Mönchengladbachs Aufholjagd in Leverkusen And the Oscar goes to ...

Christoph Kramer (vorne) und weitere Borussia-Profis
Foto: Lars Baron/ Bongarts/Getty ImagesEin tiefes, intensives Gefühl der Befreiung lag in dem Schrei, der um etwa 20.20 Uhr in den Leverkusener Winterhimmel emporstieg. Die Fans in der Kurve von Borussia Mönchengladbach, die schon lange vorher zur dominierenden Kraft des Abends geworden waren, brüllten ein inbrünstiges "Jaaaaa", ballten die Hände zu Fäusten, und unten am Spielfeldrand ließen sich Szenen bestaunen, die auch als würdiges Ende eines etwas kitschigen Hollywoodfilmes getaugt hätten.
Große Helden feierten eine Umarmungsorgie, schlugen sich kräftig auf den Rücken, strahlten vor Glück. Wie in einem dieser Schinken, in dem mit viel Geschick, Leidenschaft und Glück eine lebensgefährliche Weltraummission zu Ende gebracht wurde.
Die Profis von Borussia Mönchengladbach hatten zwar nur ein Fußballspiel gewonnen, 3:2 bei Bayer Leverkusen, aber die Dramaturgie der Partie war tatsächlich filmreif: gut gespielt, zur Pause trotzdem 0:2 hinten, dann die große, nicht mehr für möglich gehaltene Auferstehung. Und so fühlte sich dieser Sieg für die Gladbacher am Ende an, wie ein "Turningpoint", sagte Christoph Kramer, wie ein Tag, der in den Saisonrückblicken als Schlüsselmoment erscheinen könnte. Sie waren erfüllt von diesem Gefühl, etwas sehr Besonderes vollbracht zu haben, "das war heute ein größerer Schritt", sagte der zweifache Torschütze Lars Stindl, der sein wohl bestens Saisonspiel absolvierte. Mit der Energie dieses Erfolges sei es nun möglich, "etwas zu entfachen".

Bundesliga: Geht doch, Gladbach!
Nach einer äußerst betrüblichen Hinrunde und der Entlassung von Trainer André Schubert kurz vor Weihnachten war seit Langem mal wieder diese kraftstrotzende Borussia zu sehen, die in den vergangenen beiden Jahren in die Champions League gestürmt war. Manager Max Eberl freute sich darüber, "wie die Mannschaft Zweikämpfe bestritten hat, Willen gezeigt hat und auch noch fußballerische Qualität". Das Kollektiv harmonierte, und die in der Hinrunde so oft kritisierten Kreativkräfte Stindl, Raffael und Mo Dahoud blühten auf.
Schon vor der Pause war die Borussia fußballerisch besser als diese seltsamen Leverkusener, deren Wankelmütigkeit eines der großen Mysterien dieser Bundesligasaison bleibt. Dennoch lag sie durch zwei Gegentreffer nach Eckbällen zurück. "Wir dachten schon: Wenn's nicht läuft, dann läuft's nicht", sagte Kramer in Anspielung auf das alte Phänomen, dass Krisenteams auch ihre guten Spiele verlieren, weil sich Pech und dumme Fehler in tieferen Tabellengefilden so häufig in dieser fatalen Mixtur des Niedergangs vereinen. In dieser Situation "bei einer starken Mannschaft so zurückzukommen, das ist ganz schwer", fuhr Kramer fort, und die Statistik stützt diese These. Die Borussia ist das erste Bundesligateam im bisherigen Saisonverlauf, das einen zwischenzeitlichen Zwei-Tore-Rückstand noch in einen Sieg verwandeln konnte.
Ein Werk des neuen Trainers?
Die neue Zuversicht basiert aber nicht allein auf dem bemerkenswerten Akt des Willens, der ihnen geglückt war. Mindestens ebenso wichtig war der fußballerische Auftritt, und nicht zuletzt gelang dem Team der erste Auswärtssieg der Bundesligasaison. Der neue Trainer Dieter Hecking habe den von Selbstzweifeln gequälten Profis "den Glauben und das Vertrauen zurückgegeben", sagte der ungewohnt redselige Kapitän Stindl. "Heute haben wir wieder ein Stück weit den Fußball gezeigt, für den wir stehen wollen." Und natürlich muss dieser Wendepunkt als Werk des Trainers betrachtet werden.
Hecking tritt ja immer sehr gelassen auf, aber er hat das Kunststück vollbracht, kraftvolle Energien in seinem Team zu wecken. "Man merkt an seiner Erfahrung, dass er gut mit Menschen umgehen kann, dass er weiß, wie er mit jedem Einzelnen reden muss", sagte der aufblühende Kramer: "Es ist sehr angenehm unter ihm zu arbeiten, es macht Riesenspaß."
Am Ende erhoben natürlich auch ein paar Mahner ihre Stimme. "Ich hoffe, dass die Mannschaft das richtig einordnen kann, dass niemand meint, dass jetzt alles gut ist", sagte Hecking. Aber dass diese Partie das Potenzial zum Wendepunkt hat, ist unbestreitbar. Und das gilt übrigens auch für Bayer Leverkusen.
Der Werksklub hatte zur Halbzeit einen Sechs-Punkte-Start ins neue Jahr vor Augen, die Europapokalplätze, ja sogar die Champions League waren wieder in Sichtweite. Jetzt hängen sie doch wieder im tristen Mittelmaß der Tabelle fest, und das gute Gefühl zum neuen Jahr ist vorerst verflogen.