
Stuttgarts Pleite in Leverkusen Zerfall ab Minute 32
Huub Stevens ging nach dem 0:4 seines VfB Stuttgart bei Bayer Leverkusen mit einer seltsamen Mischung aus Angriffslust und Niedergeschlagenheit auf das Podium der Pressekonferenz.
Einige Berichterstatter genossen die anschließende Debatte besonders, schließlich bestand die Möglichkeit, dass dies der vorerst letzte Bundesligaabend mit dem Niederländer sein würde. Eine historische Stunde gewissermaßen, mit einem Gesprächsverlauf, der skurrile Züge entwickelte.
Immer wieder erklang das typisch-schmutzige Lachen, das Stevens auch nach dieser Niederlage nicht vergangen war. Und am Ende eines Fachgesprächs über defensive und offensive Taktik bat er die Journalisten darum, doch bitte zu fragen, warum Vedad Ibisevic nicht gespielt hatte. Als sich dann tatsächlich einer nach dem bosnischen Stürmer erkundigte, erwiderte der 61-Jährige: "Kirschbaum hat auch nicht gespielt." Ein typischer Stevens-Witz, Thorsten Kirschbaum ist der Stuttgarter Ersatztorhüter. Viele Journalisten verließen das Stadion mit dem Gefühl, dass etwas fehlen würde, sollte Stevens tatsächlich beurlaubt werden.
Doch danach sah es am Freitagabend nicht aus. "Wir haben uns in den ganzen letzten Wochen nicht an der Trainerdiskussion beteiligt, und das machen wir auch jetzt nicht", sagte Sportdirektor Robin Dutt. Der Klub habe "deutlich Stellung bezogen, und irgendwann muss es dann auch mal gut sein." Inhalt dieser Stellungnahme war, dass Stevens nach einer kleinen Leistungssteigerung Anfang des Monats unabhängig vom Spiel in Leverkusen weiter machen darf.
Slapstick vor dem 0:1
Und tatsächlich hatten die Stuttgarter auch beim Werksklub stark begonnen. "Ich glaube, wir haben in den ersten 30 Minuten den besten Fußball gespielt, in der Zeit, die ich in Stuttgart bin", sagte Stevens. Daniel Ginczek hatte sogar eine gute Chance, die Gäste in Führung zu bringen (17. Minute), nur ein Reflex des Leverkusener Torhüters Bernd Leno verhinderte einen Treffer des VfB-Stürmers. "Wir haben hier zu Beginn besser gespielt als Atlético vor zwei Wochen in der Champions League", behauptete Stuttgarts Timo Werner sogar.
Solche Hymnen klingen nach einem 0:4 natürlich überdreht, zumal Werner und seine Mitspieler am Ende kläglich zusammenbrachen - unter dem Einfluss typischer Eigenschaften eines hilflosen Absteigers. Vor Wendells Treffer zum 1:0 (32.) gab es drei, vier Optionen, die Situationen zu klären - es war eine slapstickhafte Fehlerkette, die das Spiel kippen ließ. Denn nach diesem Tor hätten seine Spieler "einen Knacks" erlitten, sagte Stevens, der hilflos mit ansehen musste, wie die Mannschaft die zarten Fortschritte der zurückliegenden Wochen zertrampelte.
"In den vergangenen Spielen war ganz klar eine Entwicklung zu erkennen", hatte Innenverteidiger Georg Niedermeier zuletzt gesagt, "wir stehen in der Defensive stabil, lassen wenig Chancen zu. Es wäre ein Fehler, diesen Prozess nun zu unterbrechen." Das war ein Plädoyer für einem Verbleib von Stevens, nun hat die Mannschaft den Prozess selbst unterbrochen. Stevens Spezialgebiet ist ja eigentlich, Mannschaften zu stabilisieren, deshalb wird der Zerfall nach der 32. Minute die Verantwortlichen noch beschäftigen.
Keineswegs krisenresistent
Christian Gentner, der Kapitän, versuchte das Versagen mit "einer brutalen Belastung" zu erklären, die die Situation auf dem letzten Tabellenplatz darstelle, "es wird eine ganz entscheidende Frage sein, wie wir im Kopf damit umgehen."
In Leverkusen wirkte das Team keineswegs krisenresistent. Bayer spielte am Ende nur noch mit halber Kraft, sonst hätte es auch ein 6:0 oder ein 7:0 geben können. Nach den Toren von Josip Drmic (36., 59.) und Karim Bellarabi (50.) rollten die VfB-Ultras vom "Commando Cannstatt" ihre Fahnen ein und verließen gemeinsam mit vielen anderen Fans den Gästeblock - ein hilfloser Protest.
Die Lage beim VfB ist desolat, niemand scheint einen Ausweg zu kennen. Es darf trotzdem die Frage gestellt werden, ob das Projekt des Huub Stevens wirklich gescheitert ist. Genau wie am 13. Spieltag, als er Armin Veh beerbte, ist Stuttgart Tabellenletzter. Die Mannschaft wirkt kaum verbessert, und ihr Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz ist sogar größer geworden. Aber die Tatsache, dass dieses Team nun mit wechselnden Trainern im dritten Jahr nacheinander gegen den Abstieg spielt, spricht neben einer gewissen Machtlosigkeit der Trainer auch für fehlende Qualität im Kader.
In dieser Situation scheint Dutt Alexander Zorniger, den Wunschkandidaten für die Zukunft, lieber nicht verheizen zu wollen, der ehemalige Trainer von RB Leipzig soll im Sommer kommen. Möglicherweise wird es also doch noch ein paar weitere Bundesligapressekonferenzen mit Huub Stevens geben.
Bayer Leverkusen - VfB Stuttgart 4:0 (2:0)
1:0 Wendell (32.)
2:0 Drmic (36.)
3:0 Bellarabi (50.)
4:0 Drmic (59.)
Leverkusen: Leno - Hilbert (63. Reinartz), Toprak, Papadopoulos, Wendell - Castro, Rolfes - Bellarabi (63. Brandt), Calhanoglu, Son - Drmic - Trainer: Schmidt
Stuttgart: Ulreich - Klein, Schwaab, Niedermeier, G. Sakai (61. Hlousek) - Gentner, Serey Dié (64. Oriol Romeu) - Kostic (46. Kiesewetter), Maxim ,Ti. Werner - Ginczek - Trainer: Stevens
Schiedsrichter: Tobias Stieler
Zuschauer: 28.000
Gelbe Karten: Calhanoglu (3), Hilbert (4), Wendell (6) - Serey Dié (2), Maxim, Hlousek (3)