Interview mit Klaus Toppmöller "Hut ab vor dieser Mannschaft!"
Bayer 04 Leverkusen hat sensationell das Champions-League-Finale erreicht. Ist für Sie ein Traum wahr geworden ?
Toppmöller:
Es ist eine unglaubliche Leistung. Wenn man sieht, mit welchem Herzblut meine Mannschaft gespielt hat, kann man nur den Hut ziehen.
Sie sind als Spieler und Trainer 30 Jahre im Geschäft. Wie ist Ihre Gemütslage nach ihrem persönlich größten Erfolg und in der Vereinsgeschiche von Bayer?
Toppmöller: Wir tanzen jetzt in den Mai, trinken ein paar Bier, ich rauche ein paar Zigarettchen und dann fliege ich schon nach Madrid, um unseren Endspielgegner Real oder Barcelona zu beobachten.
Wie bereits beim 2:2 bei Manchester United ist Ihre Taktik der kontrollierten Offensive auch beim Rückspiel aufgegangen.
Toppmöller: Wir haben mit Oliver Neuville als einzige Spitze gespielt und auf einzelne Angriffe gesetzt. Die defensive Mannschaftsaufstellung von Manchester hat hingegen überrascht. Ich dachte, die wollten Druck machen, aber vielleicht wollten sie uns in der 1. Halbzeit müde laufen und uns dann in der zweiten abschießen.
Beinahe wäre das in der letzten Viertelstunde den United-Spielern noch gelungen, oder ?
Toppmöller: In der Endphase mussten wir auch das Glück in Anspruch nehmen. Doch in erster Linie ist es auch der Lohn für den guten Kampf der Mannschaft gewesen.
Der Ausfall von Abwehrchef Jens Nowotny nach acht Minuten vermutlich wegen eines Kreuzbandrisses im Knie war ein Schock.
Toppmöller: Der Ausfall wiegt ungeheuer schwer. Ich weiß noch nicht, wie wir ihn ersetzen können. Nach dem Ausscheiden von Jens haben Lucio und Boris Zivkovic aber toll gespielt. Das war ein Schlüssel zum Erfolg.
Ein Reihe von Bayer-Spielern war angeschlagen, allen voran Michael Ballack, dessen Einsatz bis kurz vor Spielbeginn wegen eines Blutergusses im Fuß auf der Kippe stand?
Toppmöller: Er konnte am Morgen vor dem Spiel nicht auftreten. Dass er so toll durchgehalten hat, zeigt, was für ein großer Spieler er ist.
Am Samstag geht es um die deutsche Meisterschaft. Mit einem Punkt Rückstand hinter Borussia Dortmund liegen die Leverkusener auf Platz zwei. Haben Sie noch eine Chance auf den Titel?
Toppmöller: Nie, nie aufgeben ist meine Devise. Ganz Fußball-Deutschland würde uns den Titel gönnen. Wir wollen Hertha BSC schlagen und glauben an unsere Möglichkeit.
Aber Ihre Mannschaft ist nach permanenten englischen Wochen seit September 2001 platt. Glauben Sie, dass die Spieler bis Samstag ihren Akku wieder aufladen können?
Toppmöller: Die Jungs haben in der ganzen Saison Charakter, Moral und vorbildliche Einstellung gezeigt. Wir haben größtenteils mit derselben Mannschaft fast 60 Spiele gemacht. Ich meine, da ist es wohl normal, dass einige platt sind und es Blessuren oder Wehwehchen gibt. Aber jetzt folgen noch drei Endspiele, und da lohnt es sich, noch einmal alles zu geben, richtig Gas zu geben, um den Lohn für harte und ehrlich Arbeit zu ernten. Verdient hat es diese tolle Mannschaft allemal.
Viele haben sie für verrückt erklärt, als sie davon sprachen, Real Madrid zum 100. Geburtstag im Champions-League-Endspiel persönlich gratulieren zu wollen.
Toppmöller: Ich träume halt gerne.
Aufgezeichnet von Andreas Schirmer und Joachim Neußer