Rauswurf von Mourinho in Chelsea Absturz eines Superstars
Mit José Mourinho ist einer der erfolgreichsten Trainer der Fußballwelt von seinem Klub FC Chelsea entlassen worden - auch wenn die offizielle Sprachregelung "beiderseitiges Einvernehmen" behauptet. Damit ist das Engagement des Portugiesen bei seinem vermeintlichen Herzensklub nur wenige Monate, nachdem sein Vertrag bis 2019 verlängert worden war, beendet. Wie konnte es dazu kommen?
Was sind die Gründe für Mourinhos Rauswurf?
Der sportliche Einbruch Chelseas in dieser Saison, nachdem die Blues im Sommer noch souverän Meister geworden waren, ist extrem. Im heutigen europäischen Spitzenfußball stürzen Spitzenteams in der Regel nicht mehr komplett ab; zu groß sind die finanziellen Unterschiede innerhalb der Ligen und die entsprechenden Qualitätsunterschiede in den Spielerkadern.
Das galt insbesondere auch für Mourinhos Mannschaften. Seit er 2002 den FC Porto übernahm, wurden seine Teams achtmal Meister in ihren Ligen, dreimal Vizemeister und nur einmal Dritter. Nun aber steht Chelsea nach der Niederlage in Leicester am Montag auf Platz 16 der Premier League, nur einen Punkt vor den Abstiegsrängen. Schon jetzt hat Chelsea elf Pflichtspiele in dieser Saison verloren. In der gesamten Vorsaison waren es nur vier gewesen.
Wie ist der Misserfolg zu erklären?
Betrachtet man nur den Kader, so ist Chelseas Bilanz in dieser Spielzeit völlig unverständlich. Das Aufgebot ist nicht schlechter als das der Vorsaison. Schwere Verletzungen blieben größtenteils aus, und die Startelf, die in Leicester die zweite Niederlage gegen einen Aufsteiger in Folge erlitt, entsprach eins zu eins der Erfolgsmannschaft der Meistersaison. Gravierender scheinen sich hingegen die Spannungen zwischen Mourinho und seinen Spielern entwickelt zu haben.
Nach der Niederlage in Leicester gab er seinen Profis die Schuld an den schlechten Ergebnissen. Sie hätten ihn "verraten" und dürften sich nicht als "Superstars" fühlen. Er selbst habe die Spieler auf Leicesters Stärken vorbereitet, die aber hätten seine Anweisungen nicht umgesetzt. Dieses indirekte Eingeständnis eines zerrütteten Arbeitsverhältnisses dürfte mitentscheidend dafür sein, dass Chelseas Besitzer Roman Abramowitsch seinen Plan aufgab, endlich mehr Geduld mit seinen sportlichen Leitern zu zeigen als zuvor.
Dass Mourinho Leicesters Balljungen kritisierte oder sich regelmäßig als Opfer von Fehlentscheidungen der Schiedsrichter sah, entsprach durchaus seinem früheren Verhalten. Damals aber hatte er immer die Spieler hinter sich gewusst, wenn er die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zog und eine "Alle-sind-gegen-uns"-Mentalität heraufbeschwor. Speziell sein angeschlagenes Verhältnis zu Kapitän John Terry, den er am zweiten Spieltag im Spitzenspiel bei Manchester City zur Pause ausgewechselt hatte, könnte Mourinho die Loyalität der Mannschaft gekostet haben.
Wie geht es weiter für Chelsea?
Wie der "Telegraph" berichtet, soll bis zum Saisonende ein ehemaliger Chelsea-Interimstrainer die Blues zum zweiten Mal übernehmen. Guus Hiddink gewann 2009 den FA-Cup, als er im Februar für den entlassenen Luiz Felipe Scolari einsprang. Hiddink weist bis heute den besten Punkteschnitt aller Chelsea-Trainer in der Premier League auf.
Als möglicher langfristiger Nachfolger Mourinhos wird Carlo Ancelotti gehandelt. Dass auch er, wie Hiddink und der Portugiese, schon einmal an der Stamford Bridge gearbeitet hat (2009-2011), zeigt einerseits, wie klein das Feld der Weltklassetrainer ist, die für einen so renommierten Job in Frage kommen. Andererseits offenbart es auch eine gewisse Ratlosigkeit im Klub. Ein personeller Umbruch ist überfällig. Die Ära, die von Spielern wie Frank Lampard, John Terry, Ashley Cole und Didier Drogba geprägt wurde, ist vorbei. Eine klare Idee davon, in welche Richtung sich der Klub entwickeln möchte, ist aber nur schwer zu erkennen.
Ein interessanter Kandidat könnte Diego Simeone sein. Sein defensiver Stil könnte sich mit großen Teilen des jetzigen Chelsea-Kaders weiter entwickeln lassen, und beim überschuldeten Atlético Madrid dürfte er mit dem Meistertitel 2014 und dem Einzug ins Champions-League-Finale das Maximum erreicht haben. Denkbar wären auch Antonio Conte, jetzt noch italienischer Nationaltrainer, oder Unai Emery vom FC Sevilla.
Wie geht es weiter für Mourinho?
Die im gerade erst verlängerten Vertrag festgelegte Abfindung von 50 Millionen Euro dürfte Mourinho nicht erhalten. Darauf deutet die Sprachregelung "im beiderseitigen Einvernehmen" hin. Englische Medien gehen aber davon aus, dass der Trainer rund zehn Millionen kassieren dürfte. Und danach?
Viele Klubs kommen nicht infrage für einen Mann mit seiner Vita und den entsprechenden Gehaltsvorstellungen. Real Madrid, Manchester United, Bayern München, Paris Saint-Germain, das ist die Preisklasse, in der Mourinhos nächster Arbeitgeber angesiedelt sein müsste. Madrid ist in diesem Zusammenhang nur darum plausibel, weil Rafael Benítez dort um seinen Job bangt. Mourinho selbst ging dort aber 2013 nicht gerade als Held.
Bayern erscheint nicht als wahrscheinlichstes Ziel. Zumindest ist es zweifelhaft, ob das Image, das Mourinho in Deutschland anhaftet, von den Verantwortlichen in München als passend angesehen wird. Es könnte allerdings ein Ziel für Mourinho sein, in der Bundesliga auch noch einmal Meister zu werden, nachdem er das zuvor schon in Portugal, England, Italien und Spanien geschafft hat. Doch auch in Frankreich hat er noch nie gearbeitet. PSG ist auch deshalb nicht ganz aussichtslos, weil Laurent Blanc dort mangels internationaler Erfolge nicht unumstritten ist. Gerüchte sehen Mourinho in Paris schon wieder mit Cristiano Ronaldo vereint. Das Geld aus Katar soll es möglich machen.
Vor zwei Jahren sprach Mourinho davon, dass es sein Traum sei, zum Karriereende mit der portugiesischen Nationalelf Weltmeister zu werden und sich dann mit 65 zur Ruhe zu setzen. Bis dahin ist aber noch etwas Zeit: Aktuell ist Mourinho erst 52 Jahre alt.