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EM-Sensation Island: Keine Angst vor niemandem

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EM-Überraschung Island Kampfansage der Kugelfische

Island fliegen in diesem Turnier die Sympathien zu. Die Spieler glauben an die Fortsetzung ihres Sommermärchens - auch gegen Gastgeber Frankreich. Tatsächlich können sie nur gewinnen.

Island ist neben Wales die große Überraschung bei dieser EM. Schon die Qualifikation für das Turnier in Frankreich war ja sensationell, dann folgten das Erreichen der K.-o.-Runde und der 2:1-Sieg gegen England. Man könnte nun das Erreichte reflektieren, vielleicht über das anstehende Viertelfinale sprechen. Die Isländer halten sich damit nicht auf, sie machen sich bereits Gedanken über den Finaleinzug: "Wenn wir es ins Halbfinale schaffen, wird es nicht gerade der einfachste Weg ins Endspiel."

Islands Verteidiger Kári Árnason hat diesen bemerkenswerten Satz vor der Partie am Sonntag gegen Gastgeber Frankreich gesagt (21 Uhr, High-Liveticker SPIEGEL ONLINE; TV: ZDF). Ein Halbfinale gegen Deutschland, so der 33-Jährige, werde keine leichte Aufgabe.

Es ist nicht die einzige selbstbewusste Äußerung aus dem isländischen Mannschaftsquartier in Annecy. So sagte der ehemalige Hoffenheimer Gylfi Sigurdsson kurz und knapp: "Wer England schlägt, kann auch Frankreich schlagen." Und der Kapitän der Isländer, Aron Gunnarsson, verspricht: "Es stimmt schon, dass wir in jedem Spiel mehr Selbstbewusstsein einsammeln. Wir werden für Island kämpfen."

Warum nicht Island?

Geschadet haben diese selbstbewussten Aussagen den Underdogs nicht, im Gegenteil. Die Fantrikots sind längst ausverkauft, Dutzende Journalisten berichten von der tollen Stimmung auf Island, wo mittlerweile schon jeder zweite Einwohner und jede dritte Elfe interviewt worden sein dürfte. Auf Island dürften auch die Hoffnungen von ein paar Millionen europäischer Fußballfans liegen, die nach dem Ausscheiden ihrer eigenen Mannschaften einen neuen Favoriten gefunden haben.

Kolbeinn Sigthórsson hat in Gedanken jedenfalls schon einmal den EM-Pokal in den Nachthimmel von St. Denis gereckt: "Wir können jede Mannschaft der Welt schlagen. Und wenn wir jedes Spiel gewinnen, gewinnen wir auch das Turnier. Warum nicht?"

Tja, warum eigentlich nicht?

Die Isländer wissen um ihre Stärken und Schwächen. Dass sie einen pragmatischen Fußball gespielt haben, hat sie ja schließlich so stark gemacht. Eine gute defensive Organisation, lange Pässe und Einwürfe: Das genügte in der Vorrunde, um Portugal, Ungarn und Österreich ihre Grenzen aufzuzeigen, ehe man gegen England tatsächlich auch spielerisch ein paar Akzente setzte.

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Frankreich kann viel falsch machen

Und dennoch: Gegen Frankreich, das vor allem in der Offensive eine ganz andere individuelle Qualität hat als die desaströsen Engländer, hat Island eigentlich nur dann eine Chance, wenn das Team von Didier Deschamps sie unter- oder überschätzt. Beides ist allerdings nicht auszuschließen.

Zwar gibt es vom Trainerstab oder von den französischen Spielern keine einzige überhebliche Aussage, doch unmittelbar nach dem Sieg der Isländer gegen England feixten Journalisten und Altinternationale in den Fußballshows, nun sei Frankreich ja bereits im Halbfinale. Wenn dieses Denken zumindest das Unterbewusstsein des einen oder anderen Spielers prägt, hat Island schon gewonnen.

Genauso wäre es, wenn das Gegenteil passiert und sich die eigentlich recht selbstbewussten französischen Stars in den vergangenen Tagen ein paar Mal zu oft gefragt haben, warum um alles in der Welt diese Isländer schon so weit gekommen sind.

Wenn man nicht groß denkt, erreicht man nie etwas

Deshalb dürften Islands Spieler auch solch kraftstrotzende Sprüche von sich geben. Sie sind Teil des Matchplans: Sich selbst stark reden und auf keinen Fall verstecken, den Schwung aus dem England-Spiel hinüberretten. Die Isländer verhalten sich wie Kugelfische. Auch die pumpen sich bei Gefahr auf, um ihrem Fressfeind Respekt einzuflößen.

Dabei haben sie sich in den vergangenen Wochen tatsächlich ein paar Dinge erarbeitet. Das 4-4-2-System ist ihnen in Fleisch und Blut übergegangen, es verleiht der Mannschaft die Sicherheit, sich zusehends auch offensiv mehr zuzutrauen. Genau darauf hat das Trainerpaar Lars Lagerbäck/Heimir Hallgrímsson auch den Trainingsschwerpunkt gelegt: auf das Verhalten bei Ballbesitz, bei dem bisher doch vieles im Argen lag.

Sollte es gegen Lloris, Pogba, Griezmann und Co. nicht reichen, wird es jedenfalls nicht an ein paar selbstbewussten Sprüchen gelegen haben. Hallgrímsson hat im Grunde ja erklärt, warum er sie seinen Spielern nicht krumm nimmt. "Wenn man nicht groß denkt, erreicht man nie etwas."

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