Ivanauskas-Interview "Auch an der Seitenlinie werde ich böse sein"
SPIEGEL ONLINE:
Herr Ivanauskas, am Samstag in Nürnberg sitzen Sie als Co-Trainer der litauischen Nationalmannschaft erstmals in der Karriere auf der Trainerbank. Wie ist Ihre Gefühlslage?
Valdas Ivanauskas: Natürlich bin bin aufgeregt und spüre das Kribbeln. Wir spielen ja nicht gegen einen kleinen Gegner, Deutschland ist immerhin der Vizeweltmeister.
SPIEGEL ONLINE: Wann werden Sie Nationaltrainer Ihres Landes?
Ivanauskas:(lacht) Naja, bis dahin wird noch etwas Zeit vergehen. Aber ich gebe zu, dass ich Ambitionen habe.
SPIEGEL ONLINE: Sie haben in Ihrer langen Karriere unter vielen Trainer gespielt. Gibt es darunter jemanden, den Sie sich zum Vorbild nehmen?
Ivanauskas: Ich habe einige Trainer erlebt. Den leider schon verstorbenen Walerij Lobanowski beispielsweise, in meiner Zeit als Nationalspieler der UdSSR. Der war ein großer Psychologe. Prohaska bei Austria Wien, Felix Magath und Benno Möhlmann beim HSV - ich schätze die Trainer meiner aktiven Zeit als Spieler. Denn alle waren Respektspersonen. Ich versuche mir für meine künftige Laufbahn das Beste von jedem mitzunehmen. Jeder Trainer hat mir etwas gebracht, auch die schlechten.
SPIEGEL ONLINE: Als Spieler galten Sie als Heißsporn. Als Trainer müssen Sie sich künftig mit dem vierten Schiedsrichter auseinander setzen. Die Coaching-Zone bietet nicht gerade viel Freiraum.
Ivanauskas: Wenn ich ungerecht behandelt werde, werde ich auch an der Seitenlinie böse sein. Ich bin aber inzwischen erwachsen geworden, und als Trainer habe ich eine Vorbildfunktion. Deswegen muss ich aufpassen. Aber immer nur ruhig auf der Bank sitzen, werde ich ganz bestimmt nicht.
SPIEGEL ONLINE: Litauen liegt nach zwei Spielen in der Gruppe nur einen Punkt hinter dem Zweiten der Tabelle, Schottland. Wie realistisch ist das Erreichen der Playoffspiele?
Ivanauskas: Deutschland ist der hohe Favorit und wird sich für die Europameisterschaft qualifizieren. Das ist klar. Dahinter gibt es drei Mannschaften mit Chancen auf den zweiten Platz: Schottland, wir und Island. Am Mittwoch nächster Woche (Litauen empfängt Schottland, d. Red.) wird eine kleine Vorentscheidung fallen.
SPIEGEL ONLINE: Hat sich die litauische Nationalmannschaft gegenüber dem Spiel im September verändert?
Ivanauskas: Kaum. Es sind fast dieselben Spieler. Wir sind ein kleines Land und haben nicht so viel Auswahl wie Deutschland oder andere Nationen.
SPIEGEL ONLINE: Wie wird der deutsche Fußball in Ihrer Heimat gesehen? Die Nationalmannschaft ist zwar Vizeweltmeister geworden, aber im Europapokal steht keine deutsche Mannschaft im Viertelfinale.
Ivanauskas: Der Europapokal in dieser Saison ist eine Ausnahme. Deutschland wird immer Macht im Weltfußball sein. Da braucht man nichts schönzureden. Deutschland ist gegen uns hoher Favorit.
SPIEGEL ONLINE: Basketball ist in Litauen der eigentliche Nationalsport. Wie haben Sie es geschafft, als Fußballer trotzdem einer der bekanntesten Sportler des Landes zu werden?
Ivanauskas: Basketball ist zwar klar die Nummer eins. Aber ich habe auch eine erfolgreiche Karriere hinter mir und habe dabei einige Länder gesehen. Ich bin froh, wenn heute Leute diese Leistung anerkennen. Wir Fußballer möchten die Richtung der Basketballer allzu gerne einzuschlagen. Das wird allerdings noch ein langer und harter Weg.
SPIEGEL ONLINE: Was fehlt dem litauischen Fußball, um zukünftig erfolgreicher zu sein?
Ivanauskas: Wir brauchen solche Spiele wie gegen Deutschland. Das ist für uns alle ein Erlebnis. Jeder Spieler muss das für sich nutzen. Gegen Nationen wie Deutschland, Italien oder Spanien zu spielen ist hilfreich für die Zukunft.
SPIEGEL ONLINE: Gibt es einen litauischen Spieler, vor dem sich Rudi Völlers Mannschaft fürchten muss?
Ivanauskas: Nein, Deutschland hat eine zu starke Mannschaft. Überraschen werden wir die bestimmt nicht. Der Rudi weiß Bescheid, er hat alle Videokassetten von unseren Spielen angeschaut. Der weiß alles über uns.
Die Fragen stellte Andreas Lampert