Kahn-Biografie Der Gefangene im Strafraum
München - Oliver Kahn ist seit Tagen Gesprächsthema - und will es angeblich gar nicht sein. Das Rad Oliver Kahn sei überdreht, so langsam wachse ihm alles über den Kopf, er finde keine Ruhe mehr, hat sich der 34-Jährige in einem Interview mit einer Münchener Boulevardzeitung beklagt. Trotzdem stand er am Mittwoch schon wieder im Rampenlicht - zur Präsentation seines Buches in München.
Wenn einer seine Ruhe haben will, sieht das anders aus. Seit Tagen bereits druckt die "Bild"-Zeitung neben Passagen aus Kahns literarischem Werk auch das Neueste aus seinem Privatleben. Bei der Vorstellung des Buches, das schlicht "Nummer eins" heißt, herrschte erst recht Aufregung. Im "Literaturhaus München" moderierte die renommierte Schauspielerin Senta Berger - die Kahn für "eine ganz große Persönlichkeit" hält - vor vollem Haus und der Nachrichtensender N24 sendete live.
Authentische Reflexionen
Das Buch will Kahn nicht als Autobiographie verstanden wissen, sondern eher als eine Art "Reflexion". Er habe es ohne Ghostwriter verfasst, seine Gedanken selbst auf Tonbänder diktiert, sie abschreiben lassen und dann mit der Lektorin bearbeitet. Der "Süddeutschen Zeitung" verriet Kahn, die Suche nach passenden Formulierungen habe ihn "bald verrückt" gemacht.
Diese "Reflexionen" sind "zu hundert Prozent authentisch", darauf legt Kahn großen Wert, und sie werden keine Skandale auslösen, wie etwa einst "Anpfiff" von Toni Schumacher oder zuletzt die Erinnerungen von Stefan Effenberg. "So was wollte ich nicht schreiben", betont Kahn, vielmehr wolle er auch versuchen, mit seinem literarischen Beitrag "jungen Menschen etwas mitzugeben, irgendwas Positives".
Deshalb biss die stark vertretene Journalistenschar auch bei Fragen nach seinem Privatleben bei Kahn auf Granit. "In dieser Pressekonferenz geht es um das Buch und nicht um die Trennung von meiner Freundin. Über mein Privatleben werde ich mich hier nicht äußern", wehrte Kahn die Frage einer RTL-Journalistin ab, die das neueste aus dem Hause Kahn erfahren wollte.
Ein Buch zur Selbstverteidigung
Das Buch beginnt mit der Erkenntnis von Kahn, dass er als Torhüter im Grunde ungeeignet ist. Er habe ja zu viel Energie für diese Position, und weil er in seinem Strafraum gefangen sei (was durchaus wörtlich zu nehmen ist), gerate er in Schwierigkeiten, wenn er seinen Frust und seine Aggressionen ablassen müsse. Er glaubt: "Vielleicht entstehen deswegen immer diese typischen Oliver-Kahn-Situationen." Kahn als "Beißer" oder "Kung-Fu-Kahn" - Ausbrüche aus dem Gefängnis.
"Nummer eins" ist für Kahn vor allem eine Art Selbstverteidigung. Er habe eben ein paar Erfahrungen aufschreiben wollen, und dabei sei ihm wichtig, dass die Menschen vielleicht sehen: "Aha, der Kahn hat noch ein paar andere Facetten." Dass er eben nicht nur der Kahn sei, der "mit offenem Mund im Tor steht, brüllt und Kollegen würgt".
Im Buch erzählt Kahn unter anderem, dass er sich vom schwarzen Panther inspiriert fühlt und deshalb immer lange vor dessen Gehege stehen bleibt, wenn er mit der Tochter in den Zoo geht. Auch dass ihn einst die Lehrerin in der vierten Klasse auslachte, weil er auf ein Gymnasium gehen wollte - und die Aufnahmeprüfung dann erst im zweiten Anlauf schaffte. Und dass ihn Geld seit der Kindheit interessiert; schon als Junge träumte er deshalb von Dagobert Duck und nichts erschien ihm erstrebenswerter, "als eine Badewanne mit Kleingeld gefüllt".
Verlockungen des Starrummels
Wenn die Kahn'schen "Reflexionen" tatsächlich ehrlich sind, dann sind sie durchaus auch als selbstkritisch zu interpretieren. Es passt irgendwie zu seiner aktuellen Situation, wenn er in dem Buch schreibt: "Je mehr man erreicht hat, desto weniger funktioniert das Leben in den eigenen vier Wänden." Und er ergänzt: "Manche verfallen den Verlockungen des Starrummels, andere suchen einen Ausweg aus den gewohnten Bahnen." Er selbst, lässt er außerdem wissen, fühle sich in der "Rolle des Helden nur bedingt wohl".
So wandert Kahn in seinem Buch bisweilen auch ins Philosophische. Seine Besessenheit, erklärt er, habe ihn zu dem gemacht, was er sei. Aber er glaubt: "Die Gefahr ist, dass Besessenheit einen Prozess der Selbstzerstörung einleitet." Dieser Prozess sei oft "ziemlich weit fortgeschritten, bis man ihn wahrnimmt". Und als Held werde man "in Sphären katapultiert, in denen sich ein Mensch kaum zurechtfinden kann. Dort verschwimmen die Realitäten und man beginnt tatsächlich zu glauben, was die Medien berichten."
Oliver Kahn - "Nummer eins"; erscheint im Droemer-Verlag München; 176 Seiten; 38 Abbildungen; ca. 15 Euro