsinn", sei das gewesen, sagte er nun.
Der Trainerwechsel ist dennoch eine krachende Niederlage für Eberl. Der junge Sportdirektor macht immer einen kompetenten Eindruck, seine Erklärungen zu Spielen und Transfers sind meist schlüssig, doch das Gesamtprodukt, für das er als Sportdirektor die Verantwortung trägt, ist in dieser Saison nur zweitklassig. Klar, die Borussia hatte ungewöhnliches Pech mit Verletzungen, auch umstrittene Schiedsrichterentscheidungen haben der Borussia einige Punkte gekostet. Andererseits hatte Eberl deutlich mehr Geld zur Verfügung als Konkurrenten wie der SC Freiburg, Mainz 05 oder der 1. FC Nürnberg. Allein Igor de Camargo kostete vier Millionen Euro, das ist mehr als ein Viertel des gesamten Personaletats kleinerer Bundesligisten.
Weder Eberl noch Frontzeck haben eine funktionierende Idee entwickelt, wie diese Mannschaft in die Spur gebracht werden kann, und Eberl hat sich mit Händen und Füßen gegen diese bittere Erkenntnis gewehrt. Immer wieder wurden die selben Fehler gemacht, immer wieder die selben Erklärungen bemüht, nichts wurde besser. Möglicherweise funktioniert Eberl nur in Kombination mit einem erfahrenen Trainer, gemeinsam mit Hans Meyer hat er das Team jedenfalls vor zwei Jahren intelligent und erfolgreich verstärkt. Übrigens wollte der Sportdirektor nach dem Abschied Meyers schon einmal Favre nach Gladbach holen, doch der zögerte zu lange, und deshalb fiel die Wahl auf Frontzeck.
Nun könnte Favre tatsächlich der richtige Mann für eine bessere Zukunft sein. Nach seiner Entlassung bei Hertha BSC Berlin hat er 13 Monate pausiert, "das hat mir sehr gut getan", sagte er. Der 24-malige Schweizer Nationalspieler hat in dieser Zeit zahllose Spiele in Italien, Frankreich, England und Deutschland besucht, und an seinen Sprachkenntnissen gefeilt. Vielleicht erweisen sich diese Erfahrungen noch einmal als kostbarer Schatz für die Borussia. Und er hat das Glück, dass vorerst niemand Wunderdinge von ihm erwartet.
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