Hamburger SV Die Könige der Schlussphase

Jubelnde HSV-Profis nach dem Spiel gegen Stuttgart: Siegtreffer in der 89. Minute durch Djourou
Foto: imagoBeim Hamburger SV haben sie die Länderspielpause zum Reden genutzt. Der Vertrag von Trainer Bruno Labbadia läuft nach dieser Saison aus, beide Seiten wollen gerne verlängern und haben sich angenähert. "Er ist für den HSV genau der richtige Mann", sagt Sportchef Peter Knäbel über den Coach, der den Klub vergangene Saison vor dem Abstieg bewahrte und unter dem die Mannschaft nun deutlich besser spielt.
Moment: Der HSV spielt besser? Ist das wirklich so? Oder nur ein Gefühl, dass sich gar nicht belegen lässt?
Zunächst einmal die Fakten vor dem Heimspiel der Hamburger am Abend gegen Borussia Dortmund (20.30 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE; TV: Sky): Der HSV ist nach gut einem Drittel der Saison Tabellenelfter, hat in zwölf Spielen 15 Punkte gesammelt und eine Tordifferenz von 11:16. Vor einem Jahr war die Situation nach dem zwölften Spieltag gar nicht so anders: Platz 15, zwölf Punkte, 6:14 Tore. Die Hamburger haben in dieser Saison also nur einen Sieg mehr als zum gleichen Zeitpunkt der vergangenen Spielzeit. Diese Zahlen allein beweisen also noch nicht, dass das Team besser spielt. Aber es gibt Belege dafür, sogar sehr deutliche.
OFFENSIVE
Der HSV hat mit elf Toren den aktuell zweitschlechtesten Angriff der Liga, nur Ingolstadt mit sieben Treffern ist harmloser; im Vergleich zur vergangenen Saison (sechs) haben die Hamburger aber fast doppelt so viele Tore erzielt. Und es ragen weitere Statistiken, ermittelt vom Sportdatenanbieter Opta, heraus:
- Zwar hat der HSV in dieser Saison weniger Torschüsse abgegeben als zum gleichen Zeitpunkt der vergangenen (2014/2015: 143 - 2015/2016: 138), die Versuche sind in dieser Spielzeit aber genauer. 41 Schüsse kamen auch tatsächlich auf das Tor des Gegners (29,7 Prozent), vergangene Saison waren es 37 (25,9 Prozent). Und dabei führte in dieser Spielzeit rund jeder vierte Schuss auf das Tor auch zu einem Treffer (26,8 Prozent), 2014/2015 war es an den ersten zwölf Spieltagen nicht einmal jeder sechste Schuss aufs Tor, der einen Treffer zur Folge hatte (16,2 Prozent).
- Die Anzahl der herausgespielten Großchancen sind in der vergangenen und dieser Saison nahezu identisch (2014/2015: 18 - 2015/2016: 19), doch auch hier zeigt sich der HSV effektiver. Fast die Hälfte dieser herausragenden Möglichkeiten haben die Hamburger aktuell genutzt (47 Prozent), vor einem Jahr war es gerade mal etwas mehr als ein Viertel (28 Prozent).
Vor allem die gestiegene Effektivität in der Offensive ist es, die den HSV auszeichnet. In der vergangenen Saison blieb er an den ersten zwölf Spieltagen in sieben Partien ohne Tor, in dieser Spielzeit nur in fünf.
DEFENSIVE
Auch defensiv zeigen sich die Hamburger in dieser Saison stabiler. Wenngleich die Unterschiede zwischen aktueller und vergangener Spielzeit nicht so drastisch sind wie bei den offensiven Statistiken.
- Die Defensive des HSV steht in dieser Saison deutlich kompakter. Sie hat in zwölf Spielen 139 gegnerische Torschüsse zugelassen, vergangenes Jahr waren es noch 157 (13 Prozent mehr). Davon kamen in dieser Spielzeit 46 Schüsse auch auf das Tor, 2014/2015 waren es noch 56 (22 Prozent mehr). Und in dieser Saison gewährte Hamburg seinen Gegnern bislang 21 Großchancen, in den ersten zwölf Partien der vergangenen Spielzeit lag der Wert bei 29 (38,5 Prozent mehr).
- Zwar hat der HSV in dieser Saison bislang 16 Gegentore kassiert, vergangenes Jahr waren es nach dem zwölften Spieltag 14. Aber dabei fällt in dieser Spielzeit die 0:5-Pleite zum Auftakt gegen den FC Bayern aus dem Rahmen. Am vierten Spieltag der vergangenen Saison gab es dieses Duell auch, es endete 0:0. Es ist nur ein Gedankenspiel: Aber hätte es auch dieses Mal ein torloses Remis gegeben, hätte der HSV mit elf Gegentreffern die drittbeste Defensive der Liga. 16 kassierte Tore bedeuten immerhin den geteilten sechsten Platz in diesem Ranking.
Effektiver in der Offensive, kompakter in der Defensive: Das ist der HSV im Vergleich zur vergangenen Spielzeit. Was das Team schon am Ende der Saison 2014/2015 unter Labbadia auszeichnete, nachdem der Coach vor dem 29. Spieltag übernommen hatte, ist zudem die Stärke in der Schlussphase. Gegen Mainz (2:1 in der 87. Minute) und Freiburg (1:1 in der 90.) sicherten sich die Hamburger spät Punkte. Und in der legendären Relegation gegen Karlsruhe retteten sie sich erst in der Nachspielzeit in die Verlängerung und hielten schließlich die Klasse.
In dieser Spielzeit gelang Ähnliches auch gegen Stuttgart (3:2 in der 89.), Ingolstadt (1:0 in der 87.) und Hoffenheim (1:0 in der 88.), was dem HSV sechs zusätzliche Punkte in den letzten Minuten bescherte. Das gelang in der aktuellen Saison keinem anderen Bundesligisten so häufig. Mehr noch: So spät ein Spiel für sich zu entscheiden schaffte der HSV vor Labbadia, also an den ersten 28 Spieltagen der vergangenen Spielzeit, kein einziges Mal.
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