Heynckes' Rücktritt Der gescheiterte Ehrenmann

Er hatte sich viel vorgenommen, wollte allen zeigen, dass er nicht zum alten Eisen gehört. Heute hat Jupp Heynckes, 61, als Gladbacher Trainer aufgegeben - weil seine Art als Ehrenmann nicht mehr in die Bundesliga passt.

Selbst die Ermutigungen des einzigen Bundesligatrainers, der noch älter ist als Jupp Heynckes, 61, vermochten ihn nicht mehr umzustimmen. Nach dem grauen 0:0 gestern Abend gegen den 1. FC Nürnberg hatte Hans Meyer, 64, seinen Gladbacher Kollegen noch in den Arm genommen, ihm kleine Scherze ins Ohr geflüstert und aufmunternd auf die Schulter geklopft. Doch schon da machte es den Eindruck, als hätte Heynckes längst beschlossen, dass für ihn bei der Borussia Schluss sein soll. Erstaunlich befreit hatte er gewirkt, und auf die Frage eines Reporters der Boulevardzeitung "Express", ob er am Samstag in Bielefeld noch auf der Bank des Tabellen-16. sitzen würde, geantwortet: "Wenn Sie weiter so eine Schmutzkampagne fahren, werde ich mir das noch überlegen."

Er hat es sich überlegt, und in seiner persönlichen Geschichtsschreibung wird Jupp Heynckes die Rückkehr zu seiner Borussia als eine Episode vermerken, die nicht zuletzt an der Niedertracht der Medien gescheitert ist. Schon seit Wochen hatte er mit einigen Reportern nicht mehr gesprochen, von denen er sich respektlos behandelt fühlte. Das kann man verstehen, denn Heynckes ist ein Trainer, der trotz seiner vielen Erfolge – mit Real Madrid gewann er 1998 die Champions League, die Bayern führte er 1989 und 1990 zur Deutschen Meisterschaft - normalerweise mit jedermann respektvoll umgeht. Und zwar nicht nur mit dem Vereinsvorstand, sondern auch mit dem Platzwart. So ist es auch keine Floskel, wenn ihn Gladbachs Vorsitzender Rolf Königs als "absoluten Ehrenmann" verabschiedet. In der im eigenen Art habe ihm Heynckes, so Königs, die Schlüssel des Dienstautos mit den Worten auf den Tisch gelegt: `Der Wagen ist gewaschen und vollgetankt!" Ehrenvoll verzichtete der Coach auf seine Bezüge aus einem noch 16 Monate laufenden Vertrag.

Die Heimkehr des verdienten Spielers und Trainers zu seinem alten Club ist aber nicht nur die Geschichte eines Ehrenmannes, der an der Niedertracht der Welt scheiterte. Wie schon bei Schalke 04 wird niemand Heynckes fachliche Fehler vorweisen können. Die Mannschaft war fit und taktisch zumeist richtig gut eingestellt, doch auf der anderen Seite wirkten weder die Gladbacher noch die Schalker unter seiner Führung mitreißend.

Heynckes hat lange in Spanien gearbeitet, wo die "Mister" genannten Trainer per se Respektspersonen sind. Ihr Wort ist Gesetz, so lange sie die Spieler fachlich überzeugen. In der Bundesliga jedoch ist das anders, die Profis sind kritischer, manchmal mäkeliger und müssen begeistert werden. Das ist ihm zweimal nicht gelungen. Heynckes ist aber nicht zu alt für den Trainerjob, wie man glauben könnte, vermutlich ist Deutschland nur nicht das richtige Land für einen Coach wie ihn. So frisch Heynckes mitunter wirkt, könnte er daher in Südeuropa durchaus noch einmal als Trainer auftauchen.

Dass Heynckes gerade nach dem Besuch einer von Hans Meyer trainierten Mannschaft zurücktrat, hatte etwas zutiefst Symbolisches. Fast vier Jahre ist es her, seit Meyer die Borussia verließ und immer noch hinterlässt er bei den Anhängern des Clubs eine Art Phantomschmerz. Ob Ewald Lienen, Holger Fach, Dick Advocaat, Horst Köppel oder Jupp Heynckes - keiner seiner nun schon fünf Nachfolger konnte den zwischen wirtschaftlicher Prosperität und sportlicher Malaise gespaltenen Club in der Bundesliga wirklich stabilisieren.

Viel zu viele Neuanfänge hat es in den vergangenen Jahren gegeben, immer neue Konzepte mit vielen Richtungswechseln, die viel zu viele Transfers nach sich gezogen haben. Ein ungeduldiges Präsidium hat dazu beigetragen, dass auch das Publikum schnell die Nerven verliert. Jetzt wird vermutlich Jos Luhukay, der im Winter als Co-Trainer und zweifellos auch als möglicher Retter nach Gladbach kam, die Aufgabe übernehmen, im unerwarteten Abstiegskampf doch erfolgreich zu sein. Er wird sich dabei jedoch nicht nur als Fachmann beweisen müssen, sondern auch als ein Trainer, der die leidenschaftliche Seite in der Gladbacher Mannschaft findet. So es sie denn gibt.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren