Werder Bremen Ivan Klasnic erhält im Rechtsstreit über Nierenschäden mehr als vier Millionen Euro

Ivan Klasnic im Februar 2020 beim Spiel von Werder Bremen gegen Borussia Dortmund
Foto: MIS / imago imagesDer Rechtsstreit zwischen Ivan Klasnic und ehemaligen Ärzten von Werder Bremen ist nach mehr als zwölf Jahren beigelegt. Wie der Anwalt des ehemaligen Bundesligaprofis dem SPIEGEL bestätigte, einigten sich die Parteien heute vor dem Bremer Oberlandesgericht auf einen Vergleich. Nach SPIEGEL-Informationen erhält Klasnic mehr als vier Millionen Euro Schmerzensgeld und Schadensersatz. Zuerst hatte die ARD-»Sportschau« darüber berichtet.
Klasnic hatte Werder Bremen und die behandelnden Ärzte für seine Nierenschäden mitverantwortlich gemacht, weil er während seiner Fußballkarriere trotz bereits schlechter Nierenwerte regelmäßig Schmerzmittel eingenommen hatte. Die Präparate können bei zu hoher Dosierung beziehungsweise über zu langen Zeitraum eingenommen zu Langzeitschäden an den Organen führen. Der heute 40-Jährige lebt inzwischen mit seiner dritten Spenderniere und ist auf Dauer gesundheitlich eingeschränkt, er ist täglich auf Medikamente angewiesen.
Klasnics Anwalt Matthias Teichner sagte dem SPIEGEL, dass er »nicht den geringsten Zweifel« habe, »dass die Fehler und Versäumnisse der beiden Ärzte so offenkundig waren«, dass auch das Oberlandesgericht die Ärzte zu Schadensersatz verurteilt hätte. Der Vergleich sei nur möglich geworden, weil sich die Ärzte »endlich dazu durchringen konnten, ihr Bedauern über die Vorkommnisse zum Ausdruck zu bringen. Eine Entschuldigung, wie sie mein Mandant verständlicherweise gewünscht hatte, konnte aus rechtlichen Gründen nicht erwartet werden.«
Klasnics Nierenwerte waren ärztlichen Gutachten zufolge bereits im Jahr 2001 auffällig schlecht gewesen. Verschlimmert wurde dies demnach durch Schmerzmittel, meist Voltaren. Es enthält den Wirkstoff Diclofenac, von dem Klasnic bei Werder über einen Zeitraum von mehr als vier Jahren insgesamt 3250 Milligramm erhalten haben soll. Der Wirkstoff ist für eine angeschlagene Niere Gift, selbst kleinste Mengen können Schäden auslösen. Doch angemessen behandelt wurde Klasnics Nierenschaden erst, als dieser Ende 2005 wegen akuter Blinddarmentzündung ins Krankenhaus kam und andere Ärzte den Schaden entdeckten. 2007 erhielt er seine erste Spenderniere.
Ärzte entgehen mit Vergleich einem Urteil
Die Klage gegen die Ärzte hatte der ehemalige Stürmer im April 2008 am Bremer Landgericht eingereicht. Er wirft ihnen vor, die Nierenerkrankung nicht erkannt beziehungsweise nicht richtig behandelt zu haben. Durch Gutachten, Gegengutachten und Berufung verzögerte sich das Verfahren über Jahre.
Für Teichner, einen erfahrenen Anwalt im Arzthaftungsrecht aus Hamburg, hat der Prozess grundsätzlichen Charakter. Er zeige einmal mehr, so Teichner, wie schwer es für Patienten sei, sich vor Gericht gegen Ärzte durchzusetzen. Zwölf Jahre prozessierte Klasnic, »viele andere Patienten hätten zwischenzeitlich allein aus finanziellen Gründen längst aufgeben müssen«.
In erster Instanz bekam Klasnic in den wesentlichen Punkten recht. Das Landgericht Bremen sprach ihm im März 2017 ein Schmerzensgeld von 100.000 Euro zu, die schwerwiegenden Fehler in der Behandlung von Klasnic waren durch Gutachter bestätigt worden. Die Beklagten sollten zudem für Verdienstausfall und Behandlungskosten aufkommen – damit ging es der Rechnung Klasnics zufolge um Millionen. Mit dem Vergleich bleibt den Ärzten nun ein Urteil erspart. Für die Vergleichssumme werden mehrere Versicherungen aufkommen.
Anwalt warnt vor Interessenkonflikten bei Mannschaftsärzten
Für Klasnic-Anwalt Teichner zeigt der Fall der Bremer Ärzte zudem, »in welches gefährliche Fahrwasser Mannschaftsärzte geraten beziehungsweise geraten können, wenn es gilt, bei der Behandlung zwischen den gesundheitlichen Interessen ihrer Patienten und den wirtschaftlichen des jeweiligen Vereins abzuwägen. Anscheinend werden selbst größte Gesundheitsschäden einzelner Spieler billigend in Kauf genommen, um sie mit Verletzungen so lange wie möglich und nach Krankheiten so schnell wie möglich wieder am Spielbetrieb teilnehmen zu lassen. Im Falle meines Mandanten war dem jedenfalls so.« Man habe »sogar den Tod des Spielers riskiert, als man ihn mit einem Kreatininwert von 3,0 spielen ließ«.
Klasnic spielte in seiner Profikarriere neben Bremen auch für den FC St. Pauli, FC Nantes, die Bolton Wanderers, Mainz 05 und die kroatische Nationalmannschaft. Mit Werder Bremen wurde der gebürtige Hamburger in der Saison 2003/04 DFB-Pokalsieger und deutscher Meister. 2013 beendete er seine Karriere.