Dynamo Dresdens Neustart in der 2. Liga Kaltstart vom Balkon

Bei Dynamo Dresden finden sie, dass sie als einziger Verein die Zeche für den frühen Wiederbeginn der Liga zahlen. Nach 84 Tagen Pause wehrten sie sich nach Kräften gegen Stuttgart. Gereicht hat es trotzdem nicht.
Von Christoph Ruf, Dresden
Patzer gegen Stuttgart: Dresdens Simon Makienok verlässt enttäuscht das Spielfeld

Patzer gegen Stuttgart: Dresdens Simon Makienok verlässt enttäuscht das Spielfeld

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Robert Michael/ dpa

An normalen Tagen zelebrieren die Fans in Dresden ein besonderes Ritual: Kurz vor Anpfiff schlägt der ganze Block hinter dem Tor auf Signal des Vorsängers in immer schnellerem Rhythmus die Hände über dem Kopf zusammen und ruft dazu im Stakkato den Vereinsnamen: "DY"-"NA"-"MO". So kommt es zu Dezibelzahlen, die in den meisten Stadien nicht mal beim Torjubel erreicht werden. Am Sonntag, beim 0:2 im Geisterspiel gegen den VfB Stuttgart, hörte man kurz vor Anpfiff nur die Lüftungsanlage unter der Haupttribüne. Der Fanblock war leer. Aber vor ihm prangte ein riesiges Transparent: "Mit Wut im Bauch und klarem Verstand zerstört ihr Gegner und Verband", stand darauf.

Die Fans sind nicht die einzigen in Dresden, die finden, dass ihr Verein gerade alleine die Zeche für den frühen Neu-Start der ersten und zweiten Liga zahlen würde. Während anderorts die Gesundheitsämter nur die jeweils infizierten Spieler isolierten, wurde in Dresden nach zwei positiven Corona-Tests die komplette Mannschaft unter Quarantäne gestellt. Kein Spieler durfte seine Wohnung verlassen. Während die anderen 17 Zweitligisten also seit Wochen im Mannschaftstraining sind und schon drei Partien hinter sich haben, hat Dynamo seit Anfang März exakt zwei Mal elf-gegen-elf gespielt. Am Mittwoch im Training. Und nun, am Sonntag, gegen Stuttgart.

"Das hat vorher noch keiner gemacht, außer er will die Tour de France fahren"

"Wir kommen vom Balkon, haben dort und im Wohnzimmer Krafttraining gemacht und sind Fahrrad gefahren. Das hat noch keiner vorher gemacht, außer er will die Tour de France fahren", hatte Trainer Markus Kauczinski vor der Partie geklagt. Ein "Scheißgefühl" sei es, "wenn man verdammt ist zum Zuschauen, wenn man nichts tun kann, um auf Stand zu kommen."

Ganz so eklatant wie man das hätte erwarten können, verlief das ungleiche Kräftemessen am Sonntag dann aber nicht. Das lag daran, dass Dresden aufopferungsvoll kämpfte und durchaus Möglichkeiten hatte, zumindest einen Punkt zu holen. Es lag aber auch daran, dass Stuttgart nur das Nötigste tat, um den Gegner zu kontrollieren und wenig aus seinen 61 Prozent Ballbesitz machte. Für die beiden Tore durch Hamadi Al Ghaddioui (18.) und Darko Chulinov (88.) reichte es trotzdem.

Es sei "wichtig, solche Spiele dreckig zu gewinnen", gab sich Stuttgarts Trainer Pellegrino Matarazzo pragmatisch. "Das war aber sicher nicht unsere beste Leistung heute." Auch für Kollege Kauczinski überwog das Positive. "Wir haben gegen eine Topmannschaft gespielt, die in die erste Liga aufsteigen wird. Für den Stand, auf dem wir gerade sind, war das ein sehr gutes Spiel von uns."

Das Deprimierende an der Dresdener Situation ist dann vielleicht auch gar nicht mal so sehr, dass der Verein am Sonntag bei seinem Neu-Start nicht die gleiche Ausgangslage wie die anderen Teams hatte. Sondern, dass bis zum Saisonende keine Besserung in Sicht ist. Ein Punkt trennte Dynamo vom Relegationsplatz, als die Saison abgebrochen wurde, in der Rückrundentabelle war man Elfter. Nun sind es sechs Punkte.

Um die drei Spiele aufzuholen, muss Dynamo jetzt drei Englische Wochen am Stück spielen. Acht Spiele in 27 Tagen stehen insgesamt auf dem Programm. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass der gegenwärtige Fitnesszustand jetzt mit jedem zusätzlichen Spiel mehr ins Gewicht fällt.  

Hilft das "David-gegen-Goliath-Setting"?

Was den Dresdnern bleibt, ist die Hoffnung auf eine Trotzreaktion. Das David-gegen-Goliath-Setting – das in den letzten Jahren zuweilen auch künstlich herbeigeredet wurde – hat Dynamo schon oft einen inneren Zusammenhalt verliehen.

So scheint es auch dieser Tage wieder zu sein: Am Samstagabend organisierten Dresdner Ultras direkt gegenüber vorm Mannschaftshotel an der Elbe eine Pyroaktion: Das Flusswasser reflektierte dabei die roten Flammen, vor denen der Schriftzug "Wir zusammen gegen den Rest der Welt!" prangte.

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