Karriere-Coach Fischer Der Profi-Flüsterer
Die Schmerzen im Rücken waren kaum auszuhalten. Jan Schlaudraff, damals noch in Diensten Alemannia Aachens, hatte seinen Einsatz im brisanten Lokalderby gegen Mönchengladbach schon abgeschrieben. Seine letzte Hoffnung war ein Besuch bei Holger Fischer. Der 44-Jährige ist der Mann für eigentlich hoffnungslose Fälle. Auch Schlaudraff konnte Fischer helfen. Er tastete den Spieler mit seinen Händen an der Wirbelsäule ab, Schlaudraff konnte am nächsten Tag auflaufen und erzielte beim 4:2-Sieg gegen seinen ehemaligen Club zwei Tore und bereitete ein weiteres vor. "Man liegt bei ihm immer auf dem Bauch", beschreibt Schlaudraff die Behandlung. "Was dabei genau passiert, kann ich zwar nicht erklären, aber die Wirkung ist enorm", so der 23-Jährige, der in der kommenden Saison für den FC Bayern München spielen wird. Fischer ist weder Mediziner, Physiotherapeut oder Psychologe. Doch es gelingt ihm nach Auskunft seiner Patienten, Selbstheilungskräfte zu aktivieren und zu beschleunigen. Fischer, der in Remscheid lebt und viele Jahre als Tennistrainer im Leistungssport sein Geld verdiente, bezeichnet sich selbst als "Karrierecoach" und "Prozessbeschleuniger bei der Genesung von Verletzungen und Krankheiten".
Oliver Schmidtlein, einer der bekanntesten Physiotherapeuten hier zu Lande, ist von Fischer überzeugt und arbeitete bereits mit diesem zusammen. "In der klassischen Physiotherapie gibt es derzeit keine wirklich geeignete Terminologie, die Fischers Methode exakt beschreibt", so Schmidtlein, der schon mit den Profis des FC Bayern München gearbeitet hat und zudem half, Jürgen Klinsmanns Spieler für die WM 2006 topfit zu machen.
Der Ansatz der Selbstheilung ist in der Medizin zwar nicht neu, findet im Profifußball allerdings nahezu keine Anwendung. "Ich habe mir genau angeschaut, wie Fischer arbeitet und was er macht. Er liefert sehr gute Ergebnisse ab", sagt Schmidtlein, der selbst klassische Methoden einsetzt, während Fischer sich auch mit dem Unterbewusstsein seiner Patienten befasst.
"Ich konnte Fischers Ansatz selbst nie umsetzen, da fehlte mir einfach der Zugang. Beides ergänzt sich aber sehr gut und führt offenbar zu einer deutlichen Beschleunigung der Rehabilitation", so Schmidtlein. Klassische Physiotherapie erfolgt gewöhnlich über Behandlungsformen von außen. Die Selbstheilungsprozesse entstehen aber von innen heraus und somit vom Verletzten selbst. Der Spieler beginnt dann unmittelbar, den Prozess zu beeinflussen. "In meiner Arbeit wird ein übergeordnetes Heilungssystem aktiviert", erläutert Fischer.
Ex-Nationalspieler Thomas Strunz hat sich ebenfalls von Fischer behandeln lassen: "Man liegt da und entspannt sich. Fischer greift die Themen auf, die einen belasten und geht sie mit einem durch. Nach und nach lösen sich die einzelnen Blockaden", sagt der Europameister von 1996, der während seiner gesamten Profikarriere Rückenprobleme hatte. Heute habe er keine Beschwerden mehr. "Die Art der Behandlung ist anders als alles, was ich als Profifußballer gewohnt war", so Strunz. Das erzielte Ergebnis reiche ihm aber als Beleg, dass sich Fischers Ansatz - zusammen mit der schulmedizinischen Behandlung - schnell und unmittelbar auf Schmerzen oder eine Verletzung auswirke.
Schaaf schwört auf Fischer
"Über die Ergebnisse sprechen die Spieler untereinander und empfehlen mich weiter", sagt Fischer. Neben Schlaudraff und Strunz haben auch schon die Nationalspieler Mike Hanke (Hannover 96) und Patrick Owomoyela (Werder Bremen) Fischers Dienste in Anspruch genommen. "Mittlerweile dürften so um die 50 Profis bei mir gewesen sein", sagt Fischer.
Auch Bremens Trainer Thomas Schaaf wurde wie einige seiner Kollegen auf Fischer aufmerksam. Doch anders als viele andere in der Branche befasste sich Schaaf mit dessen Methoden. "Natürlich will man wissen, was dahinter steckt, wie die Arbeit aussieht", sagt Schaaf. Der Meistercoach ist bisher sehr zufrieden mit der Entwicklung Owomoyelas: "Auch durch die Zusammenarbeit mit Fischer ist es gelungen, ihn wieder auf einen erfolgreichen sportlichen Weg zu bringen. Er präsentiert sich in deutlich verbesserter Verfassung."
Für Fischer sei es "ein Lernprozess" gewesen und er musste erst einmal erkennen, welche Möglichkeiten in seinem Ansatz stecken. Dabei erinnert er sich an seine ersten Erfolge: "Es hätte ja auch nur Glück sein können. Das kann ich mittlerweile definitiv ausschließen." Im deutschen Profifußball bleibt Fischers Arbeit allerdings ein heikles Thema. Bei vielen medizinischen Abteilungen stößt er per se noch immer auf Ablehnung.