Interview mit Klaus Toppmöller "Mein schönstes Fußball-Erlebnis"
Herr Toppmöller, 3:1 gegen Juventus Turin gewonnen, plötzlich ist der Einzug ins Viertelfinale der Champions League wieder möglich. Wie beurteilen Sie die Chancen im letzten Zwischenrundenspiel am 20. März bei Deportivo La Coruña?
Klaus Toppmöller:
Unglaublich, aber wahr: Mit einem Sieg in La Coruña können wir mit zehn Punkten sogar noch Gruppensieger werden, weil wir dann im direkten Vergleich besser sind als die Spanier. Mit La Coruña haben wir natürlich einen schweren Gegner vor der Brust. Aber ich habe mit La Coruña bisher gute Erfahrungen gemacht. Mit Eintracht Frankfurt habe ich 1993/94 im Achtelfinale des Uefa-Cups zweimal 1:0 gewonnen und im Hinspiel der Champions League mit Leverkusen mit 3:0 triumphiert.
La Coruña ist nach dem 2:0-Sieg bei Arsenal London schon sicher für das Viertelfinale qualifiziert. Glauben Sie, dass die Spanier gegen Bayer trotzdem in Bestbesetzung spielen werden?
Toppmöller: La Coruña spielt in Spanien um die Meisterschaft. Ich weiß nicht, was Deportivo macht. Es kann vielleicht ein Vorteil für uns sein, dass Deportivo schon eine Runde weiter ist. Wir können es aber auch mit einem Unentschieden schaffen, wenn Juventus gegen Arsenal gewinnt. Juve kann es sich nicht erlauben, gegen Arsenal unterzugehen.
Es war zu lesen, dass Sie Spieler gegen Juventus geschont haben, weil die Meisterschaft Priorität hat. Haben Sie rotieren lassen?
Toppmöller: Nein, das ist absoluter Unfug. Aber darauf haben wir die richtige Antwort gegeben. Die Zeitungsberichte waren auch Gegenstand der Mannschaftssitzung. Ich muss klarstellen: Michael Ballack hat im Bett gelegen, Oliver Neuville kommt mit seiner Risswunde am Fuß in keinen Schuh, und Boris Zivkovic war wegen der dritten Gelben Karte gesperrt. Deswegen hat die bestmögliche Mannschaft gespielt.
Die hat sich mit dem B-Sturm Dimitar Berbatow und Thomas Brdaric sowie Zoltan Sebescen und zum Schluss mit Marko Babic hervorragend geschlagen.
Toppmöller: Die Mannschaft hat einen tollen Sieg gegen einen Topclub in Europa errungen, mit Willensstärke, Moral und Charakter. Wenn man sieht, wer alles gefehlt hat, dann zeigt das, welcher Teamgeist in dieser Truppe steckt. Berbatow und Brdaric haben in der Bundesliga schon ein paar Punkte für uns geholt, sie sind vollwertige Mitglieder der Mannschaft, die muss ich nicht stark reden, beide haben gezeigt, dass sie gut zueinander passen. Für beide liegen Anfragen vor, aber wir lassen sie nicht gehen. Ich baue langfristig auf sie, denn sie werden bald Stammspieler sein. Für den Verein war es ein Glückstag, für mich das bisher schönste Fußball-Erlebnis.
Es können in dieser Saison noch weitere dazukommen, Bayer tanzt noch auf drei Hochzeiten, in der Meisterschaft, in der Champions League und steht im DFB-Pokalendspiel gegen Schalke 04.
Toppmöller: Die Mannschaft weiß, was möglich ist. Wir haben uns hohe Ziele gesetzt, und jeder Einzelne muss mitziehen, hundert Prozent Einsatz bringen, um sie zu verwirklichen. Priorität hat die Meisterschaft. Denn es ist Wunschdenken, dass wir die Champions League gewinnen.
Aufgezeichnet von Joachim Neußer, sid