Nächster DFB-Gegner Pirlo führt Italien ins EM-Halbfinale
Hamburg - Das Viertelfinale zwischen England und Italien war eine Partie mit leidenschaftlichen Zweikämpfen, tollen Pässen, guten Torchancen und starken Paraden. Kurz: ein richtig gutes Fußballspiel.
Und ein richtig dramatisches.
Am Ende setzte sich Italien 4:2 (0:0, 0:0) im Elfmeterschießen gegen England durch und trifft im Halbfinale am Donnerstag auf die deutsche Nationalmannschaft (Anpfiff 20.45 Uhr in Warschau, Liveticker bei SPIEGEL ONLINE). Dort könnte die DFB-Elf sich für das bittere Aus im Halbfinale 2006 revanchieren. Bisher konnte Deutschland in sieben Versuchen noch kein Turnierspiel gegen den viermaligen Weltmeister gewinnen.
Italiens Keeper Gianluigi Buffon wurde mit einer Parade gegen Ashley Cole zum Held im Elfmeterschießen. "Diese Mannschaft hat den Sieg verdient. Wir haben mit viel Geduld gegen eine starke und solide Mannschaft gespielt und diese ständig unter Druck gesetzt", sagte Trainer Cesare Prandelli und ergänzte: "Deutschland ist im Halbfinale Favorit. Aber wir genießen den Moment und beschäftigen uns erst ab morgen mit dem kommenden Gegner."

Viertelfinale gegen England: Italiens dramatischer Sieg
Schon die ersten fünf Minuten der Partie waren mit das Aufregendste, was diese EM bisher zu bieten hatte. Italien begann mit dem Anstoß - und gab den Ball drei Minuten lang nicht mehr her. Fast wäre die nächste Chance für England, das Spielgerät auch mal zu berühren, ein Wiederanstoß gewesen. Doch eine Direktabnahme von Daniele de Rossi aus knapp 30 Metern sprang vom Innenpfosten zurück ins Feld.
Fast im Gegenzug griff England über den rechten Flügel an, im Strafraum kam Verteidiger Glen Johnson aus drei Metern zum Schuss - doch Torhüter Buffon rettete mit einem überragenden Reflex. Zehn Minuten später hingegen faustete der Keeper von Juventus Turin eine harmlose Flanke unbedrängt zu Scott Parker, doch der verzog deutlich.
Überragender Pirlo leitet reihenweise Chancen für Italien ein
Die Szene zeigte, wie anfällig Italien auf den Außenpositionen ist. Immer wieder wurden die Engländer so gefährlich. Wayne Rooney hatte per Flugkopfball die gute Chance zur Führung, doch Ignazio Abate konnte gerade noch entscheidend stören (15. Minute).
Viel war im Vorfeld vom Duell der Skandalkicker Rooney und Mario Balotelli die Rede. Der italienische Angreifer wurde von Joleon Lescott und John Terry in der Innenverteidigung gut bewacht, ein gewagter Distanzschuss direkt nach Anpfiff blieb bis zur 25. Minute seine einzige Offensivaktion.
Dann aber stand der 21-Jährige nach einem starken Pass von Andrea Pirlo frei vor seinem ManCity-Vereinskollegen Joe Hart, brauchte aber etwas zu lange, um den Ball mitzunehmen. In letzter Sekunde konnte Terry klären. Hart parierte dann den nächsten Versuch Balotellis (32.) ebenso wie einen Distanzschuss von Antonio Cassano (38.). Der Stürmer vom AC Mailand legte drei Minuten später seinem Sturmpartner auf, diesmal grätschte Lescott dazwischen.
Es war kein Zufall, dass Italien nun reihenweise zu guten Chancen kam, die Mannschaft von Trainer Prandelli bestimmte klar das Tempo, hatte in der ersten Hälfte deutlich mehr Ballbesitz (60 Prozent) - und in Pirlo den besten Mann auf dem Platz. Der 33-Jährige holte sich die Bälle am eigenen Strafraum ab und leitete fast jeden Angriff seines Teams ein.
England vertraute hingegen auf die gut organisierte Abwehr und auf Konter. Danny Welbeck kam so nach Doppelpass mit Rooney aus 18 Metern zum Abschluss, doch der 21-Jährige setzte den Ball rechts neben das Tor (32.).
Rooney und Balotelli scheitern mit ihren Fallrückziehern
Wie schon zu Beginn der ersten Hälfte hatte auch nach Wiederanpfiff de Rossi die erste Chance. Mit dem schwächeren linken Fuß schoss er freistehend am Tor vorbei (47.), fünf Minuten später prüfte er mit einem Distanzschuss Hart. Der Keeper ließ den Ball abprallen und wurde von Balotelli angeschossen. Im Nachsetzen vergab Riccardo Montolivo. Spektakulär ging es weiter, aber Balotellis Fallrückzieher flog über das Tor (60.).
Beide Mannschaften schlugen danach ein deutlich niedrigeres Tempo an, der Sturmlauf hatte viel Kraft gekostet. Schon nach 70 Minuten wurde Englands Kapitän Steven Gerrard von Krämpfen geplagt. Ein Distanzschuss von Alessandro Diamanti war einer der seltenen Abschlüsse in der Schlussphase. Johnson blockte in der Schlussminute Antonio Nocerino, Rooneys Fallrückzieher in der Nachspielzeit ging über das Tor - das Spiel ging in die Verlängerung.
Dort hielt Hart gegen Balotelli (98.), eine verunglückte Flanke von Diamanti landete am Außenpfosten (101.). England stellte seine Angriffsbemühungen komplett ein, Italien suchte zwar die Entscheidung, doch entweder die Schüsse gingen daneben, oder der Schütze stand im Abseits (Nocerino/115.).
Im Elfmeterschießen machte Balotelli den Anfang für Italien und verwandelte lässig, ebenso wie im Gegenzug Gerrard. Montolivo schoss vorbei, Rooney traf sicher. Pirlo verlud lässig Hart und lupfte seinen Elfer in die Mitte. Ashley Young traf nur die Latte, Nocerino ins Tor und Buffon parierte gegen Ashley Cole. Diamanti machte den Halbfinaleinzug der Italiener dann perfekt.
Der Rest war grenzenloser Jubel der Italiener.
England - Italien 2:4 (0:0, 0:0, 0:0) n.E.
Elfmeterschießen:
0:1 Balotelli
1:1 Gerrard
Montolivo verschießt
2:1 Rooney
2:2 Pirlo
Young verschießt
2:3 Nocerino
Cole verschießt
2:4 Diamanti
England: Hart - Johnson, Terry, Lescott, Cole - Gerrard, Parker (94. Henderson) - Milner (61. Walcott), Young - Rooney - Welbeck (60. Carroll)
Italien: Buffon - Abate (90.+1 Maggio), Barzagli, Bonucci, Balzaretti - Pirlo - Marchisio, Montolivo, De Rossi (80. Nocerino) - Balotelli, Cassano (78. Diamanti)
Schiedsrichter: Pedro Proenca (Portugal)
Zuschauer: 64.000 (in Kiew)
Gelbe Karten: - Barzagli, Maggio