Möglicher Blatter-Nachfolger Champagne Menschenfänger mit Kontakten

Präsidentschaftsanwärter Champagne: Lob für Blatter, kein Wort zu Platini
Foto: AFPJérôme Champagne hat bei seiner Bewerbung um das Präsidentenamt des Fußball-Weltverbands Fifa große Versprechungen gemacht. "Es sind nicht persönliche Machtgelüste, die mich motiviert haben, sondern meine Überzeugung, dass dem Fußball und der Fifa in der globalisierten Welt des 21. Jahrhunderts eine besondere Rolle zukommt", schreibt der 55-jährige Franzose auf seiner Webseite: "Der Fußball darf niemals der unsichtbaren Macht des Marktes überlassen werden."
Auch wenn es so klingen mag: Champagne ist alles andere als ein Sozialromantiker. Er ist ein gewiefter, gebildeter Politiker, wie es im Fußballbusiness und auch in der olympischen Sportwelt nur wenige gibt. Er ist absolut präsidiabel. Champagne ist in der Fifa bestens vernetzt und in der Administration des Verbands außerordentlich beliebt.
Seine Karriere begann im diplomatischen Dienst. Er war anderthalb Jahrzehnte unter anderem in Frankreichs Botschaften und Konsulaten in Oman, Kuba, den USA und Brasilien tätig. Seit seiner Zeit in Brasilien kennt er Pelé, der damals Sportminister war und jetzt Champagnes Kandidatur unterstützt.
Im Organisationskomitee der WM 1998 in Frankreich war Champagne Protokollchef unter Michel Platini. Im Juni 1998 übernahm Joseph Blatter mit Unterstützung von Platini und Champagne die Fifa-Präsidentschaft. Bald darauf arbeiteten beide für den Weltverband, Platini als technischer Berater, Champagne wurde später Direktor für internationale Beziehungen. 2007 halfen Blatter und Champagne ihrem damaligen Kompagnon Platini, die Macht in der Uefa zu übernehmen. Doch das Trio brach auseinander - und könnte nun um die Fifa-Präsidentschaft konkurrieren.
Im Januar 2010 musste Blatter Champagne entlassen. Einigen Mitgliedern des Exekutivkomitees war der Franzose zu mächtig geworden. Seither schlug er sich als Berater durch, arbeitet zum Beispiel für die Verbände von Palästina und Kosovo. Seine Kandidatur für die Fifa-Präsidentschaft steht unter dem Motto "Hope for Football", Hoffnung für den Fußball. Er will "das Ungleichgewicht zwischen Kontinenten, Ländern und sogar innerhalb der nationalen Meisterschaften" justieren, Verbandsstrukturen gegenüber Interessen von Vereinen und Investoren stärken - und sich für Demokratie und Glaubwürdigkeit in der Fifa einsetzen.
Geboren
15. Juni 1958 in Paris
Wohnort
Zürich
Beruf
Diplomat im französischen Dienst (u.a. in Brasilien, Oman, USA) - Politischer Berater (u.a. für die Fußballverbände von Palästina, Kosovo)
Fifa-Tätigkeiten
1999-2010 u.a. Direktor für Internationale Beziehungen
Champagne präsentierte seine Pläne in London. Einerseits ist der Ort mit Bedacht gewählt, denn in England hat sich Blatter zuletzt mehrfach blamiert, etwa als er sich über Cristiano Ronaldo lustig machte. Andererseits sollte man vorsichtig sein, Gegensätze zwischen Champagne und Blatter zu kreieren. Champagne lobt Blatter für dessen "phantastische Arbeit". Wogegen er auf die Frage nach dem Programm des potentiellen Kandidaten Platini mit einer Gegenfrage antwortete: "Kenne ich nicht. Kennen Sie es?"
Kaum jemand in der Szene hat ein besseres Verhältnis zu Journalisten. Champagne ist etlichen Berichterstattern freundschaftlich verbunden. Er hat vor mehr als drei Jahrzehnten in der Redaktion der Zeitschrift "France Football" gejobbt. Champagne ist ein Menschenfänger, hat als Diplomat eine exzellente Ausbildung genossen, er spricht ein halbes Dutzend Sprachen, seine kommunikativen Fähigkeiten sind bemerkenswert. Natürlich sind auch Platini und Blatter passable Kommunikatoren, doch Champagne ist in dieser Disziplin professioneller.
Er schlägt nun öffentliche Diskussionsrunden von Fifa-Präsidentschaftsanwärtern vor, auch Fernsehduelle in den größten TV-Stationen auf allen Kontinenten. Bei der letzten großen Wahl im Weltsport, der Wahl des IOC-Präsidenten, war es den sechs Kandidaten sogar untersagt, ihre Programme öffentlich zu präsentieren. Champagne wird also schon zu Beginn seiner Kampagne seinem Ruf gerecht, ein etwas anderer Kandidat zu sein. Wie sein Wahlkampf finanziert werden soll, bleibt allerdings offen.
Regel 24 könnte Probleme machen
Sollte Blatter für eine fünfte Amtszeit kandidieren, habe er selbst keine Chance, räumt Champagne ein. Weshalb sich die Frage aufdrängt, ob es ihm vielleicht doch nur darum geht, Platini und einen anderen Franzosen, den Fifa-Generalsekretär Jérôme Valcke, zu verhindern? Champagne hasst Valcke, dessen oft tölpelhaftes Vorgehen und dessen undurchsichtige Geschäfte.
Die Fifa-Regeln für Präsidentschaftskandidaten wurden 2013 geändert. Sie könnten es Champagne noch schwer machen und vielleicht Juristen beschäftigen. Denn Regel 24 besagt, dass ein Kandidat bis vier Monate vor dem Wahlkongress, also bis zum 29. Januar 2015, von mindestens fünf Nationalverbänden schriftlich unterstützt werden muss. Außerdem muss er in den fünf Jahren vor der Wahl mindestens zwei Jahre lang "eine aktive Rolle im Association Football gespielt haben".
Ob dazu auch Champagnes Berater-Mandate in Palästina oder im Kosovo zählen, bleibt offen. Er wähnt sich auf der sicheren Seite.