
Bruno Labbadia beim HSV: Immer in Action
HSV-Coach Labbadia Auf Kurzarbeit
Es gibt ein hübsches Detail, das die Situation beim Hamburger SV in den vergangenen Jahren sehr gut illustriert. Der Freiburger Trainer Christian Streich kommt am Abend mit seinem Team zum Abstiegsduell nach Hamburg (20.30 Uhr Sky, Liveticker SPIEGEL ONLINE), es ist das siebte Spiel, das Streich als Coach des SC gegen den HSV bestreitet. Er lernt dabei den fünften HSV-Trainer kennen.
Nun ist es also Bruno Labbadia, der versuchen wird, den ersten Hamburger Heimerfolg gegen die Freiburger zu erzielen, seit Streich dort das Sagen hat. Nach zuletzt zwei Siegen in der Liga gegen Augsburg und in Mainz wäre ein weiterer Dreier für den HSV schon so etwas wie eine kleine Vorentscheidung in Richtung Klassenerhalt. Drei Siege nacheinander, das gab es in Hamburg zuletzt im Januar 2011.
Es hat seit dem 3:2-Erfolg über die Augsburger vor zwei Wochen ein bemerkenswerter Stimmungswandel in Hamburg stattgefunden. Vor drei Wochen noch war der Verein als Tabellenletzter scheintot, der Wunschtrainer Thomas Tuchel hatte zuvor abgesagt, die Verpflichtung Labbadias, des vierten Trainers der Saison, galt als Verzweiflungsakt, zu allem Überfluss ging auch noch das Nordderby gegen Werder Bremen verloren. Das H in HSV stand für Hoffnungslosigkeit.
Und jetzt titelt das "Hamburger Abendblatt" über einem Interview mit Stefan Effenberg: "Der HSV rettet sich - dank Labbadia." Die "Sport Bild" jubelt: "Tuchels Absage war Hamburgs größtes Glück", und die "Welt" ernennt den Trainer zu "Big Bruno".
Ein Mann für die kurze Distanz
Dass Labbadia plötzlich als Heilsbringer gilt, spiegelt zu einem guten Teil die gewohnt aufgeregte Hamburger Medienlandschaft wider, aber tatsächlich hat der Trainer der Mannschaft Leben eingehaucht - und sich selbst auch. Weil der Coach das macht, was er am besten kann: einer Mannschaft in kurzer Zeit Aufbruch zu vermitteln. Und erstmals auch dazu steht.

HSV-Trainer seit 1997: Comeback für Labbadia
Bruno Labbadia war schon als Spieler jemand, der am liebsten dort war, wo es eng zuging, wo man ganz schnell reagieren musste, so nah wie möglich vorm Tor, ein Strafraumstürmer. Ein Mann für die kurze Distanz.
Als Trainer hat er lange das Image eines Konzeptcoachs mit sich herumgetragen. Er hat sich auch selbst sehr gern so vermittelt, als einer, der nicht für das Klein-Klein zuständig ist, ein Visionär. Unter diesem Vorzeichen ist er in Leverkusen, in Hamburg und in Stuttgart engagiert worden. Unter diesem Label ist er letztlich an allen drei Stationen gescheitert.
Labbadia ist viel mehr der Trainertyp Feuerwehrmann, als er es selbst möglicherweise jahrelang wahrgenommen hat. Überall, wo er war, hat er seine Teams kurzfristig stabilisiert, gepusht, nach vorn gebracht.
So simpel ist Fußball zuweilen
Beim HSV tut er dies jetzt wieder, und diesmal vermittelt er gar nicht erst den Eindruck, anderes zu tun, als mit dem Basis-Bausatz aus dem Werkzeugkasten eines Trainers zu arbeiten. Er redet Spieler stark, die unter den Vorgängern nicht mehr zum Zuge kamen, teilweise schon als Aussortierte galten: Gojko Kacar, Marcell Jansen, Pierre-Michel Lasogga, Ivo Ilicevic. Er hält Motivationsreden, die deswegen funktionieren, weil er selbst daran glaubt. "Die Spieler müssen das Gefühl haben: Ich kann gewinnen", sagt Labbadia. So simpel ist das im Fußball zuweilen.
Labbadia und der Hamburger SV - das sind zwei, die im Fußball schon zu den Verlierertypen gezählt wurden. Wie zwei Outcasts, die sich jetzt zusammentun, um der Welt noch einmal etwas zu beweisen, gemeinsam in den Sonnenuntergang zu reiten. Der Trainer ist in diesen Wochen in seinem Element: Motivieren, heiß machen, Optimismus predigen. Labbadia-Style.

Fotostrecke: Der doppelte Bruno
Dass dazu in den beiden vergangenen Spielen auch Glück gehörte, dass in Mainz ein Eigentor mithalf und der Gegner nach der furchtbaren Verletzung von Elkin Soto auch in gewisser Weise unter Schock stand, das alles gehört zur Wahrheit dazu. Aber Glück ist keine Ausrede, sondern fester Bestandteil eines Fußballspiels.
Effenberg, der gebürtige Hamburger, ein zuverlässiger Interviewpartner, wenn es darum geht, beim HSV Stimmung zu machen, hat im "Abendblatt" schon gefordert, Labbadia müsse in Bezug auf die nächste Spielzeit "auf jeden Fall Trainer bleiben", egal ob der HSV die Klasse erhält oder nicht, "um ein bisschen Ruhe auf der Position reinzubringen". Das ist angesichts der immer wieder hektischen Trainerwechsel in Hamburg zweifellos ein löbliches Vorhaben - es wäre aber auch ein Risiko. Für den Verein ebenso wie für den perfekten Kurzarbeiter Labbadia.
Zu dessen Trainer-Biografie gehört schließlich bisher auch immer, dass sich der Motivationseffekt auf längere Sicht abgenutzt hatte. Der Trainer Labbadia, er müsste sich in Hamburg dann noch einmal neu erfinden.
Was ihm dabei helfen könnte, sind all seine Vorgänger. Die Erwartungen sind in Hamburg durch die ständigen enttäuschten Hoffnungen der vergangenen Jahre mittlerweile so gesunken, dass der Druck, Trainer zu sein, in Hamburg derzeit so niedrig ist wie seit Ewigkeiten nicht.
Wie der Verein ist Labbadia bislang auch stets an den hohen Ansprüchen gescheitert. Das zumindest kann ihm beim HSV erst einmal nicht passieren.