
HSV-Profi Olic "Weil ich dieses Spiel liebe"
SPIEGEL ONLINE: Herr Olic, wissen Sie welches Team zuletzt in einem Eröffnungsspiel gegen den Titelverteidiger einen Punkt holen konnte?
Olic: Borussia Dortmund vielleicht? Ich weiß es nicht.
SPIEGEL ONLINE: Es war der HSV in der Saison 2008/2009 gegen Bayern München. Sie haben damals das Tor zum 2:2-Endstand vorbereitet. Jetzt bestreiten Sie wieder das Eröffnungsspiel mit Hamburg gegen die Bayern. Was ist möglich?
Olic: Es könnte gut sein, dass auch die Bayern zum Saisonstart noch nicht wissen, wo sie stehen. Ich gehe davon aus, dass sie noch nicht das Niveau abrufen können, das jeder von ihnen erwartet. Das könnte unsere Chance sein. Wenn wir ein oder zwei Möglichkeiten haben, dann müssen wir auch ein Tor schießen, sonst holt man in München nichts.
SPIEGEL ONLINE: Sie sind im vergangenen Winter aus Wolfsburg zum HSV zurückgekehrt. Wären Sie beim VfL geblieben, dann wären Sie zum zweiten Mal in Ihrer Karriere Pokalsieger und würden noch einmal Champions League spielen. Haben Sie Ihren Wechsel nach Hamburg schon bereut?
Olic: Das vergangene halbe Jahr in Hamburg war eine schwere Zeit und es gab Momente, da habe ich mich gefragt: Was ist hier los?
SPIEGEL ONLINE: Warum sind Sie überhaupt zurückgekehrt?
Olic: Das war der große Wunsch meiner Frau, meiner Kinder und mein eigener. Hier fing für mich die erfolgreichste Zeit meiner Karriere an. Ich fühle mich diesem Verein und dieser Stadt einfach sehr verbunden.
SPIEGEL ONLINE: Aber sportlich war die Entscheidung ein Rückschritt.
Olic: Ich werde im September 36 Jahre alt und will Fußball spielen und Spaß haben. Ich muss keine Titel mehr sammeln, denn ich habe in meiner Karriere viel erreicht, auch wenn ich zweimal mit Bayern München das Champions-League-Finale verloren habe. Als Dietmar Beiersdorfer (HSV-Vorstandsvorsitzender; die Red.) mich im Januar anrief, wusste ich, dass ich gebraucht werde. Ich wollte diesen Wechsel einfach.
SPIEGEL ONLINE: Der HSV hat sich im Sturm mit Sven Schipplock verstärkt, Pierre-Michel Lasogga ist gesund. Welche Rolle werden Sie diese Saison spielen?
Olic: Ich habe keine Angst vor der Konkurrenz. Bei Bayern hatte ich Mario Gomez vor der Nase, bei Wolfsburg Bas Dost. Ich habe mich immer durchgesetzt. Ich finde es gut, dass sich der Klub verstärkt hat. Wichtig ist mir etwas anderes.
SPIEGEL ONLINE: Was?
Olic: Mein Ziel ist es, gesund zu bleiben. Die letzte Saison hab ich nur noch mit Spritzen überstanden. Ich wollte meine Karriere fast beenden.
SPIEGEL ONLINE: Ihr Vertrag beim HSV endet in einem Jahr. Wie lange wollen Sie noch Bundesliga spielen?
Olic: Ich spiele so lange, bis ich nicht mehr kann, weil ich dieses Spiel liebe. Und wenn ich nicht mehr gut genug für die Bundesliga bin, spiele ich auch in Amerika oder in der zweiten Liga. Ich bin doch erst 35.
SPIEGEL ONLINE: Ihr ehemaliger Mannschaftskollege Marcell Jansen hat seine Karriere mit 29 Jahren beendet und wurde dafür von Bayer Leverkusens Sportchef Rudi Völler kritisiert. Können Sie seinen Schritt verstehen?
Olic: Man muss seine Entscheidung akzeptieren. Ich habe erst mit 29 Jahren mein Top-Niveau erreicht und bis wahrscheinlich 34 die beste Zeit meiner Karriere gehabt. Marcell war schon in jungen Jahren mit Deutschland bei großen Turnieren dabei und hat seine Zukunft jetzt woanders gesehen. Ich bin einfach ein anderer Typ.
SPIEGEL ONLINE: Was für einer?
Olic: Ich glaube an drei Dinge: den Ball, den Platz und harte Arbeit im Training. Ich bleibe seit Jahren lange beim Training, möchte bis heute an meiner Torgefährlichkeit arbeiten. Nur durch Ehrgeiz bin ich Profi geworden. Ich verschwende meine Zeit nicht mit Facebook oder Twitter. Mich interessiert nur der Fußball, nicht das Drumherum.
SPIEGEL ONLINE: Sie sind 1998 im Alter von 18 Jahren aus Kroatien zu Hertha BSC gewechselt und haben den Bürgerkrieg in Kroatien als Jugendlicher erlebt. Ihr Schicksal teilen auch viele Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen und auf Asyl hoffen. Auf dem Parkplatz in der Nähe des HSV-Stadions gibt es ein großes Flüchtlingslager. Spricht man in der Kabine über solche Themen?
Olic: Ich würde lügen, wenn ich sage, es gehört zur Tagesordnung. Weil es von uns Profis natürlich sehr weit weg ist. Wir verdienen gutes Geld, unsere Wäsche wird gewaschen, uns wird das Leben weitestgehend erleichtert. Aber natürlich spricht man gelegentlich mit Mannschaftskollegen über politische Themen. Ich selbst versuche mich über die Probleme auf dieser Welt zu informieren. Ich hoffe, dass Europa die Aufgabe lösen kann, Menschen, die nichts haben und um ihre Zukunft fürchten müssen, ein Licht in ihrem Leben zu geben.
SPIEGEL ONLINE: In Deutschland werden Flüchtlingsheime angegriffen. Wurden Sie schon einmal Opfer von Fremdenhass?
Olic: Nein. Ich wurde in diesem Land nie beschimpft. Und ich halte Deutschland für ein sehr liberales und freies Land, in dem die Menschen sehr tolerant gegenüber Fremden sind. Ich bin gerne hier.
Video zum Bundesligastart: Jetzt geht´s lo-hooos!