Huntelaar-Rückkehr zum FC Schalke Die Nostalgie des Jägers

Klaas-Jan Huntelaar war sieben Jahre lang auf Schalke erfolgreich, jetzt soll der Niederländer als 37-Jähriger den Klub vor dem Abstieg retten. Wenn es einer kann, dann er.
Selige Zeiten: Klaas-Jan Huntelaar jubelt auf Schalke 2011

Selige Zeiten: Klaas-Jan Huntelaar jubelt auf Schalke 2011

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Martin Meissner/ AP

Der Vater hat seine Wahl getroffen. Klaas-Jan Huntelaar kehrt zum FC Schalke zurück und verlässt dafür sogar seine Wärmestube Ajax Amsterdam. »Es ist so, als müsse man sich zwischen seinen Kindern entscheiden«, hatte der 37 Jahre alte Angreifer in der vergangenen Woche auf die Frage »Ajax oder Schalke?« gesagt. Schalke 04 bestätigte inzwischen die Rückkehr. Diese Liebe muss sehr groß sein.

»Königsblau für immer«, hatte die niederländische Fußballzeitschrift »Voetbal International« einen Artikel über Huntelaars Verhältnis zu Schalke bereits im Mai vergangenen Jahres betitelt. Die sieben Jahre, in denen der Stürmer, Spitzname »The Hunter«, der Jäger, in Gelsenkirchen unter Vertrag stand, die sieben Jahre, in denen er in 240 Pflichtspielen sagenhafte 126 Tore erzielte, haben tiefe Spuren hinterlassen. Nur so ist dieser Karriere-Move Huntelaars zu erklären. Er verzichtet immerhin auf Auftritte in der Europa League, er verzichtet möglicherweise auch darauf, mit 37 ein zweites Mal in seiner Karriere Landesmeister zu werden.

Ajax-Trainer Erik ten Hag nennt Huntelaar »einen Stürmer mit so guter Mentalität, ein Vorbild für die heutige Fußballergeneration«. Bei den Worten klingt durch, dass er seinen Routinier gern noch behalten hätte. Denn 37 Jahre hin oder her: Huntelaar hat auch im 18. Jahr seiner Profikarriere seine Qualitäten. Er ist nicht mehr so schnell, er hat an Spritzigkeit und Dynamik logischerweise nachgelassen, mehr Joker als Startelfspieler, aber allein der Blick auf diese bisherige Spielzeit zeigt, wie sehr der Jäger immer noch auf der Pirsch nach Toren ist.

Bestwert in der Liga

Für Ajax hat er in dieser Saison elf Einsätze in der Liga gehabt, nur zwei davon über die komplette Spielzeit, gegen Zwolle und gegen Willem II. Dennoch hat es Huntelaar erneut auf sieben Saisontreffer gebracht, umgerechnet war dies ein Tor pro 55 Minuten Einsatzzeit, wie »Voetbal International« ausgerechnet hat . Das ist laut der Zeitschrift ein Wert, auf den kein einziger Spieler der Ehrendivision kommt.

Den Ball immer im Blick, aber noch mehr das Tor

Den Ball immer im Blick, aber noch mehr das Tor

Foto: EMMANUEL DUNAND/ AFP

Gegen Twente in der Vorwoche traf Huntelaar doppelt, obwohl er erst in der 89. Minute beim Stand von 1:1 in die Partie gekommen war, gegen VVV-Venlo bei jenem berühmten 13:0 stand er 20 Minuten auf dem Feld und erzielte ebenfalls zwei Tore. Huntelaar braucht nach wie vor keine Aufwärmzeit, wenn er auf dem Platz ist.

In Pflichtspielen liegt er nun bei insgesamt 407 Toren. Es gibt von den aktiven Fußballern in Europas Topligen nur sieben Profis, die in dieser Hinsicht noch besser sind: Cristiano Ronaldo, Lionel Messi, Zlatan Ibrahimović, Robert Lewandowski, Luis Suárez, Sergio Agüero und Edinson Cavani. Man darf das eine illustre Gesellschaft nennen, in der sich Huntelaar da befindet.

»Der Spieler hat keine Schwächen«

Die Fußball-Statistik-Website Whoscored.com  führt in ihrer Bilanz auch die Stärken und Schwächen der Fußballprofis in den großen Ligen auf. Bei Huntelaar steht unter Stärken: Torabschluss, Ballkontrolle, Passspiel. Unter Schwächen findet sich lediglich ein lakonischer Satz: »Der Spieler hat keine signifikanten Schwächen.«

Es gibt auch Punkte, die die Euphorie rund um diese Rückholaktion dämpfen: Ajax spielt in der Liga meistens dominant, Huntelaar kann im Strafraum auf seine Chance warten. Das ist auf Schalke anders. »Er wird mehr arbeiten müssen, die Frage ist, wie viel Kraft ihn das kostet«, sagt Ex-Stürmer und Sky-Experte Erik Meijer dem »Algemeen Dagblad«.

Allerdings ist es nicht so, als gebreche es dem Tabellenletzten vor allem daran, Chancen zu erarbeiten. Das Problem ist vielmehr, sie zu verwerten. Schalke hat im Verhältnis von Chancen zu Toren die zweitschlechteste Quote aller Bundesligisten,  münzt nur 5,5 Prozent seiner Chancen zu Toren. Nur Arminia Bielefeld liegt mit 4,9 Prozent noch dahinter.

Schalke hat in 16 Partien lediglich 13 Tore geschossen (fünf davon in den vergangenen zwei Spielen), Offensivspieler wie Mark Uth oder der seit Wochen verletzte Gonzalo Paciencia haben in dieser Hinsicht alle Erwartungen unterboten. Da ist die Verpflichtung eines Spielers mit einem solchen Torjägerruf nachvollziehbar. Nicht nur aus nostalgischen Gründen.

Nach seinem Wechsel von Schalke zurück zu Ajax vor dreieinhalb Jahren, da war er auch schon immerhin 34, hat Huntelaar zuverlässig abgeliefert: In seiner ersten Ehrendivision-Saison 2017/2018 traf er 13 Mal, dann 16 Mal, dann neun Mal in der acht Partien vor Ende abgebrochenen Corona-Saison, jetzt steht er bei sieben Treffern.

»Ein Ende bei Ajax wäre schöner, aber Schalke hat mich vermutlich nötiger«, hatte Huntelaar den Zwiespalt zwischen seinen Kindern in der Vorwoche formuliert. In Amsterdam belegt Neueinkauf Sebastian Haller, der frühere Frankfurter, seit diesem Monat die Planstelle als echte Spitze, mit Quincy Promes, Kapitän Dusan Tadic und dem Brasilianer Antony hat ten Hag weitere offensive Optionen.

Schalke dagegen hat nur den jungen US-Amerikaner Matthew Hoppe als eigentlich einzigen Hoffnungsträger in Sachen Torerfolg. Der 19-Jährige hatte zuletzt allerdings einen Lauf, es wird auch auf die Fähigkeit von Trainer Christian Gross ankommen, zu vermitteln, dass er Hoppe weiterhin vertraut, wenn er einen solchen prominenten Mitspieler an die Seite bekommt.

Die Niederländer sind das Volk der Sprichwörter, sie lieben das so, und natürlich gibt es auch einige über Jäger. Eines lautet: »De gestadige Jager wint.« Frei übersetzt vielleicht: Wer immer auf der Jagd ist, gewinnt. Klaas-Jan Huntelaar ist auch mit 37 auf der Jagd. Für Schalke ist das ein Gewinn.

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