HSV-Stürmer Rudnevs Reingefuchst

HSV-Stürmer Rudnevs (Mitte): Torschütze zum 2:1
Foto: Christian Charisius/ dpaNach seiner großen Tat hatte Artjoms Rudnevs nicht auch noch Lust auf große Worte. Er lief an den Reportern vorbei, verschwand in der Hamburger Kabine und ließ mitteilen, dass er für Interviews nicht zur Verfügung stehe.
Der Angreifer aus Lettland gilt als schüchtern. Dass er direkt nach Abpfiff des Spiels gegen Borussia Mönchengladbach in den Fan-Block gestiegen war, um den 3:2-Erfolg zu feiern, lag weniger an Rudnevs selbst als an Lewis Holtby, der ihn zur Kontaktaufnahme mit dem harten Kern des Publikums überredete.
Dabei ist Rudnevs der Mann der Stunde beim HSV. Seine Geschichte zeigt, dass es sich im schnelllebigen Profi-Betrieb lohnt, auf seine Chance zu warten. Rudnevs spielte in der Hinrunde keine Rolle. Er stand nicht ein einziges Mal im Kader, war zeitweise bei der zweiten Mannschaft untergebracht. Dazu kamen private Probleme.

Trotzdem entschied er sich, in Hamburg zu bleiben. Bei der Niederlage in Stuttgart vor zwei Wochen wurde er eingewechselt und erzielte gleich ein Tor per Flugkopfball. Beim 1:1 gegen Köln kam er ebenfalls als Joker zum Einsatz und bereitete das Tor vor. Gegen Mönchengladbach entschied sich Trainer Bruno Labbadia gegen Pierre-Michel Lasogga und für Rudnevs.
Die Maßnahme machte sich bezahlt: Bei seinem ersten Start-Einsatz seit fast einem Jahr stellte Rudnevs die Zeichen auf Sieg mit seinem Treffer zum 2:1 in der 41. Minute. Als er in der Schlussphase ausgewechselt wurde, erhob sich das Publikum. Auch die Kollegen freuten sich für den aus der Versenkung Zurückgekehrten. "In der Winterpause ist bei ihm der Knoten geplatzt. Wir sind froh, ihn zu haben", sagte Abwehrspieler Matthias Ostrzolek. "Ein Kompliment an den Jungen. Er hat sich reingebissen", lobte Holtby.
Weil Rudnevs aufblüht und der aus Mönchengladbach geliehene Josip Drmic zum ersten Mal sein Potenzial andeutete, haben die Hamburger in der Offensive mehr Variationsmöglichkeiten als noch in der Hinrunde, als sie vor allem auf Lasogga vertrauen mussten. Der Torjäger ist im Moment ein Torjäger außer Dienst. Der bisher letzte Treffer gelang ihm im November beim Sieg gegen Dortmund. Seine Versetzung auf die Bank gegen Mönchengladbach kam daher nicht ganz überraschend.
"Über Kampf und Leidenschaft zurückgekommen"
"Rudi hat schon in den Spielen zuvor sehr viel Energie reingebracht", begründete Labbadia den Wechsel im Angriff. "Schön, dass ein Spieler dranbleibt. Wer Leistung bringt, bekommt auch seine Chance." Ausschweifende Lobreden auf Rudnevs wollte der 50-Jährige allerdings nicht halten. Er ist kein Freund von Starkult und Heldenverehrung. Der HSV kann sich auf den umkämpften Plätzen zwischen gesichertem Tabellenmittelfeld und Abstiegszone keine Egoismen leisten. Die Gemeinschaft ist der Schlüssel. Tatsächlich hatte Rudnevs das Spiel gegen Mönchengladbach ja nicht im Alleingang gewonnen.
Das Team hat sich nach einer schwachen Anfangsphase inklusive 0:1-Rückstand durch Fabian Johnsons Tor in der 14. Minute "ins Spiel reingefuchst", wie Labbadia es beschrieb. "Es war beeindruckend, wie wir über Kampf und Leidenschaft zurückgekommen sind.
"Der Ausgleichstreffer in der 38. Minute steht symbolisch dafür, dass der erste Erfolg gegen Mönchengladbach nach zuletzt sechs Spielen ohne Sieg mit viel Arbeit verbunden und nicht immer schön anzusehen war. Nach einer Ecke köpfte Cléber den Ball an die Latte. Ein Befreiungsschlag misslang. Aus dem Hintergrund schoss Gideon Jung, der Ball wurde von Borussen-Verteidiger Martin Hinteregger ins eigene Netz abgefälscht.
Kurz danach traf Rudnevs. Nach einem Langstrecken-Abstoß von Torwart René Adler setzte er den Ball per Flachschuss ins lange Eck. Sein Tor bejubelte der Angreifer mit ausgebreiteten Armen, ein Lächeln war zu erkennen. Es war das Lächeln von jemandem, der nach schwierigen Zeiten wieder im Aufschwung ist.