Umbruch in Italiens Nationalmannschaft Alles auf Anfang

Mario Balotelli kehrt zurück ins Team, ansonsten setzt Italiens Nationaltrainer Roberto Mancini auf unerfahrene Talente. Gelingt der Squadra Azzura nach der vermurksten WM-Qualifikation ein erfolgreicher Neustart?
Roberto Mancini

Roberto Mancini

Foto: CLAUDIO GIOVANNINI/EPA-EFE/REX/Shutterstock

Es sind aufregende Tage für Roberto Mancini, den immer noch recht neuen Trainer Italiens. Seit Mitte Mai hat er dieses Amt inne, und seitdem ist ein historischer Sommer vergangen, an den sich Italiens Fußballfans nur ungern erinnern werden. Erstmals seit 60 Jahren hatte sich die Squadra Azzura, der viermalige Weltmeister, nicht für eine WM qualifiziert.

Mancini blieb also viel Zeit, um sich eine Strategie für den Neuanfang zu überlegen, und er wählte eine, die einigen übel aufstoßen dürfte.

Als Mancini, 53, Anfang der Woche seinen 31-Mann-Kader für die beiden Spiele in der Nations League gegen Polen am Freitag (20.45 Uhr) und Portugal am Montag vorstellte, legte er sich gleich mal mit den Großklubs der Serie A an. Es bekämen zu wenig junge Italiener eine echte Chance in der Liga, sagte Mancini. "Ich hoffe, dass sie mit der Zeit mehr Einsatzzeiten erhalten." Schließlich seien viele dieser Talente schon jetzt besser als ihre ausländischen Konkurrenten.

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Und weil er gerade dabei war, setzte Mancini noch einen drauf. "Wir haben Probleme im Mittelfeld, weil Lorenzo Pellegrini, Bryan Cristante und Roberto Gagliardini schlecht eingesetzt werden", sagte er. Seine Kritik zielte in Richtung AS Rom und Inter Mailand, bei denen die neuen Hoffnungsträger für die Zentrale unter Vertrag stehen, aber nicht immer von Beginn an spielen. Die Kritik war deutlich - und womöglich zu forsch.

Denn Klub- und Nationaltrainer haben mitunter ganz unterschiedliche Ziele und Wünsche, das liegt schon an ihrer Aufgabe. Natürlich setzen auch viele Vereinstrainer auf einheimische und junge Spieler, doch ihre dringlichste Aufgabe ist es, den kurz- und mittelfristigen Erfolg ihres Arbeitgebers zu sichern.

Mancini als Nationaltrainer sähe es natürlich lieber, würden sie dabei vor allem auf Spieler aus seinem Kader setzen. Doch das tun die Spitzenklubs selten: Bei Juventus Turin und Inter Mailand stehen oft nur drei Italiener in der Startelf, in Neapel zwei und bei der Roma manchmal nur einer.

Viele Überraschungen im Kader

Das führt dazu, dass Mancini auf einige Unbekannte setzen wird. Ein radikaler Umbruch, jetzt, da die Auswahl gewissermaßen am Nullpunkt angelangt ist. Im Kader stehen acht Spieler ohne Länderspieleinsatz, einige von ihnen kennen bislang nur Experten. Zum Beispiel Nicolò Zaniolo, 19, der Italiens U19 bei der EM in diesem Sommer bis ins Finale führte, bei der Roma aber noch ohne jeden Serie-A-Einsatz ist. Und dann ist da noch das große Versprechen für Italiens Zukunft: Der erst 17-jährige Pietro Pellegri, für den Monaco mehr als 20 Millionen Euro hingelegt haben soll.

Nicolò Zaniolo,

Nicolò Zaniolo,

Foto: CLAUDIO GIOVANNINI/EPA-EFE/REX/Shutterstock

Von den Routiniers sind nur noch Giorgio Chiellini und Leonardo Bonucci dabei. Daniele De Rossi und Gianluigi Buffon werden nur noch im Notfall berufen, dafür ist Mario Balotelli zurück. Vier Jahre lag sein letztes Länderspiel zurück, als ihn Mancini zu seiner Premiere Ende Mai zurückholte. In Italien hat sich niemand darüber gewundert, zu erfolgreich hatten Mancini und Balotelli einst schon in Mailand und Manchester zusammengearbeitet.

Mancini feierte die Tore des Angreifers, der Zeit seiner Karriere zwischen den Extremen pendelte, und er verfluchte seine Eskapaden. Balotelli war immer nur Genie oder Wahnsinn. Es wusste bloß kaum ein anderer Trainer so gut damit umzugehen wie Mancini.

War mit Balotellis Nominierung zu rechnen, überraschte Mancini an anderer Stelle. Etwa wenn er für den Nations-League-Auftakt Spieler nominiert, die niemand erwartet hatte. Oder wenn er plötzlich den Trainingsplatz mit lauter Musik beschallen lässt. Queen, The Rolling Stones, auch Miley Cyrus. "Das war neu für mich", sagte Torhüter Gianluigi Donnarumma. Er dürfte die ungewöhnliche Motivationsstütze  gemeint haben, vielleicht hatte ihn aber auch nur der Musikgeschmack seines Trainers überrascht.

In Italien hoffen sie nun, dass nicht nur vieles neu, sondern auch besser wird. Auf seine Ideen allein wird sich Mancini kaum verlassen können, er braucht den Erfolg, sprich: die EM-Teilnahme. Sonst wird man ihm seine vielen Veränderungen später vorhalten, statt ihn dafür zu loben. Die erhoffte Revolution wäre dann zu einem Revolutiönchen verkommen.

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