Interview mit Friedhelm Funkel Der Unterschied zwischen Menschen und Trainern
SPIEGEL ONLINE: Herr Funkel, Sie gelten im Moment als der Musterknabe der Liga.
Funkel: Ich?
SPIEGEL ONLINE: Ja - Bundestrainer Joachim Löw hat sie unlängst ausdrücklich für ihren "Jugendstil" gelobt. Fühlen sie sich da in ihrer Arbeit bestätigt?
Funkel: Da brauche ich keine Bestätigung, aber der Jogi beobachtet uns schon seit den Zweitligajahren. Schon damals hat er bei zehn bis elf Heimspielen zugeschaut. Er hat gesehen, dass Patrick Ochs, Alexander Meier, Jermaine Jones, Christopher Reinhard und Marco Russ Spieler sind, die hier gefördert werden. Deswegen kommt er ja auch so gerne nach Frankfurt ins Stadion.
SPIEGEL ONLINE: Er kommt gerne zu Ihnen, aber zu sich in die Nationalelf hat er noch keinen ihrer Spieler eingeladen. Wer wäre denn geeignet?
Funkel: Da werden sie keine Namen von mir hören, ich will niemanden unter Druck setzen. Wir haben gute Spieler, aber der Weg zur Nationalmannschaft ist noch sehr weit. Unsere jungen Spieler müssen erstmal in der Liga Fuß fassen.
SPIEGEL ONLINE: Am Samstag spielen sie mit ihrer Mannschaft auswärts in Stuttgart. Wie denken sie darüber, dass ihr Kollege Armin Veh gleich zu Beginn der Saison als erster Abschusskandidat betrachtet wurde und sehr in der Kritik stand?
Funkel: Das liegt an Ihren Kollegen, weder an der Mannschaft noch an Armin Veh selber. Er ist ein hervorragender Trainer, das hat er auch schon bewiesen. Keine Ahnung, nach welchen Kriterien die Journalisten verfahren. Es ist absolut absurd, vor der Saison schon jemanden auszusuchen und zu sagen der verliert zuerst seinen Arbeitsplatz.
SPIEGEL ONLINE: Auch Sie haben schon zu denen gehört. Wie lebt es sich als Trainer damit?
Funkel: Wir Trainer nehmen das eigentlich immer mit einem Lächeln zur Kenntnis, weil wir wissen, das gehört leider heute dazu. Fast jeder von uns war schon mal derjenige, der als Abschusskandidat galt. Das ist absurd, geradezu pervers, dass man solche Dinge von Journalistenseite überhaupt betreibt, aber wir können es nicht ändern und können auch damit leben.
SPIEGEL ONLINE: Sie erweckten gerade den Eindruck, es gehe sehr kollegial und freundschaftlich unter den Trainern zu. Zunächst mal sind Trainer doch Konkurrenten.
Funkel: Das stimmt, aber das Verhältnis der Trainer untereinander hat sich verbessert. Kollegialität und Zusammenhalt unter Trainern sind hervorragend. Diese Entwicklung beobachte ich in den letzten zehn bis 15 Jahren.
SPIEGEL ONLINE: Wie ist das möglich im knallharten Geschäft der Bundesliga? Lässt sie der äußere Druck näher zusammenrücken?
Funkel: Wir unterscheiden zwischen dem Menschen und dem Trainer, gegen den man im Wettkampf antritt. Auch wenn das ein knallhartes Geschäft ist. Da wünscht der eine dem anderen nichts Schlechtes. Natürlich will ich selber Erfolg haben, aber nicht auf Kosten des anderen.
SPIEGEL ONLINE: Manchmal bleibt der Erfolg aus. Schildern sie doch mal ihre eigenen Erfahrungen. Woran erkennt oder spürt ein Trainer, dass sein Engagement dem Ende zugeht?
Funkel: Das spürt man nicht immer. Wenn man zu wenig Spiele gewinnt, dann wird die fachliche Arbeit, die alle Trainer von Bundes- bis Regionalliga mit Sicherheit sehr gut abliefern, bedeutungslos. Dann zählen Stimmungen im Stadion und in den Medien. Wenn der Vorstand dann schwächelt, ist der Trainer meistens das Opfer. Das hat nichts mit der Arbeit zu tun, ein Trainer kann vier Jahre lang hervorragende Arbeit getan haben, macht die gleiche Arbeit mit dem gleichen Engagement, nur verliert er eben drei, vier Spiele unglücklich. Ein schwacher Vorstand stellt ihn dann in Frage.
SPIEGEL ONLINE: Früher war die Eintracht bekannt für die unrealistischen Erwartungen der Fans und des Vorstandes. Unterscheidet sich die aktuelle Eintracht von der Vergangenheit?
Funkel: Der Vorstand fällt bei Gegenwind nicht um, die Mannschaft ist entwicklungsfähig, das Stadion ist toll. Und wir haben hervorragende Fans, die die Arbeit der Mannschaft anerkennen. Im Moment läuft es gut. Das ist trotzdem keine Gewähr, wir müssen weiterarbeiten und das werden wir machen. Hier ist Kontinuität und Vertrauen eingekehrt, auch wenn man mal ein paar Spiele verliert.
SPIEGEL ONLINE: Vertrauen in Ihre Arbeit?
Funkel: Nein, in unsere Arbeit. Wir arbeiten bei der Eintracht im Team, unsere Ziele sind realistisch, niemand schwebt hier auf Wolke sieben, wenn man mal drei oder vier Spiele gewinnt, und niemand macht alles schlecht, wenn man mal eine Phase hat, in der man auch mal Spiele verliert.
SPIEGEL ONLINE: Worin sehen sie den Grund für die zuletzt beeindruckenden Leistungen der Eintracht? Von den letzten sechs Spielen haben sie keines verloren.
Funkel: Hier steht der Mannschaftsgeist über allem, diese Geschlossenheit ist der Grund, warum wir seit zweieinhalb Jahren erfolgreich sind. Der Teamgeist ist unglaublich. Wir haben am letzten Wochenende acht Stammspieler ersetzt und reden gar nicht darüber, weil wir eine gut funktionierende Truppe haben. Jeder weiß was er zu tun hat, jeder weiß, wenn er zum Einsatz kommt hat er das Vertrauen. Das zahlt sich aus.
SPIEGEL ONLINE: Teamgeist ist ein schöner Begriff, aber wenn ein Spieler auf der Bank sitzt, denkt er da nicht zuerst an sich selbst?
Funkel: Wichtig ist der Respekt vor dem Mitspieler. Hier spinnt keiner Intrigen. Beim Training müssen wir eher bremsen. Egal ob ein Spieler spielt oder nicht. Hier ist in zwei Jahren etwas gewachsen. Wer auch nur ansatzweise zu erkennen gibt, dass er mit dem Kurs nicht einverstanden ist, der wird hier nicht lange spielen.
SPIEGEL ONLINE: Sie gelten unter den Trainern als harter Hund, haben sie nicht Angst, dass sich ihre Methoden irgendwann abnutzen?
Funkel: Da nutzt sich überhaupt nichts ab, jeder Trainer ist auf dem neuesten Stand, jeder Trainer hat immer wieder Veränderungen in der Mannschaft. Jedes Jahr kommen neue Spieler dazu, sie verändert sich. Ein Trainer nutzt sich nie ab. Wie denn? Das ist absoluter Quatsch.
Das Interview führte Thomas Spinnler