Dresden-Fans in Kaiserslautern
"Es war den Chaoten egal, ob es Kinder und Frauen trifft"
Die Gewaltexzesse rund um den Fußball-Zweitligisten Dynamo Dresden haben einen neuen Höhepunkt erreicht - jetzt spricht ein Augenzeuge, der die Krawalle in Kaiserslautern am Freitagabend erlebte. Er berichtet von Polizeipannen, dramatischen Szenen und Todesängsten.
Dresden-Fans in Kaiserslautern: "Ich schäme mich für diese Leute"
Foto: Uwe Anspach/ dpa
Fußball ist seine Leidenschaft. Daniel C.*, 25, erlebte Auf- und Abstiege mit seinem Lieblingsclub, der SG Dynamo Dresden. Doch was er am vergangenen Freitag beim Auswärtsspiel seiner Schwarz-Gelben in Kaiserslautern sah, hatte mit Leidenschaft nichts mehr zu tun. Stattdessen erlitt er Angstqualen. Der gebürtige Dresdner will anonym bleiben. Aus Angst vor den Chaoten, die den gleichen Verein wie er besuchen.
Seine bittere Erkenntnis nach einem Abend voller Gewalt und Randale: Die friedliche Mehrzahl der Dynamo-Anhänger ist chancenlos gegen die Randalierer. Das Protokoll eines schwarzen Freitags.
"Was haben wir uns auf diesen Abend gefreut. Gemeinsam mit einem Kumpel wollen wir unsere SG Dynamo beim 1. FC Kaiserslautern unterstützen. Der Abend beginnt friedlich. Wir parken außerhalb der Stadt, fahren zusammen mit Hunderten Kaiserslautern-Fans im Shuttlebus auf den Betzenberg. Wir sind heiß auf die Stimmung in diesem denkwürdigen Stadion. Und dann noch ein Flutlichtspiel. Was gibt es Schöneres? Doch unsere gute Laune hält nicht lange. Einige alkoholisierte, schwarz-gelb gekleidete Dynamo-'Fans' sorgen schon auf dem Hinweg für einen Vorgeschmack auf das, was später noch folgen soll. Sie pöbeln FCK-Fans an und verbreiten aggressive Stimmung. Leider keine Ausnahme bei Auswärtsspielen der SGD.
Ein verhängnisvoller Fehler
Wenig später stehen wir mit 4000 anderen Dresdnern im Gästeblock. Während die Mannschaften auflaufen, zünden die Lautern-Anhänger Wunderkerzen. Bei uns im Block brennen wieder einmal Dutzende Pyrofackeln. Ich schäme mich für diese Leute, die auch in der zweiten Halbzeit ihre bengalischen Feuer abfackeln. Richtig übel wird es allerdings erst nach dem Abpfiff. Ungefähr so muss man sich wohl einen Bürgerkrieg vorstellen.
Was ich nicht verstehe: Normalerweise gibt es nach den Spielen eine strikte Fantrennung. Meist werden erst die Anhänger der Heimmannschaft aus dem Stadion gelassen, dann die Gäste. Eine nervige Maßnahme für Auswärtsfahrer, aber so hätte immerhin das Chaos vermieden werden können, das sich in der kommenden Stunde in Kaiserslautern abspielt. Denn der Club lässt uns zeitgleich mit den Lautern-Fans aus dem Stadion. Ein großer Fehler.
Der Versuch, die SGD-Anhänger mit einer lächerlichen Polizei-Abgrenzung an den Heimfans vorbeizuführen, scheitert kläglich. Erst dadurch sind die Randalierer von unserer Seite auf die Lautern-Fans getroffen. Das Fatale: Mittendrin fahren die Shuttlebusse. Uns ist klar, dass es hier gleich knallen wird. Uns wird mulmig. Umso erleichterter sind wir, als wir endlich in einem der Shuttle-Busse sitzen.
"In all den Jahren auswärts noch nicht erlebt"
Das allerdings ist ein Trugschluss. Denn was jetzt passiert, habe ich in zehn Jahren auswärts noch nie erlebt. Von links und rechts laufen Vermummte auf die Fahrbahn und stoppen unseren Bus. Dass da auch friedliche Dynamo-Fans drin sind, interessiert sie überhaupt nicht. Die Polizei ist weit und breit nicht zu sehen. Die Randalierer springen wie die Wilden gegen den Bus. Einige schmeißen Steine und Absperrzäune gegen das Fahrzeug, andere versuchen mit Mülltonnen und sogar mit Baumstämmen die Türen aufzubekommen.
Wir haben Todesangst. Und damit sind wir nicht allein. Neben uns zersplittern die ersten Scheiben. Menschen schreien in Panik, als die Vermummten versuchen, Einzelne aus dem Bus zu ziehen. Dabei ist denen völlig egal, ob es Frauen, Kinder oder Ältere trifft. Ich glaube, dass die Leute in unserem Bus den Schock ihres Lebens erleiden. Am Ende rettet uns nicht die Polizei - sondern der Busfahrer. Denn der macht genau das Richtige: Er gibt Gas und überfährt die Barrikaden der Gewalttäter. Mir rast immer noch das Herz, als wir kurze Zeit später an einem Busbahnhof aus dem völlig zertrümmerten Bus steigen. Auf dem Heimweg sprechen wir kaum miteinander. Zu groß ist der Schock.
Mit einigen Tagen Abstand bleibt eine bittere Erinnerung. Und viele Fragen. Fanprojekt, Fanbetreuer, offener Dialog, eigene Ordner bei Auswärtsspielen, Sicherheitsbeauftragter, Austausch mit der Polizei - mein Verein tut viel, um das Gewaltproblem in den Griff zu kriegen. Aber warum rasten immer wieder auswärts vermeintliche Anhänger so dermaßen aus? Nutzen vielleicht Kriminelle den Verein als Plattform?
Später sagt Dynamo-Geschäftsführer Christian Müller bei Sport1: 'Wir stehen am Scheideweg. Unser Verein ist in seiner Existenz bedroht.' Ich werde trotzdem wieder hingehen. Denn dafür liebe ich den friedlichen Fußball viel zu sehr."